Während die Kaufleute zu handfesten Mitteln greifen, versucht die Firma ihren Umschlag zu erhöhen.

Wedel. Ob Autohändler, Raumausstatter oder Sozialkaufhaus - in den Geschäften am östlichen Wedeler Kronskamp kommt über jede Branchen-Grenze hinweg derzeit vor allem ein Universal-Werkzeug zum Einsatz: die Fliegenklatsche. Denn sie alle leiden unter einer Invasion von Stubenfliegen. Zu Tausenden, vielleicht Zehntausenden sirren die schwarzen Viecher im Luftraum umher. Brutort ist wahrscheinlich der Betriebshof von Elbe Recycling - die insektoiden Heerscharen haben bereits die Behörden auf den Plan gerufen.

"Wenn wir morgens Klebestreifen aufhängen, sind sie mittags schwarz", sagt Wolfgang Mertens vom Seat-Autohaus Henke. Auf seinem Schreibtisch liegen zwei Klatschen, außerdem britzelt eine elektrische Lichtfalle munter vor sich hin. Seit rund 14 Tagen nerven ihn, seine Belegschaft und seine Kundschaft diese penetranten Brummer. Und weil der Ärger tagelang kein Ende nahm, hat er Stadt und Landesbehörden alarmiert.

Die Kollegen der anderen Marken auf der Automeile werden nicht verschont. Martina Fricke von Ford hat sich viele bunte Blumen- und Schmetterlingsaufkleber an die Scheiben der Schauräume gepappt - tödliche Fallen für die schwarzen Biester. Martina Fricke: "Da muss was passieren."

Auch um VW machen die Fliegen keinen Bogen. Tanja Biesterfeldt, Geschäftsführerin des gleichnamigen Autohauses: "Es ist für die Kunden schon lästig, wenn sie ständig mit der Hand wedeln müssen, um die Fliegen zu verscheuchen."

"Lästig, eklig, geschäftsschädigend", sagt Jens Cordes Leiter des Wedeler Sozialkaufhauses. Besonders problematisch ist die Angelegenheit, weil in seinen Räumen auch Brötchen verkauft werden. Es gab Tage, an denen dieser Service abgebrochen werden musste, weil Schwärme von Fliegen in die Räume schwirrten. Leidensgenossin ist Gesa Schütt von der Verkaufsstelle der Stadtbäckerei Pinneberg in der Lidl Niederlassung: "Wir haben zwölf Filialen und ich kenne sie alle - und in keiner gibt es so viele Fliegen wie hier."

Karsten Krause, Inhaber eines Raumausstattungsunternehmens, hat Worten Taten folgen lassen und sich brieflich beim Bürgermeister beschwert - alle Betroffenen sprechen mehr oder weniger laut aus, worin sie die Ursache des Übels sehen: Die Firma Elbe Recycling, die Abfallstoffe unterschiedlicher Art sammelt. Riesige Müllberge türmten sich auf dem Hof, sobald ein Bagger etwas abgriff, kreisten die Möwen. Beim warmen Wetter der vergangenen Wochen sind die Berge die Brutstätten der fliegenden Bazillenträger

Die Stadt ist für die Überwachung von Elbe Recycling nicht zuständig, sondern das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume. Dessen Mitarbeiter Werner Orlowski hat das Unternehmen bereits besucht und angemahnt die Abfallhaufen bis zum Ende kommenden Woche zu beseitigen. Orlowski: "So ein Phänomen habe ich noch nirgendwo gehabt."

Elbe-Recycling-Geschäftsführer Thomas Kamerseder streut Asche auf sein Haupt: "Wir hatten Probleme in einer Sortieranlage und konnten die Stoffe nicht so schnell abfahren." Er sagte, dass es sich bei den Abfällen zwar um Gewerbemüll handele, doch nie sei auszuschließen, dass dort nicht auch Abfälle anderer Art hineingeworfen werden, die den Fliegen als Kinderstube dienen. Kamerseder gelobte Besserung: "Wir haben unseren Umschlag schon deutlich erhöht." Er wies aber auch darauf hin, dass es sich bei Elbe Recycling um einen genehmigten Entsorgungsbetrieb handele, die Zwischenlagerung sei nicht verboten.

Aber nicht alles, was erlaubt ist, muss auch gefallen - jedenfalls bei den Nachbarn nicht. In den Gesprächen mit der Pinneberger Zeitung war auch die Rede von vielen Ratten und allerlei anderem Kriechgetier sowie von Glasstaub und anderem Dreck auf Straßen und Bürgersteigen, der auch vom Pendelverkehr zwischen zwei rund 100 Meter entfernt voneinander liegenden Betriebsgrundstücken herrührt.

"Der Betrieb passt nicht mehr so gut in das Gebiet", sagte Bürgermeister Niels Schmidt. Deshalb habe man schon vor Jahren eine Aussiedelung an die Pinneberger Straße angeboten.: "Verhandlungen sind aber nicht zum Abschluss gekommen."

Elbe-Recycling-Geschäftsführer Kamerseder: "Aussiedeln ist im Moment kein Thema. Wir wollen aber den Standort modernisieren und eine neue Sortieranlage bauen."