Sie überlebten die Todeswelle

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Manfred Augener und Arne Kolarczyk

Thailand: Stefan Ramin aus Haselau entging dem Tsunami beim Tauchausflug, Pia Selent aus Elmshorn wurde in Phuket auf der Flucht verletzt.

Haselau/Elmshorn. "20 Stunden lang hatten wir Angst. Wir wußten doch nicht, was mit Stefan und Heike ist." Waltraud Ramin ist die quälende Ungewißheit noch immer anzumerken. Am 2. Weihnachtstag hatte die Mutter der Freundin von Sohn Stefan die Ramins in Haselau alarmiert. Beide Kinder machten Urlaub an der thailändischen Küste. Im Fernsehen immer mehr Bilder aus den zerstörten Regionen, eine Nachricht auf N 24 schockte die beiden: Angeblich wurden 30 Tauchboote mit 200 Personen vor der thailändischen Küste vermißt - Stefan ist passionierter Taucher und hatte einen Tauchausflug angekündigt. Mutter Waltraud: "Ich sah ihn im Geiste schon hilflos zwischen gekenterten Booten und Wrackteilen im Wasser treiben."

Um etwa 5 Uhr morgens - die Familie hatte kein Auge zugemacht - der erlösende Anruf in Haselau. Sohn Stefan meldete sich per Handy vom Tauchboot aus und fragte: "Was ist eigentlich los?"

Kaum zu glauben, aber wahr: Stefan Ramin und seine Freundin Heike Dorsch bekamen auf hoher See kaum etwas mit von der Todeswelle. "Wir waren morgens um etwa 8.30 Uhr ausgelaufen", sagte Stefan Ramin, der als Unternehmensberater arbeitet, gestern der Pinneberger Zeitung. Ziel waren die Similian Islands, eines der schönsten Tauchquartiere der Region. Etwa 30 Kilometer vom Land entfernt bemerkten sie einige zwei bis drei Meter hohe Wellen - doch die kamen vom Land her.

Ungewöhnlich genug. Über Bordfunk hörten sie etwas von einem Seebeben, mangels Radio war aber auch auf den Similian Islands nicht klar, was passiert war. Einen Tauchgang absolvierte Stefan Ramin. Kaum Fische, Schäden an den Korallen, schlechte Sicht. Er sollte erst später die Ursache erfahren: Die Todeswelle war auf hoher See quasi unter ihnen durchgelaufen.

Eine Nacht nur blieben sie, dann ging es zurück nach Khao Lak. Kurz vor der Küste durchs Fernglas ein erster Blick auf die Verwüstung. Ramins Handy hatte wieder Empfang, "und da waren SMS von den Eltern und meinem Bruder". Er rief sofort an, und daheim in Deutschland liefen Tränen der Erleichterung. An Land dann "ein Bild der Zerstörung, ich kam mir vor wie ein Astronaut auf einem fremden Planeten".

Die schlimmen Eindrücke, Leichen an den Straßenrändern und verwüstete Häuser werden Stefan Ramin und Heike Dorsch nie vergessen. Aber auch nicht die Hilfsbereitschaft der Thailänder, "die war wirklich überwältigend". Silvester gab es eine große Wiedersehensfeier in Haselau. Ganz klar: Die Ramins haben gespendet für die Flutopfer.

Auch Beate Selent (61) aus Elmshorn hat finanzielle Hilfe geleistet. Ihre Tochter Pia (38) war am 8. Dezember nach Thailand geflogen, wollte mit ihrem Freund Ortwin Swoboda (42) fast fünf Wochen in Phuket bleiben. "Einmal im Jahr fahren sie für ein paar Wochen rüber, meine Tochter liebt das Land", erzählt Beate Selent. Am zweiten Weihnachtstag erfuhr sie von der Tragödie aus den Nachrichten. "Zuerst haben wir gar nicht mitbekommen, daß Phuket auch betroffen ist."

Es folgen zwei Tage bangen Wartens, ehe Pia Selent - sie ist in Elmshorn aufgewachsen, lebt seit zwölf Jahren in München - sich am 29. Dezember telefonisch meldet. "'Mama, ich lebe' konnte sie noch sagen, ehe die Leitung zusammenbrach", erzählt die Mutter. Ihre andere Tochter Ina, die zusammen mit Familie und ihrer Mutter in der Ollnstraße wohnt, fand die Schwester schließlich im Internet - als Patientin eines dortigen Krankenhauses. Auf der Flucht vor dem Tsunami hatte sich Pia Selent mehrere tiefe Schürfwunden zugezogen. Sie und ihr Freund hatten sich, wie die Mutter später per E-Mail erfuhr, gerade noch rechtzeitig in die oberen Stockwerke ihres Hotels flüchten können. "Mir sind etliche Steine vom Herzen gefallen", sagt Beate Selent. Sie hat vor zwei Jahren ihren Mann verloren. "Ich glaube, ich hätte das nicht überlebt, wenn auch noch meine Tochter gestorben wäre." Am 9. Januar werden Pia Selent und ihr Freund nach Deutschland zurückkehren.

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