Hilfe zur Selbsthilfe: Eine deutsch-griechische Gruppe will Griechenland unterstützen. Die Mitglieder wollen auch die Bildung der Kinder fördern.

Quickborn/Bönningstedt. Schuldenkrise, Regierungskrise, Neuwahlen in Griechenland. "Alles schöne Sch...- auf Deutsch gesagt", sagt Panagiotis Missias, der seit 35 Jahren mit seiner Familie in Bönningstedt lebt, über die verfahrene Situation in seinem Heimatland. "Das ist eine einzige Katastrophe zu Hause", sagt Emilianos Nikolaidis, der seit 20 Jahren als Koch in Quickborn arbeitet. "Die Griechen fühlen sich mit dem Rücken zur Wand", sagt Dimitra Margaritidou-Weber, seit 22 Jahren Ärztin in Quickborn.

Die Parteien in der ältesten Demokratie würden ihrer Verantwortung nicht gerecht, meint Panos Memetzidis, Werkleiter in Quickborn, der hier studierte und seit 22 Jahren in Deutschland lebt. "Die Griechen müssen Europa akzeptieren. Ohne Europa geht es nicht. Sonst fällt Griechenland zurück in die Steinzeit."

Damit das nicht passiert und um mit den Missverständnissen aufzuräumen, die die plakative Schwarz-Weiß-Malerei in manchen Medien erzeugt hat, will Memetzidis jetzt einen deutsch-griechischen Freundeskreis ins Leben rufen. "Es wird auch Stimmung gemacht, dass die ganze Welt gegen sie sei", sagt Ärztin Margaritidou-Weber. "Dabei stimmt das gar nicht."

Der Stadtwerkechef, der beide Staatsbürgerschaften besitzt, und im März im Abendblatt ankündigte, einen Rettungsfonds für die griechische Schule aufzulegen, hat nun Unterstützung von Menschen beider Nationalitäten gefunden. Ende Mai kommt es zum ersten Treffen. Ziel sei es, den Griechen "Hilfe zu Selbsthilfe" anzubieten, die wegen der Krise geschlossene griechische Schule in Bönningstedt wieder aufzumachen, den junge Griechen das deutsche duale Ausbildungssystem - "das beste der Welt" - nahezubringen. Die Volkshochschule soll parallel dazu Deutschkurse für griechische Arbeitskräfte anbieten, die hier ihr Glück versuchen, und die Verwaltung könnte Hilfestellung geben, wie eine Behörde organisiert sein muss.

Den Quickborner Verwaltungschef hat Memetzidis an seiner Seite. "Wir müssen den Griechen unsere Hilfe anbieten, Solidarität zeigen", fordert Bürgermeister Thomas Köppl von den Deutschen. "Die können ja nichts dafür, dass der griechische Staat so desolat dasteht." Bei der aktuellen Diskussion um die Schuldenkrise käme "der Grieche als Mensch zu kurz". Er wolle der sehr aktiven griechischen Gemeinde hierzulande gerne dabei helfen, etwas für Griechenland zu tun. Dazu könnte gehören, dem Land zu zeigen, wie man eine Verwaltung aufbaut und führt, sagt Köppl. "So anstrengend unsere Bürokratie sein mag - sie funktioniert."

Nach den Türken, Polen und Russen stellen die Griechen mit 666 Landsleuten die viertgrößte Bevölkerungsgruppe unter den 21 760 Ausländern, die im Kreis Pinneberg leben. Besonders stark sind die Griechen in Pinneberg mit 103, Elmshorn und Bönningstedt mit jeweils 71 sowie in Quickborn mit 42 Landsleuten vertreten. Und mit der Krise wächst der Druck auf die Menschen, woanders neu anzufangen. "Gerade die jungen Menschen in Griechenland sind schulisch sehr gut ausgebildet", weiß Ärztin Margaritidou-Weber. "Die sind jetzt arbeitslos oder sitzen irgendwo an der Kasse im Supermarkt." Sie kenne auch viele Akademiker, die deshalb nun in den Westen gingen. Diesen Menschen müsste man eine neue Chance geben, ist ihre Hoffnung. "Wir müssen ihnen für kurze Zeit Hilfe zu Selbsthilfe gewähren, damit sie zu Hause das Land wieder aufbauen können", ist Memetzidis Credo.

So will diese deutsch-griechische Initiative Lehrer finden, die den griechischen Sprach-, Geschichts- und Kulturunterricht für die Kinder in Bönningstedt wieder anbieten. Zweimal wöchentlich nach der Schule. Die Lehrer würden auf Honorarbasis bezahlt. Memetzidis will nicht warten, bis der griechische Staat diese Lehrer wieder bezahlen kann. Parallel dazu wird die Volkshochschule in Quickborn ab dem Herbstsemester gezielt Sprachkurse für griechische Einwanderer anbieten, kündigt VHS-Leiterin Anette Ehrenstein an. "Wir müssen zunächst die grundlegende Sprachbasis schaffen, damit sie sich integrieren können." In einem weiteren Schritt soll der Sprachunterricht mögliche Berufsfelder flankieren, zum Beispiel in der Pflege, die hier dringend benötigt werden. Quickborns Werkleiter Memetzidis hofft, Unternehmer zu finden, die dies unterstützen. "Die Sprache zu lernen ist der Schlüssel zu allem", weiß Memetzidis aus eigener Erfahrung. "Nur wenn ich die Sprache beherrsche, kann ich auch die Menschen verstehen lernen." Diese Aufbauhilfe soll kein Dauerzustand sein, sondern eine Art vorübergehende Nothilfe. Auch die EU müsse erkennen, dass sparen allein Griechenland nicht rettet. Sie bräuchten auch Wirtschaftshilfe im Stile eines Marshallplans, wie sie gerade der französische Präsident Francois Hollande und die SPD-Troika vorgeschlagen haben. Der Tourismus und die Energiebranche könnten dabei eine wichtige Rolle spielen, glaubt er. Beispiel Solarindustrie: "In Deutschland scheint die Sonne etwa 1000 Stunden im Jahr, in Griechenland 2300 Stunden." Für Photovoltaik-Anlagen käme das Land in Südosteuropa da viel eher in Frage.

Memetzidis' Vision ist es, dass sich aus dieser Krise eine noch tiefere Freundschaft zwischen Deutschen und Griechen entwickelt. Deshalb möchte er gerne eine Städtepartnerschaft zwischen Quickborn und der Heimatstadt seiner Frau Anna in die Wege leiten. Dieses Giannitsa sei mit 26 000 Einwohnern nur etwas größer als Quickborn, biete sich aber wegen seiner traumhaften Lage und wunderschönen Landschaft für einen regen Besuchsaustausch zwischen den Vereinen und Bewohnern an. Und es ist geschichtsträchtig: Die Stadt im Norden des Landes liegt ganz in der Nähe des Geburtsorts Alexander des Großen. Auch gebe es dort einen leckeren, biologisch angebauten Wein, der auch hier vielen Menschen schmecken dürfte. "Ich habe Deutschland so viel zu verdanken. Deshalb würde ich mich sehr freuen, wenn es uns gemeinsam gelänge, auf diese Weise von hier aus etwas für die Völkerverständigung beizutragen."