Immer mehr Menschen lassen das Auto stehen und nutzen öffentliche Verkehrsmittel. Besonders deutlich ist der Trend im Kreis Pinneberg.

Kreis Pinneberg. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) im Hamburger Umland boomt. So sind im Jahr 2011 rund 700 Millionen Menschen im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) mit Bus und Bahn gefahren, 100 Millionen mehr als noch vor fünf Jahren. Das entspricht einer Steigerung um 17 Prozent. Allein 2011 nutzten drei Prozent oder 20 Millionen Fahrgäste zusätzlich das HVV-Angebot. Eine Steigerungsrate, die viermal so hoch ist wie der Bundesdurchschnitt.

Besonders dynamisch ist diese Entwicklung im Kreis Pinneberg, sagt Nahverkehrsplaner Claudius Mozer, der als Geschäftsführer der Südholstein Verkehrsservicegesellschaft (SVG) Chefplaner für alle 140 Buslinien in den Kreisen Pinneberg und Segeberg ist. So hat sich die Zahl der Fahrgäste bei der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP) seit 2005 um fast eine Million auf 3,1 Millionen Fahrgäste erhöht (plus 40 Prozent). Bei der Pinneberger Verkehrsgesellschaft (PVG) sind neun Millionen Menschen mehr in die 190 Busse eingestiegen, die jetzt 55,7 Millionen Fahrgäste (plus 20 Prozent) im Jahr befördert. Und im Elmshorner Stadtbusverkehr hat sich diese Zahl sogar auf zwei Millionen verdoppelt.

"Der Busverkehr wächst und hat eine große Zukunft", ist Mozer überzeugt. Das liege zum einen daran, dass das Angebot immer dichter und der Komfort besser werde. Zudem würde das Busfahren angesichts der stark steigenden Benzinpreise im Vergleich zum Individualverkehr immer kostengünstiger, sodass mehr Leute vom Auto in den Bus umstiegen. "In städtischen Bereichen ist das Auto als Statussymbol auf dem Rückzug", sagt Mozer.

Diese Entwicklung kann Hella Spillert nur bestätigen. Die Rentnerin, die fast täglich mit dem Bus fährt und mit der Linie 185 vom Pinneberger Bahnhof zum Arboretum nach Ellerhoop unterwegs war, sagt: "Die Busse in Hamburg sind immer voll. Mich wundert nur, dass die Busunternehmen nicht mit dem Geld der Fahrgäste auskommen."

Da hat die rüstige Dame Recht. Nur etwa die Hälfte der Kosten des ÖPNV wird durch die Fahrerlöse eingespielt. Die andere Hälfte trägt die öffentliche Hand. Das gilt auch für den Kreis Pinneberg, wo der Steuerzahler den Busverkehr mit 12,5 Millionen Euro im Jahr bezuschusst, weil die Fahrgäste auch hier nur etwa der Hälfte der Gesamtkosten (25 Millionen Euro) beitragen. Der Kreis trägt davon 2,5 Millionen Euro. Auch die Städte finanzieren den Busverkehr: Elmshorn steuert 800 000 Euro, Uetersen 130 000 Euro, Tornesch 60 000 Euro, Quickborn 50 000 Euro. Sogar Ellerhoop beteiligt sich mit 5000 Euro am ÖPNV, weil die Buslinie 185 weitgehend diese Gemeinde anfährt.

Mit der Schaffung der Schnellbus-Linien 594 (Wedel - Pinneberg - Quickborn - Norderstedt) und 295 (Pinneberg - Rellingen - Bönningstedt - Norderstedt) und den neuen Bus-Zügen mit Anhängern für den Schülerverkehr in Barmstedt habe das Busangebot ein sehr hohes Niveau im Kreisgebiet erreicht, sagt Mozer. Allein dies zu erhalten, sei eine ambitionierte Aufgabe.

Wer die Fahrgäste fragt, stellt fest, dass die meisten mit dem Angebot zufrieden sind. "Die Fahrpläne sind in Ordnung", sagt beispielsweise Marlene Schweig aus Pinneberg, die sich als Rentnerin "kein Auto mehr leisten kann und deshalb aufs Busfahren umgestiegen ist." Auch am Quickborner ZOB äußern sich viele Fahrschüler positiv, die nur bemängeln, dass sie etwas länger auf ihre Busse warten müssten, um nach Hause nach Ellerau, Bilsen oder Quickborn-Heide zu kommen. Auch fehle an ihrer Schule am Elsensee eine Bushaltestelle. Die etwas gehbehinderte Hella Spillert wünschte sich, dass die Busfahrer nach dem Einsteigen nicht sofort losführen. "Ich bin nicht so schnell mit meinem Rollator am Platz." Die PVG hatte Anfang des Jahres mit ihrem Schwesterunternehmen VHH 1600 Fahrgäste eingeladen, um deren Sorgen, Anregungen, Kritik und Lob zu hören. Die Auswertung läuft noch, sagt PVG-Sprecher Kay Götze. Aber die meisten Leute seien weitgehend zufrieden mit ihren Buslinien. Kritik richte sich an unpünktliche Anschlüsse, rücksichtslose Fahrgäste, unübersichtliche Beschilderung und schlechte Bedienung der Automaten.

So sieht auch Chefplaner Mozer seine Aufgabe vordringlich darin, auf die künftige demografische Entwicklung richtig zu reagieren, auch wenn der Kreis Pinneberg seine Bevölkerungszahl noch etwa zehn Jahre stabil halten wird. Aber in ländlichen Regionen würden sich schon jetzt Anruf-Sammeltaxis lohnen. Im Umland von Barmstedt fahren bereits Taxi-Unternehmer zu festen Zeiten im Auftrag der KViP Bushaltestelen auf Abruf an, was billiger sei als ständig leere Linienbusse dort verkehren zu lassen. Dies würde sich auch im Umland von Elmshorn, Wedel und der Elbmarsch anbieten, glaubt Mozer.

Zudem geht der Nahverkehrsbeauftragte davon aus, dass sich der moderne mobile Mensch zukünftig "multi-modal" bewegen wird: je nach Bedarf mit Pendlerportalen, Carsharing und Leihrädern. In Hamburg gebe es bereits 100 Stationen an Bahnhöfen und Haltestellen, wo die Leute für die Weiterfahrt auf Mieträder umsteigen können. Und wenn, wie zu erwarten sei, die öffentlichen Zuschüsse für den ÖPNV sinken, könnten auch Paket- und Kurierdienste in dieses öffentliche Netz der Mobilität eingebunden werden. Im Kreis Segeberg gibt es sogar zwei Buslinien, wo die Busse von ehrenamtlichen Fahrern gesteuert werden. Mozer: "Der gesamte Mobilitätsverkehr entwickelt sich hin zum ÖPNV, angeschoben vom Umweltbewusstsein und vom Kostendruck."