Von Glinde über Kuddewörde, Trittau und Grönwohld nach Braak - und wieder zurück. Museum, Restaurant, Kulturzentrum, Wohnhaus, Bäckerei: Fünf historische Bauwerke erzählen fünf Geschichten. Und eine Radtour verbindet sie alle miteinander.

Glinde. Das Mühlenrad läuft, beinahe so wie seit Jahrhunderten. Allerdings ist es heute eine Elektropumpe, die das Wasser auf die Schaufeln befördert. Mühlenwart Albert Stoller (66) muss zuvor einen Schalter umlegen. Aufgestautes Wasser zu nutzen wie dereinst, das geht nicht mehr. "Dann wäre der Mühlenteich innerhalb von zwei Stunden leer", sagt Stoller und lacht. Die Umgebung der Glinder Wassermühle ist eben nicht mehr auf echten Mahlbetrieb ausgelegt. Das etwa 800 Jahre alte Gebäude ist die älteste Mühle in der Region, heute ein Heimatmuseum und eine Kulturstätte. Und der perfekte Ausgangspunkt für eine Mühlentour per Rad durch den Süden des Kreises Stormarn.

Wolf-Dieter Bode (68) ist Vorsitzender des Heimat- und Bürgervereins Glinde, der für die Pflege und Bewirtschaftung des Mühlengeländes verantwortlich ist. Er freut sich, wenn er Besuchern die Mühle zeigen und erklären kann. "Wir haben hier die alte Kornmühle rekonstruiert", sagt Bode, "das war die letzte Funktion der Glinder Mühle." Zuvor sei sie Fell-, Kupfer- und Farbholzmühle gewesen.

Im Inneren führt eine Holztreppe auf den Speicher. Dort sind viele Haushaltsgegenstände, Handwerkszeuge und technische Geräte der vergangenen 100 Jahre ausgestellt. Mühlenwart Albert Stoller (66) sagt: "Manchmal kommen ältere Herren vorbei und erkennen Werkzeuge wieder, mit denen sie selbst noch gearbeitet haben. Dann erzählen sie ihren Enkeln, wie das damals gewesen ist. Das finden die Kinder toll." Die Museumsmacher auch.

In einer Ecke stehen einige Holz-"Waschmaschinen", in einer anderen alte Kinderwagen, Nähmaschinen, Wäschebügler und sogar ein alter Herd. "Bei uns darf man alles anfassen und in die Hand nehmen", sagt Bode, "das Wort 'verboten' hasse ich." Deshalb ist dieses Museum insbesondere für Kinder spannend. Eine Reihe von Modellen im Erdgeschoss veranschaulicht die Funktionsweisen verschiedener Mühlenarten. Sie funktionieren auf Knopfdruck.

Auf dem Freigelände stehen zwei Wagenschauer. Im ersten sind landwirtschaftliche Geräte und Werkzeuge zu sehen. Das Obergeschoss ist im Stil der Fünfzigerjahre eingerichtet. Im zweiten Wagenschauer sind landwirtschaftliche Fahrzeuge untergebracht.

Wer genug gesehen hat, kann dem Radwanderweg 21 durch ein Waldstück folgen. Nach kurzer Zeit liegt ein großer Spielplatz am Wegesrand. Die Strecke ist nicht nur für Radfahrer attraktiv. Auch viele Fußgänger sind unterwegs, Menschen wie Bärbel und Uwe Leißner. Sie spazieren oft durch die Umgebung rund um Glinde. "Uns gefällt es hier sehr. Die Natur ist schön ruhig und grün", sagt Bärbel Leißner.

Es geht durch herrlich ruhige und sommerlich duftende Felder weiter in Richtung Reinbek-Neuschönningstedt, dann über wenig befahrene Straßen durch den Ortsteil Ohe und schließlich nach Aumühle. Eine holprige Lindenallee führt direkt in den Sachsenwald, wo der Radwanderweg nun die Nummer 19 trägt. Die hohen Bäume lassen kaum Licht durch ihre dunkelgrünen Blätter. Es riecht nach feuchtem Laub und Moos. Das Klima ist angenehm kühl und erfrischend.

