Im Deutsch-Trainingsclub Literatur versuchen die Kinder zu verstehen, was den Menschen im Krieg passiert. Das, was die Dritt- und Viertklässler als Schattenspiel aufführen, ist in sehr realistisch.

Halstenbek. Die Sirenen heulen laut durch die Nacht. Die Menschen - nur als Silhouetten zu erkennen - fassen sich bei den Händen und laufen los. Ihr Ziel ist der schützende Luftschutzkeller. Beinahe hätte Julia ihre Puppe Emma vergessen. Im letzten Moment kann das Mädchen sie noch greifen.

Licht an. Jetzt ist die Bühne in der Halstenbeker Grundschule Nord hell erleuchtet "Das habt ihr toll gemacht", ruft Lehrerin Elisabeth Drews. Das, was die Dritt- und Viertklässler als Schattenspiel aufführen, ist in sehr realistisch. Die Kinder stellen dar, wie die Menschen im Zweiten Weltkrieg vor Bomben Schutz suchen. Die Szenen, die sie für ihr Theaterprojekt ausgewählt haben, entstammen dem Buch "Emma oder Die unruhige Zeit" von Autorin Ursula Fuchs.

Elisabeth Drews hatte den Stoff für den Deutsch-Trainingsclub Literatur vorgeschlagen: "Schüler fragen immer wieder, ob sie mal das Thema Holocaust besprechen können. Vor ein paar Jahren bin ich so auf das Buch von Ursula Fuchs gestoßen", sagt die Religions- und Deutschlehrerin. "Es schildert die Kriegsjahre aus Kindersicht; erzählt nicht nur Schreckliches, sondern hat auch lustige Stellen."

Ein Jahr lang haben sich die Jungen und Mädchen intensiv mit der Geschichte beschäftigt: Julia bekommt zum sechsten Geburtstag im Jahr 1939 die Puppe Emma geschenkt und will sie nie wieder hergeben. Dann ist plötzlich Krieg, und Julias Leben wird sehr unruhig. Emma ist immer dabei, wenn die Bomben fallen - bis zu jener Nacht kurz nach Kriegsende, als Julia mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder aus der sowjetischen in die britische Besatzungszone flüchtet.

Für die Jungen und Mädchen hat die Beschäftigung mit dem Zweiter Weltkrieg bleibenden Eindrücke hinterlassen: "Als ich die Sirenen und die Geräusche von den Maschinengewehren zum ersten Mal von der CD gehört habe, bin ich fast vom Stuhl gefallen, so habe ich mich erschrocken", erzählt Paul (9). "Ich weiß nicht, wie man das in Echt aushalten kann." Annika sagt: "Das muss ganz schlimm sein, wenn man Angst haben muss, dass man jeden Augenblick sterben kann."

Eine Suche nach Stolpersteinen in der Hamburger Schlüterstraße, die an deportierte, entrechtete oder ermordete jüdische Mitbürger erinnern, war Teil des Programms. "Warum sind jüdische Menschen verfolgt und umgebracht worden? Ich verstehe das nicht", sagt Patrick (10). "Wenn sich die Leute gewehrt haben, sind sie bestraft oder umgebracht worden." Dieses Gefühl der Hilflosigkeit setzen die Kinder in einer Szene um: Julia muss zusehen, wenn ihr Freund mit einem Rohrstock verprügelt wird und kann nicht einschreiten.

"Das Buch eignet sich unglaublich gut für den Grundschulunterricht", sagt Elisabeth Drews. "Die Kinder bekommen eine Vorstellung davon, wie es den Menschen in aktuellen Kriegen ergeht."