Die Einwohner des Trabanten-Stadtteils wollten sich über eine eigene Organisation Gehör gegenüber der Kreisstadt verschaffen.

Pinneberg

Lange Tradition, aber ein neuer Name: Der Waldenauer Kleinsiedler- und Bürgerverein feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen. Eigentlich.

Denn dieses Jubiläum, das am Sonntag, 17. Mai, mit einem Empfang gewürdigt werden soll, markiert auch einen neuen Anfang: Der Verein hat sich umbenannt in "Bürgerverein Waldenau-Datum von 1934". 75 Jahre lang war der Zusammenschluss der Inbegriff und Motor der Pinneberger Trabantensiedlung. Jetzt sind die 300 organisierten Mitglieder auf der Suche nach einer neuen Identität.

"Der Verein ist einmal als Sprachrohr gegenüber der Stadt Pinneberg gegründet worden", sagt der stellvertretende Vereinsvorsitzende Klaus Neumann. Sein Vater Werner Neumann war von 1972 bis 1997 ununterbrochen und damit am längsten überhaupt Vorsitzender der Kleinsiedler und Bürger. Aber Neumann räumt ein: "Mit dem Begriff Kleinsiedler können die heutigen Bewohner in Waldenau-Datum kaum noch etwas anfangen."

Die ein wenig altbacken wirkende Bezeichnung geht zurück auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als Bürger - Pionieren in der Wildnis gleich -1000 Quadratmeter Land, ein paar Hühner und ein Schwein zur Selbstversorgung zur Verfügung erhielten. Heute sind die Gemüsebeete in den Gärten Rasenflächen und Blumenrabatten gewichen. Die einfachen kleinen Häuschen sind mit Wintergärten, Anbauten oder Dachetagen aufgewertet.

"Wer jetzt zuzieht, das sind Familien aus Hamburg, die wollen wir integrieren", sagt Vorsitzender Jürgen Hilbers. Es wird nicht mehr so oft und heftig gefeiert wie 1969, als die ehemalige Datumer Schule zum Gemeinschaftshaus ausgebaut wurde. Stattdessen quält heute viele Waldenauer die Frage, was aus dem Kindergarten und der Schule wird. Ob es beides noch gibt, wenn der eigene Nachwuchs im entsprechenden Alter ist? Der Gemeinschaftsgeist ist demgegenüber etwas aus der Mode gekommen. "Aber wir wollen immer noch für die Bürger da sein", bekräftigt Neumann, der das Wir-Gefühl wegen des väterlichen Vorbilds noch mit der Muttermilch aufgesogen hat. Er verrät: "Die 3000 Waldenauer sind im Großen und Ganzen Eigenbrötler: Ein eigenständiges Dorf, das von Pinneberg aus verwaltet wird."

Waldenau und der Kleinsiedler- und Bürgerverein: Das sind Erinnerungen vor allem an unvergessliche Erntedankfeste. An jedem ersten Oktober-Sonntag putzt das kleine Dorf sich heraus. 1988 wurde in Anerkennung dieser farbenfrohen Bemühungen hier sogar das Landes-Erntedankfest gefeiert. 15 000 Besuchern kamen - drei bis viermal so viel wie normal.

In direkter Verbindung mit dem sonntäglichen Festumzug steht die Bürgerversammlung. Immer am Freitagabend vor Erntedank muss sich dabei traditionell der amtierende Pinneberger Bürgermeister den Fragen der Waldenauer stellen. Das war mehr als einmal eine harte Geduldsprobe. Es ist noch nicht lange her, dass bei diesen Gelegenheiten regelmäßig die Hass-Liebe der Waldenauer gegenüber "denen aus Pinneberg" durchbrach.

Unvergessen ist, dass sich der frühere Verwaltungschef Hans-Hermann Kath einmal nur durch das Toilettenfenster des Gemeinschaftshauses vor dem entbrannten Zorn der Waldenauer in Sicherheit bringen konnte. Zu späteren Gelegenheiten dieser Art erschien er nie wieder ohne den Stab seiner gesamten Verwaltungsspitze. Bürgermeisterin Kristin Alheit verhielt sich während der jüngsten Waldenauer Bürgersprechstunde von vorneherein entwaffnend, indem sie jeden der rund 100 Anwesenden persönlich und mit Handschlag begrüßte.

"Mehr als Waldenauer kann ein Pinneberger nicht werden", lautete ein Spruch, der vor fünf Jahren unter anderem von dem damaligen CDU-Ratsherren Uwe Armbrecht als Aufkleber unter die Leute gebracht wurde. Diese rührend wirkende Umkehrung tatsächlicher Kraft- und Machtverhältnisse war damals ungeheuer populär.

Politiker aus Waldenau, gleich welcher Couleur, haben in der Pinneberger Ratsversammlung immer wieder mal Sonderrechte in Anspruch nehmen wollen: Mal hatten sie damit Erfolg, manchmal schlugen diese Botschafter einer kleinen heilen Welt aber auch unsanft auf dem Boden der Realität auf.