Oft monatelange Wartezeiten bis zur Behandlung. Experten fordern Verdoppelung der Therapieplätze.

Kreis Pinneberg

Die psychiatrische Versorgung des Kreises Pinneberg steht vor dem Kollaps. Patienten müssen schon jetzt Wochen, manchmal Monate auf einen Behandlungstermin warten. Die Situation wird sich aber noch drastisch verschärfen. Denn zum einen steigt die Zahl der Erkrankten derzeit rapide an. Zum anderen finden Fachärzte, von denen überdurchschnittlich viele vor der Pensionierung stehen, keine Nachfolger.

Dieses düstere Bild zeichneten Fachleute, die zur jüngsten Sitzung des Kreis-Sozialausschusses eingeladen waren. Prof. Hubert Kuhs, Leiter der Psychiatrie am Elmshorner Klinikum, schilderte die aktuelle Situation. Momentan gibt es 104 Plätze für die vollstationäre Behandlung und 23 Tagesplätze - deutlich zu wenig. Zum Vergleich: Der Kreis Steinburg verfügt über ähnlich viele Plätze wie der Kreis Pinneberg, hat aber nur die Hälfte der Einwohner.

Zugrunde gelegt wird bei der Planung die sogenannte Betten-Messziffer, die die Bettenzahl pro 1000 Einwohner festlegt. Danach müsste die Zahl der Therapieplätze verdoppelt werden.

Etwas Entspannung würde der Bau einer Tagesklinik bringen, wie er für das Klinikum Pinneberg bereits vorgesehen ist. Kuhs warnt allerdings vor Euphorie: "Wir würden mit diesem Angebot nur die vorhandene Warteliste etwas abbauen."

Für noch mehr Ernüchterung sorgte die Aussage von Wolfgang Sprenger von der Geschäftsleitung der Regio-Kliniken. "Die zweite Tagesklinik werden wir zwar in Pinneberg bauen, aber das löst das Kapazitätsproblem nicht." Denn nach dem derzeitigen Stand würde bei Schaffung einer neuen Tagesklinik die Zahl der Betten in vollstationären Einrichtungen im Verhältnis 1:2 abgebaut. Bei 15 neuen Plätzen in Pinneberg würden Elmshorn 7,5 Plätze gestrichen. Und diese Kompensation, so Sprenger, bezöge sich nicht allein auf die Betten, sondern auch auf das Budget, das für jedes Bett zur Verfügung stünde.

Der Ausschuss-Vorsitzende Hans-Peter Stahl appellierte an die Mitglieder aller Fraktionen, Druck auf ihre Landespolitiker auszuüben mit dem Ziel, die Grundlagen für die psychiatrische Versorgung zu verbessern. In Heiligenhafen hatte das offensichtlich schon einmal Erfolg. Prof. Kuhs erinnerte sich daran, dass nach der Eröffnung der Elmshorner Psychiatrie die Zahl der Betten in Heiligenhafen, wo bis dato die Patienten aus dem Kreis Pinneberg behandelt wurden, beibehalten wurde. Begründung: In dem strukturschwachen Gebiet müssten die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Einen ganz anderen Aspekt brachte Dr. Klaus Dieter Overbeck, Psychiater und Neurologe aus Wedel, ins Spiel. Er plädierte für eine bessere Vernetzung der niedergelassenen Ärzte mit den Kliniken. "Wir haben uns zu lange als Konkurrenten gesehen und sind deshalb in Kooperation ungeübt", sagt der Mediziner. Kuhs und Sprenger von den Regio-Kliniken nahmen den Ball auf und versprachen, kurzfristig einen Gesprächstermin zu vereinbaren.