Hunderte Demonstranten entzündeten in Haselau Kerzen, Laternen und Fackeln, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen.

Haselau. Andreas Rieckhof (SPD) werden die Augen geflackert haben, als er am Sonnabend über die Elbe Richtung Haselau geblickt hat. Von der schleswig-holsteinischen Elbseite blinkten dem Bürgermeister von Stade vom Deich unzählige wie zur Kette auf aufgereihte Lichter entgegen. All die Kerzen, Taschenlampen, Laternen und Fackeln hatten viele hundert Menschen im Haselauer Ortsteil Hohenhorst angezündet - als weit über den breiten Fluss hinüber nach Niedersachsen leuchtendes Nein zum geplanten Bau von drei Kohlkraftwerken in Stade.

Die beeindruckende Demonstration hatte die Bürgerinitiative (BI) "Haseldorfer Marsch" für den Kreis Pinneberg und die "BI Stade-Altes Land" und "BI Bützfleth" auf der niedersächsischen Seite der Elbe organisiert. Die Pastoren Andreas Petersen aus Haselau, Helmut Nagel aus Haseldorf sowie Politiker aus der Region unterstützten die Aktion. Aus Stade kam gleich eine ganze Busladung friedlicher Protestler über die Elbe nach Hohenhorst angereist.

Die Menschen in der Haseldorfer Marsch haben ein Problem: Ihre Region liegt in der Hauptwindrichtung der drei in Stade geplanten Kohlekraftwerke. Die dortige Schwerindustrie verschmutzt bereits jetzt die Luft an der Unterelbe. Kohlekraftwerke gelten bei der Energieerzeugung als größte CO2-Verursacher und tragen wesentlich zur Klimakatastrophe bei. Die Forderung der drei Initiativen: Die Politiker des Alten Landes sollen Stellung gegen die Kohlekraftwerke beziehen. Die niedersächsische Landesregierung soll die Genehmigungsverfahren stoppen, bis ein länderübergreifendes umweltfreundliches Energiekonzept vereinbart worden ist. "Wenn überhaupt Kohlekraft, dann mit der bestmöglichen Technik", so eine weitere Forderung.

Eine solche Kraftwärmekopplung ist für die drei von Electrabel, Eon und Dow geplanten Kohlekraftwerken nicht vorgesehen. Als Steinzeittechnologie bezeichnete daher Valerie Wilms, Bundestagsabgeordnete und energiepolitische Sprecherin der Grünen, die Kohlkraftwerke. "54 Prozent der dort gewonnen Energie heizen die Elbe auf. Gerade mal 46 Prozent wird für die Erzeugung von Energie genutzt." Valerie Wilms hält Kohlekraftwerke für überflüssig. Eine Stromlücke sei angesichts der Strommenge, die Deutschland ins Ausland exportiere, nicht in Sicht. "Jeder Euro, den wir in umweltschädliche Technologie stecken, ist für die Entwicklung von zukunfts- und umweltfreundlicher Technologien verloren." Hetlingens Bürgermeisterin Barbara Ostmeier rief zum Widerstand auf: "Wir müssen uns wehren, dass Fakten geschaffen werden, die wir nicht mehr ändern können. Ich stehe bereit, um alles, was möglich ist zu erreichen", sagte die CDU-Landtagsabgeordnete.

"Die einzige Motivation der Energiekonzerne ist das Geld", meint Naturwissenschaftler Stefan Kruijer von der BI Stade-Altes Land. Die Kraftwerke seien mit ihren gerade mal 80 Arbeitsplätzen nicht einmal als "Jobmaschinen" geeignet. Rat und Verwaltung der Stadt Stade ignorierten die Probleme mit dem lapidaren Hinweis, einmal getroffene Zusagen gegenüber der Industrie müssten verlässlich sein.

In den kommenden Tagen wird Stades Rathauschef Andreas Rieckhof sehr viel Post bekommen: All die Menschen, die sich am Deekenhörn zum friedlichen Protest gefunden haben, wollen ihm Karten schreiben. Darauf listen sie detailliert auf, wie viele Tonnen CO2, Feinstaub, Quecksilber und Arsen die Kohlkraftwerke seiner Stadt künftig freisetzen - wenn er nichts unternimmt.