Elmshorn/Itzehoe. Er hat den Tod seiner von ihm getrennt lebenden Frau lange geplant. Er hat ihn schriftlich angekündigt - und die Tat eiskalt vor Zeugen ausgeführt. Und trotzdem wurde Mesut A. gestern vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Der 37-Jährige, der am 19. Juli 2008 seine Ehefrau Kumru (+31) an einer Bushaltestelle in Elmshorn mit 20 Stichen brutal tötete, handelte nach Ansicht des Landgerichts Itzehoe im Zustand der Schuldunfähigkeit. Die Schwurgerichtskammer wies den Türken dauerhaft in die Psychiatrie ein.
Für die überraschende Wende in dem Verfahren sorgte der psychiatrische Sachverständige Professor Dr. Hubert Kuhs. Der Chefarzt der Elmshorner Psychiatrie war erst nach dem Beginn des Prozesses vom Gericht mit einer Untersuchung des Angeklagten beauftragt worden. Zweimal, zuletzt am Dienstag, suchte der Psychiater den 37-Jährigen in der Untersuchungshaft auf. Sein Urteil: Der Hamburger leide unter einer "wahnhaften Eifersuchtssymptomatik mit völligem Realitätsverlust". Aufgrund dieser paranoiden Persönlichkeitsstörung könne er nicht bestraft werden. Kumru A. wohnte mit ihrem Mann und den beiden Töchtern bis zum August 2007 in Hamburg-Horn. Dann suchte sie mit den kleinen Kindern Schutz im Frauenhaus. Zunächst in Wedel, später dann in Elmshorn. Dort lebte sie zuletzt in einer kleinen Wohnung. In deren Nähe lauerte ihr der Angeklagte am Tattag auf.
"Er hat sie aufgefordert, nach Hause zurückzukommen. Sie hat ihm gesagt, dass sie die Scheidung will und er die Kinder nie wieder sehen wird", berichtete der Psychiater. Ihm gegenüber hat Mesut A. über die Ereignisse des 19. Juli gesprochen, während er vor Gericht geschwiegen hatte. Dem Sachverständigen gegenüber räumte der 37-Jährige auch ein, seine Frau in den zwölf Ehejahren massiv misshandelt zu haben. Der Grund: seine Eifersucht.
So verdächtigte Mesut A. seinen Vater, Sex mit Kumru A. gehabt zu haben. Selbst dem Vater seiner Frau unterstellte er, mit ihr ein inzestuöses Verhältnis zu unterhalten. Und seine zweite Tochter, davon ist Mesut A. überzeugt, sei von seinem Bruder gezeugt worden. "Ihn quälte seit seinem 15. Lebensjahr die Frage, ob er einen zu kleinen Penis hat", so Kuhs. Der 37-Jährige sei überzeugt gewesen, dass er seine Frau nicht befriedigen könne und diese daher den sexuellen Kontakt zu anderen Männern gesucht habe. Sobald sie einen anderen Mann nur angesehen habe, habe er sich in seiner Ehre gekränkt gefühlt.
"Vom Angeklagten geht eine massive Gefährdung aus", so der Sachverständige. So könne Mesut A. noch Jahre später Gewalt gegen Personen anwenden, die er als Nebenbuhler gesehen habe - wie etwa Vater oder Bruder. Auch könne er die von ihm geäußerte Todesdrohung gegen seine jüngere Tochter, die er ja als "Kuckuckskind" ansehe, sehr wohl in die Tat umsetzen.
"Seine Kinder müssen möglichst lange vor ihm geschützt werden", forderte Claudia Otterstedt, die als Nebenklage-Vertreterin die Töchter vertritt. Und Verteidiger Christoph Heer äußerte die Hoffnung, dass seinem Mandanten in der Psychiatrie geholfen werden kann. Die Heilungschancen, so befand Gutachter Kuhs, seien sehr gering. Und Richter Eberhard Hülsing gab dem Angeklagten mit auf dem Weg, er habe "juristisch keine Schuld auf sich geladen, moralisch jedoch sehr große".
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