Der ehemalige Quickborner Bürgermeister gehört zum Senior Experten Service. Die Trinkwasserversorgung, der Aufbau von Müllabfuhr und Klärwerken sind die großen Aufgaben.

Over/Quickborn. Das Wasser aus dem Ziehbrunnen ist kein Trinkwasser, es enthält zu viele Schadstoffe. Wer es sich leisten kann, kauft Mineralwasser im Supermarkt. Aber die meisten Menschen in Nisporeni sind arm und haben keine andere Wahl - sie müssen es trinken. Nisporeni liegt in Moldawien, dem ärmsten Land Europas, und hat etwa 11 500 Einwohner. Nach der Unabhängigkeit von der ehemaligen Sowjetunion arbeitet das Land am demokratischen und wirtschaftlichen Aufbau. Und holt sich dazu Hilfe aus dem Ausland: Günter Thonfeld (62) aus Over hat zwei Wochen lang Nisporenis Bürgermeister Ion Gangan unterstützt: Thonfeld ist Berater des Senior Experten Services (SES) und hat bereits zum zweiten Mal sein "Know-How" weitergegeben, war er doch selbst zwölf Jahre Bürgermeister der Stadt Quickborn. "Trinkwasserversorgung und Müllentsorgung sind die wichtigsten Projekte der Stadt", sagt Thonfeld. Günter Thonfeld ist pensioniert und Mitglied des Rates der Gemeinde Seevetal. Bei seinem Besuch im letzten Jahr hat er Vorträge etwa zum deutschen Verwaltungswesen oder zum Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gehalten, "um den Menschen das demokratische Staatswesen näher zu erklären", so Thonfeld. In diesem Jahr hat er Bürgermeister Gangan bei Projekt-Gesprächen begleitet und beraten: "In den Verhandlungen mit österreichischen Institutionen und Firmen zum Trinkwasser- und Müll-Projekt habe ich den Bürgermeister unterstützt, ihm Tipps gegeben und ihn auf mögliche Probleme aufmerksam gemacht", sagt Thonfeld.

"Das Wasser der Ziehbrunnen ist nur fürs Putzen geeignet. Eine Lösung wird die Wasserleitung vom nahe gelegenen Fluss Prut sein, die die Bewohner in zwei Jahren mit sauberem Wasser versorgen soll", sagt Thonfeld. Ein zweites Problem: die Müllentsorgung. "Entweder verbrennen die Menschen ihren Müll privat, oder er wird in ein großes Loch am Berg gekippt", sagt Thonfeld. Ab Herbst soll eine städtische Müllentsorgung realisiert werden, für die derzeit die Vorbereitungen laufen. Und: "Die Kläranlage funktioniert zwar, aber nicht nach westlichen Standards, da keine mikrobiologische Reinigung erfolgt", sagt Thonfeld zu einer nächsten "Baustelle" in Nisporeni.

Bei seinen Besuchen in Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen und Betrieben hat sich Günter Thonfeld ein umfangreiches Bild von der Lebenssituation der Menschen verschafft: "Die Menschen sind arm, das Durchschnittseinkommen liegt bei 80 bis 150 Euro im Monat. Viele Familien können nur dadurch überleben, dass sie sich neben ihrem Haus, ihrer kleinen Datsche, Tiere halten und Gemüse anpflanzen", sagt Thonfeld. Ein wenig erinnere ihn die Situation an die Nachkriegszeit in Deutschland: "Meine Eltern waren auch arm und haben Hühner und Schweine gehalten, um zu überleben", so Thonfeld. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 haben etwa 700 000 junge Moldawier das Land verlassen, da es an Arbeitsplätzen mangelt. Kindergärten, Schulen, Gebäude, Straßen sowie die gesamte Infrastruktur sind in einem renovierungsbedürftigen Zustand.

Ein Lichtblick ist das Schulwesen: "Nisporeni hat allein zwei Gymnasien, die Schüler sind ehrgeizig und streben einen guten Schulabschluss an, um in der Hauptstadt Chisinau Arbeit zu finden oder studieren zu können", so Thonfeld.

Mit Blick in die Zukunft plant der Kreis Nisporeni ein Touristik-Konzept: "Das hügelige Land eignet sich hervorragend für Wander-Urlaube, die Natur ist wunderschön und die Luft rein, da es keine Industrien gibt und die Verpflegung günstig ist", so Thonfeld: Ein Mittagessen mit Getränken kostet etwa fünf Euro.

Thonfeld hält Kontakt zum Bürgermeister-Kollegen, hält Vorträge über Moldawien und wirbt für Spenden: "Die Stadt Nisporeni muss einen Eigenanteil für die Wasserleitung leisten, vielleicht finden wir Spender, die der Stadt helfen möchten", so Thonfeld. Um Unterstützung will er auch Bundespräsident Horst Köhler bitten. Denn: "Seine Vorfahren stammen aus der gleichen Region", sagt Thonfeld. Oder es finden sich Firmen, die sich in Moldawien mit einer Produktion niederlassen: "Das Lohnniveau ist extrem niedrig, die Menschen motiviert", sagt Thonfeld. Er hat viele Ideen, um Nisporeni weiter zu helfen.