Die Ruhe des Waldes endet in der Ortschaft Kuddewörde, in der am Flüsschen Bille eine weitere Wassermühle liegt: die Grander Mühle. Kein Museum, sondern ein Restaurant. Hier kann man draußen auf der Brücke am Mühlenteich sitzen und etwas essen. Restaurantpächter Joseph Gavieres (28) sagt: "Die Mühle existiert seit etwa 750 Jahren." Und ebenso lange besitzt sie Schankrechte. "Wir haben Gästebücher seit den 30er-Jahren. Da stehen sogar persönliche Erlebnisse aus der Kriegszeit drin", erzählt Gavieres.

Wer die Mühle hinter sich lässt, an der Kuddewörder Kirche vorbeifährt und kurz dahinter links in einen kleinen Feldweg einbiegt, dem bietet sich nach kurzer Zeit von einer hölzernen Rundbrücke aus ein atemberaubender Ausblick auf das Billetal. Der nächste größere Ort, der hinter moorigen Feldern und einem kleinen Wäldchen liegt, ist Trittau. Ein Muss: ein Abstecher zur 300 Jahre alten Trittauer Wassermühle. Kein Museum und kein Restaurant, sondern ein Kunst- und Kulturzentrum von überregionaler Bedeutung. Auf dem Teich davor schwimmen Enten und Schwäne. "Schönes Arbeiten hier", sagt Ralph Brücker, der Hausmeister, der gerade vor der Tür steht. Seit 1992 ist die Mühle Kulturzentrum. Jedes Jahr vergibt die Kulturstiftung der Sparkasse ein Stipendium an junge Künstler. Momentan wohnt die Zeichnerin und Multimedia-Künstlerin Katrin Sahner (39) aus Köln mietfrei in der Mühle und kann sich im Atelierhaus gleich nebenan austoben.

Es gibt regelmäßig Vorträge und Konzerte unter dem historischen Gebälk. Und mit etwas Glück läuft gerade eine Ausstellung. Von diesem Sonnabend an (Vernissage ist um 16 Uhr!) stellt Dirk Langenhan aus Leipzig unter dem Motto "Wege zur Glückseligkeit" aus. Eigentlich galt diese Überschrift 99 mit Goldfarbe verzierten und mit Sprüchen versehenen Papptellern, doch die fielen leider einem Feuer im Atelier des Künstlers zum Opfer. Also hat Langenhan kurzfristig umgesattelt und Grafiken aus Firmenlogos erstellt. "Der Titel passt trotzdem", meint er, "die Frage lautet jetzt: Welches Glück verspricht die Werbung?"

Und wer zu Pfingsten oder rund um das Erntedankfest herum an der Wassermühle vorbeischaut, kann dort seit Jahren einen der größten Kunsthandwerkermärkte im Norden erleben.

Früher verließen die Menschen Trittau mit der Eisenbahn. Heute ist nur noch der Bahndamm vorhanden. Er ist zum Radweg ausgebaut worden. Und der führt vom nördlichen Ortsausgang direkt ins Nachbardorf Grönwohld. Rechts liegt eine weitere Mühle. Kein Museum, kein Restaurant, kein Kulturzentrum, sondern schlicht ein privates Wohnhaus, Hübsch von außen anzusehen.

Die Tour führt nun an mehreren kleinen Bächen und Teichen vorbei. In Lütjensee geht sie über in einen herrlich kühlen Buchenwald. In dem Wäldchen verschwindet jeglicher Stadtlärm. Die Bäume schließen sich zu einem leuchtend grünen Blätterdach zusammen. Das nächste Dorf heißt Papendorf. Ein oder zwei Kilometer rechts der Strecke liegt eine echte Holländer-Windmühle - die einzige erhaltene weit und breit, voll funktionsfähig. Dort wird gelegentlich immer noch Korn gemahlen, das Mehl in der benachbarten Bäckerei verbacken. Wer Glück hat, trifft den ehrenamtlichen Müller Karl-Heinz Borchert, der die Mühle Besuchern gern vorführt.

Zwischen goldgelben Stoppelfeldern, bunten Kornblumen und Pferdekoppeln geht es weiter in Richtung Barsbüttel.

Wenig später fällt der Blick auf vertrautes Gewässer, auf den Glinder Mühlenteich. Schon aus der Ferne fallen sie auf: zwei ältere Herren, die vor der Wassermühle altes landwirtschaftliches Gerät restaurieren. Fürs Museum. Albert Stoller und Wolf-Dieter Bode sind bei der Arbeit. Sie winken den Rückkehrern fröhlich zu.