Die 84-Jährige hatte sich schwer verletzt. Das Unternehmen lehnt jetzt jegliche Haftung ab.

Pinneberg. Ihr Sturz im Linienbus am 23. März hatte für Ilse Todt schmerzhafte Folgen. Nun hat das Geschehen für die 84-jährige, zu hundert Prozent schwer behinderte Seniorin sogar noch ein juristisches Nachspiel. Die Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG) hat eine Kostenübernahme der Unfallfolgen und die Zahlung eines Schmerzensgeldes abgelehnt. Begründung: Der Sturz der auf einen Rollator angewiesenen Pinnebergerin sei "auf eine Vernachlässigung ihrer Eigensicherungspflichten" zurückzuführen. Sie hätte sich nach Ansicht der Verkehrsgesellschaft irgendwo festhalten müssen.

"Meine Mutter war über dieses Schreiben sehr enttäuscht", berichtet Hans-Werner Todt, der Sohn der Verunglückten. Es war 9.39 Uhr, als die Rentnerin, auf ihren Rollator gestützt, an der Haltestelle Friedrich-Ebert-Allee in den Bus einstieg. Bis zu diesem Zeitpunkt nutzt die alte Dame fast täglich dieses Verkehrsmittel. Doch bevor sie diesmal den Klappsitz in Türnähe erreichen kann, fährt der Bus nach ihren Angaben ruckartig an. Neben diversen Prellungen zieht sich Ilse Todt eine komplizierte Fraktur des linken Handgelenks zu. Noch heute kann sie sich nicht allein versorgen. Zweimal täglich kommt der Pflegedienst, auch das Essen muss sich die Seniorin liefern lassen. Bis Jahresende, wenn es der 84-Jährigen hoffentlich wieder besser geht, wird sie einen Eigenanteil für die Pflegeleistungen von etwa 2500 Euro zahlen müssen. Hinzu kommen weitere Kosten, etwa für Taxifahrten zum Arzt. Für die ehemalige Sekretärin mit kleiner Rente ein großer Batzen Geld.

Zeugen des Sturzes gab es viele. Allerdings stand Ilse Todt unter Schock, hatte nicht nach Namen gefragt. So steht letztlich Aussage gegen Aussage. Die PVG hat ihren Fahrer befragt. "Nach unseren Erkenntnissen ist er ganz normal angefahren", so Unternehmenssprecher Kay Goetze. Er verweist darauf, dass Ilse Todt das Fahrmanöver möglicherweise als ruckartig empfunden habe. Ein sogenannter Kavaliersstart sei jedoch mit einem modernen Bus mit Automatikgetriebe gar nicht möglich. "In der Nähe der Tür, wo die Frau eingestiegen ist, gibt es Haltegriffe und Haltestangen. Sie hätte sich aus unserer Sicht ausreichenden und sicheren Halt verschaffen müssen", so der PVG-Sprecher weiter.

Goetze verweist weiter darauf, dass sein Unternehmen zwar jegliche Haftung abgelehnt, jedoch ein Angebot für eine gütliche Einigung unterbreitet habe. Tatsächlich hat die PVG der alten Dame eine Abfindung von 1000 Euro angeboten, wenn sie im Gegenzug eine Abfindungserklärung unterzeichnet. Damit würde sie auf alle Ansprüche verzichten - laut Erklärung auch "auf solche Unfallfolgen, die heute weder voraussehbar noch erkennbar sind". Sohn Hans-Werner Todt hält dieses für Einschüchterung. "Das unterschreiben wir nicht." Er hat bereits einen Anwalt eingeschaltet - und will nun die PVG verklagen. "Ich mache das nicht gerne. Aber meine Mutter ist an der Sache schuldlos und ihr sind hohe Kosten entstanden."