Gutachten der Verteidigung soll beweisen, dass das Opfer (84) eines natürlichen Todes starb.

Ellerbek/Itzehoe. Immer wieder schlug Christian B. die Hände vor das Gesicht, kämpfte mit den Tränen. Oder der 33-Jährige legte die Handinnenflächen auf seine Ohren - als ob er die Worte, die im Gerichtssaal fielen, auf diese Weise nicht hören müsste. Gestern befasste sich die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe mit dem Tod von Marianne H. (84 *), der Großmutter des Ellerbekers.

Der ist angeklagt, die demenzkranke und schwerstpflegebedürftige alte Frau in der Nacht zum 8. Februar derart körperlich misshandelt zu haben, dass sie an einer schweren Schädelhirnverletzung verstarb. Seit Juni 2008 hatte sich der Feinmechaniker im gemeinsamen Haus an der Seerosenstraße um die Pflege der Seniorin gekümmert, nachdem seine Mutter zu seinen beiden Schwestern in die USA gezogen war. "Ich hatte das angeboten, meine Mutter war skeptisch", berichtet der Angeklagte. Zu Recht. Denn obwohl sich zweimal täglich ein Pflegedienst um die körperliche Hygiene kümmerte, war Christian B. der Aufgabe alleine nicht gewachsen..

Morgens um 5 Uhr aufstehen, die Oma füttern, mit den beiden Hunden ausgehen, den Tag über arbeiten, abends wiederum der alten Dame etwas zu essen machen: Dieses Pensum hielt der 33-Jährige nur mit Hilfe von Alkohol und Drogen durch. "Ich habe mir das Leben schöngesoffen. Monatlich habe ich 500 bis 600 Euro für Kokain und Speed ausgegeben, habe jetzt 15 000 Euro Schulden." Zudem musste Christian B. einräumen, dass das Einfamilienhaus langsam verwahrloste. "Alle machten sich Sorgen, aber ich dachte, ich krieg' das in den Griff."

Sein Leben sei aus den Fugen geraten, als sein Vater im Mai 2007 starb. Dank des dann folgenden exzessiven Alkohol- und Drogenkonsums habe ihn im April 2008 seine langjährige Freundin verlassen, Silvester 2008 sei dann der gemeinsame Hund verstorben. Zwischendurch verlor der Angeklagte seinen Führerschein, fuhr seinen Wagen zu Schrott.

An den Tattag hat Christian B. nur verschwommene Erinnerungen. Er weiß noch, dass er bereits morgens "Wodka mit Red Bull" trank, später Bier und wiederum Wodka, dann noch Drogen nahm. "Bis 18 Uhr habe ich noch Erinnerungen, dann weiß ich wieder, wie ich um kurz nach 5 Uhr am Computer saß." Er habe dann nach der Oma sehen wollen. "Sie lag auf der Seite, das sah schlimm aus. Ich habe das Bild immer vor Augen."

Kurze Zeit später traf Altenpflegerin Kathrin B. (32), vom Angeklagten telefonisch alarmiert, in dem Haus ein. "Da waren Verletzungen im Gesicht und am Hals von Frau H., auch Kratzspuren hinter den Ohren habe ich gesehen." Christian B. habe einen verstörten Eindruck gemacht. Das bestätigten auch die Rettungssanitäter Carsten F. (30) und Patrick D. (27), die die Seniorin in die Klinik brachten. "Die Pflegedienstmitarbeiterinnen sagten, dass der Enkel mal wieder Hand angelegt hat."

Marianne. H. war bereits sechs Tage vor diesem Vorfall wegen einer stark blutenden Wunde an der Nase ins Krankenhaus gekommen. Damals hatte sich Christian B. damit rausgeredet, seine Oma habe sich selbst an einer Tasse verletzt und er habe etwas zu grob versucht, die Blutung zu stillen. "Er war wegen dieses Vorfalls verzweifelt", berichtete Karen P. (29), die Ex-Freundin des Angeklagten. Sie bestätigte, dass er häufiger unter Erinnerungslücken litt, wenn er Alkohol trank. Christian B. sei stets sehr liebevoll mit seiner Oma umgegangen, jedoch mit der Situation überfordert gewesen. "Ich habe mir große Sorgen um ihn gemacht, hatte das Gefühl, ihn im Stich gelassen zu haben."

Der Prozess wird am 3. September fortgesetzt. Dann soll ein Arzt über die Verletzungen von Marianne H. referieren. Verteidiger Winfried Günnemann hat gestern ein weiteres medizinisches Gutachten beantragt. Er will beweisen, dass die 84-Jährige nicht an den Folgen der Misshandlungen, sondern eines natürlichen Todes verstarb.