Mitarbeiter völlig überlastet: Bis zu 100 Anrufe erreichen täglich die Büros im Kreis Pinneberg.

Kreis Pinneberg

Herr K. ist verheiratet, hat zwei schulpflichtige Kinder und nach Auflösung seines Maler- und Lackierbetriebs 79 250 Euro Schulden, als er den Kontakt mit der Schuldnerberaterin in Wedel aufnimmt. Der außergerichtliche Einigungsversuch mit 27 Gläubigern scheitert. Deshalb beantragt K., der wieder als Angestellter in seinem Beruf arbeitet, mit Hilfe der Beraterin den Verbraucherkonkurs. Das Amtsgericht beschließt, die pfändbare Summe in Höhe von 170 Euro monatlich an alle Gläubiger aufzuteilen. Sie erhalten damit verteilt über sechs Jahre etwa 14 Prozent ihrer Forderungen, und Familie K. ist nach Ablauf des Insolvenzverfahrens wieder schuldenfrei.

Ein Einzelfall? Nein! In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Beratungen im Kreis Pinneberg auf weit über 3000 verdoppelt. Und der Druck wächst täglich. "Unsere Beratungsbüros werden geradezu überrannt", sagt Michael Danker, der vor 24 Jahren gemeinsam mit Hans-Jürgen Semmelhack und Mechthild Kuiter-Pletzer die erste spezialisierte Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein aufbaute. 1288 Menschen wurden im vergangenen Jahr intensiv betreut.

Ein Ende des Anstiegs ist nicht abzusehen. "Je mehr Menschen ihre Arbeit verlieren oder mit dem Einkommen aus Kurzarbeit nicht mehr ihre Verpflichtungen abdecken können, um so mehr geraten in die Schuldenfalle", erläutert Danker. Das erste Problem: Die Mitarbeiter, die 4,6 Stellen auf sechs Berater und drei Verwaltungskräfte aufteilen, kommen an ihre physischen Grenzen. Etwa 100 Anrufe täglich erreichen die Büros.

Das zweite Problem: Um den Ansturm der Klientel zu bewältigen, steigt die Wartezeit für ein Erstgespräch von zwei bis acht Wochen im Jahr 2007 auf heute bis zu zwölf Wochen. Für eine Insolvenzbearbeitung müssen schon zwölf Monate kalkuliert werden. "Was das Team leistet, ist jeden Tag eine Herkulesaufgabe", sagt Danker. Verstärkung tut not. Deshalb warb der Chef der Schuldnerberatung jüngst im Sozialausschuss des Kreises um weitere Unterstützung.

Doch auch der Kreis ist überschuldet. Aus dem Landeshaushalt wird glücklicherweise die Insolvenzberatung finanziert. Der Sparkassen- und Giroverband unterstützt ebenfalls die Arbeit der Schuldnerberater.

Neben der Wirtschaftskrise und dem wachsenden Vertrauen der Schuldner - "heute kommen Menschen aus allen Schichten, früher war es fast ausschließlich ein Problem der sozial Schwächeren" - spielt auch TV-Konsum eine Rolle.

"Ich weiß genau, wenn abends eine Schulden-Novela übertragen wird, klingelt am nächsten Tag pausenlos das Telefon", stöhnt Hans-Jürgen Semmelhack. Seine Kollegen und er sind vor einigen Jahren ebenfalls gefragt und einige sogar gecastet worden für die Show im TV. Doch sie lehnten ab, weil sie "wirklich den Menschen vor Ort helfen wollten und nicht nur einige Schau-Fälle bearbeiten". Die Wirkung der Fernsehkollegen, von denen der Berliner Schuldnerberater im Ruhestand, Peter Zwegert, der bekannteste ist, wird unterschiedlich bewertet. "Das hat die Verschuldung in unserer Gesellschaft ein Stück enttabuisiert", meint Mechthild Kuiter-Pletzer. "Die Sendungen sind ein Türöffner, um die Gespräche in den Schulen in Gang zu bringen", sagt Tina Rehder, die für die Prävention zuständig ist.

"Der Erwartungsdruck, was wir leisten und erreichen können, ist natürlich hoch", erzählt Michael Danker. Denn um den Klienten an die Hand zu nehmen, mit ihm zu Verwandten oder zur City-Bank nach Berlin zu reisen, fehlt den Beratern die Zeit.

Mechthild Kuiter-Pletzer erzählt: "Viele verstehen das auch, aber erst nachdem wir mit ihnen ins Gespräch gekommen sind" - das kann manchmal viele Wochen dauern. Bis dahin hat RTL schon wieder einen Gläubiger dank Kamera zum außergerichtlichen Vergleich bewegt.