Während Freunde und Bekannte ihre Aussagen machten, schlug sich der 33-jährige Angeklagte immer wieder die Hände vor die Augen und wischte sich die Tränen.

Ellerbek/Itzehoe. Am zweiten Verhandlungstag hielt er die Finger vor dem Gesicht fest ineinander verkeilt, rieb sich ständig angespannt mit den Handballen übers Kinn.

Die Staatsanwaltschaft wirft Christian B. aus Ellerbek vor, in der Nacht zum 8. Februar 2009 seine 84-jährige, schwerst pflegebedürftige und demente Großmutter Marianne H. im gemeinsamen Haus in Ellerbek misshandelt und dadurch getötet zu haben. Christian B. kann sich nach eigenen Angaben an nichts erinnern, weil er in der Nacht Wodka und Drogen konsumiert habe. Gestern hörte das Gericht Zeugen.

Die Aussagen der Freunde von Christian B., seines Chefs und gleichzeitig Vater der ehemaligen Lebensgefährtin, und der Altenpflegerin der Oma stimmen in drei Punkten allesamt überein: Christian B. sei ein sehr zuverlässiger und positiver Mensch, und er habe die Großmutter stets liebevoll behandelt und gepflegt. Alle Zeugen sagten aber auch: Christian B. war zuletzt mit komplett überfordert, wollte es aber nicht wahrhaben. Eine Reihe von Ereignissen und Schicksalsschlägen - der Tod des Vaters im Jahr 2007, der Umzug der Mutter in die USA, das Ende der Beziehung zur Freundin - seien Ursachen für das Abgleiten des Angeklagten in ein von Alkohol- und Drogenmissbrauch geprägten Alltag gewesen. Nachdem im Dezember 2008 sein Hund eingeschläfert werden musste, sei Christian B. zusehends verwahrlost. "Er hat sich nicht mehr rasiert, die Haare wurden immer länger", so Freund Michael N. "Er ließ sich gehen, legte sich einen neuen Freundeskreis zum Durchfeiern zu und nahm ständig Drogen wie Speed und Kokain." Hilfsangebote habe Christian mit den Worten "Ich schaff das schon" abgelehnt.

"Zimmer und Bad der Großmutter sind stets blitzblank gewesen", so Altenpflegerin Iwona W., die sich drei Jahre lange um Marianne H. kümmerte. "In Christians Küche und in seinem Wohnzimmer sah es allerdings zum Schluss katastrophal aus - das reinste Chaos." Als die Oma am 2. Februar 2009, eine Woche vor ihrem Tod, mit Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus kam und der Verdacht bestand, dass der Enkel die Großmutter misshandelt haben könnte, habe Christian ihr immer wieder versichert: "Ich war das nicht." Sie habe Christian angeboten, die Oma für eine Woche in einem Pflegeheim unterzubringen. "Das wollte aber Christians Mutter nicht, mit der ich telefoniert hatte. Die hat gesagt, dass Christian sich dann was antut, wenn man ihm die Oma nimmt." Bei diesem Satz brach Iwona W. in Tränen aus und wandte sich an den Angeklagten. "Es tut mir so leid, Christian", schluchzte sie. Die Altenpflegerin entlastete den Anklagten: Die Hämatome und Verletzungen der alten Dame im Gesicht könnten auch von der täglichen Pflege wie Naseputzen oder Festhalten herrühren, meint sie. "Die Haut war so empfindlich, dass sie sehr leicht riss, jedes Anfassen verursachte blaue Flecken."

Die Todesursache werden zwei Gutachter ermitteln. Entweder starb die Großmutter an einer Hirnblutung als Folge der Verletzungen oder weil sie an Blut erstickte. Der Prozess wird am Montag, 21. September fortgesetzt.