Die Maispflanze wächst inzwischen auf einem Drittel aller Felder im Landkreis Pinneberg. Naturschützer warnen vor einer Monokultur.

Kreis Pinneberg. Lars Kuhlmann muss nicht lange im Boden graben, um die ersten Keimlinge zu finden. "Noch ein paar Tage", sagt er, dann sei die erste Maispflanze zu sehen. Wärme und Feuchtigkeit sind optimale Wachstumsbedingungen. Das sei gut, meint der Landwirt. 44 seiner 55 Hektar Ackerfläche bestückt der Tangstedter Landwirt, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes, mit der Frucht. Auf dem Rest wächst Getreide, das gute Geschäft aber macht er mit dem Mais. Auf zehn Jahre hat er einen Vertrag mit einem Biogasanlagen-Betreiber in Rellingen gemacht. 30 Euro je Tonne bekommt der Landwirt, je Hektar bis zu 1350 Euro. Getreide bringt allenfalls die Hälfte ein. Immer mehr Landwirte im Kreis Pinneberg bauen Mais an und ziehen damit die garantierten Einnahmen aus dem Biogasgeschäft den hohen Schwankungen an den Getreidemärkten vor.

Der Mais-Boom ist umstritten. Umweltschützer kritisieren den massiven Ausbau, sprechen von Bedrohung der ökologischen Vielfalt.

Hans-Albrecht Hewicker, Naturschutzbeauftragter des Kreises und Vorsitzender der Kreisjägerschaft, fordert ein Umdenken. Die unzugänglichen Maisfelder seien ideale Rückzugsgebiete für Wildschweine, deren Bestand deshalb geradezu explodiere. Schossen die Jäger in Schleswig-Holstein in den 60er-Jahren noch um die 800 Tiere pro Saison, waren es 2010/2011 mehr als 16 000.

Tatsächlich ist der Maisanbau in den vergangenen Jahren zu einer tragenden Säule der Landwirtschaft geworden. Immer mehr Landwirte im Kreis Pinneberg bauen auf immer mehr Flächen die Frucht aus Mexiko an. Waren es 2003 noch 3966 Hektar, wurden 2007 schon 4455 Hektar mit Mais bewirtschaftet, bei der jüngsten landwirtschaftlichen Erhebung wurden 2010 schon 5573 Hektar gezählt - Tendenz steigend. Damit hat Mais Getreide längst von seinem Spitzenplatz verdrängt, das 2010 nur noch auf 5201 Hektar angebaut wurde. Von 15 000 Hektar Ackerland im Kreis Pinneberg ist damit jeder dritter Hektar ein Maisfeld.

Dabei ist der Anbau regional sehr unterschiedlich. Die Maiskrone darf sich Lutzhorn aufsetzen: Allein hier wurden 621 Hektar Mais angebaut. Aber auch in Brande-Hörnerkirchen mit 295 Hektar oder Klein Offenseth-Sparrieshoop mit 519 Hektar gedeiht der Anbau prächtig. Von Monokultur zu sprechen sei aber bei weitem übertrieben, meint Jochen Schmidt, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. "Diese Frucht hat einfach viele Vorteile, gedeiht auch auf einfachen Böden, ist einfach in der Handhabung und speichert viel Energie", sagt er. Schädlich sei die Kultur nicht - weder für den Boden, noch die Natur, sagt Schmidt.

Der ehemalige Forstdirektor Hewicker dagegen sieht die wachsende "Maiswüste" aus mehreren Gründen kritisch. Um eine effiziente Bejagung der Wildschweine aufrechterhalten zu können - Jäger müssen in ihrem Revier für vom Wild verursachte Schäden auskommen - sei es unerlässlich, bis zu zwölf Meter breite Randstreifen zwischen Maisfeldern und Knicks zu belassen. Bei großen Maisfeldern müsse es aus diesem Grund auch breite Querschneisen geben. Diese freien, idealerweise mit Wildkräutern und -pflanzen versehenen Streifen seien ohnehin für die Aufrechterhaltung der ökologischen Vielfalt unerlässlich. "Wo sollen Kleintiere und Insekten denn noch bleiben?" Hewickers Forderung an die Politik: Im Zuge der Beratungen zu einer neuen Agrarpolitik, wie sie 2013 seitens der EU geplant sei, sollte ein Wechsel in der Fruchtfolge auf den Äckern festgeschrieben werden, damit der Mais nicht Jahr um Jahr auf demselben Feld angebaut werde. Denn auch im Winter seien die abgeernteten Maisfelder "schwarz und lebensfeindlich".

Hewicker warnt angesichts der hohen Wildschweindichte zudem vor der latenten Gefahr eines Seuchenausbruchs. "Eine Schweinepest hätte katastrophale Folgen, beispielsweise die Einrichtung eines Sperrgebietes, das auch für Hausschweine gilt." Dies träfe die Schweinezüchter schwer, ebenso wie die dänischen Nachbarn, die ihre Schweinetransporte in großer Zahl durchs Land schickten.

Im Kreis Pinneberg geht man mit guten Beispiel voran. Im Mais-Eldorado Lutzhorn gibt es schon die breiten Seitenstreifen und Landwirt Kuhlmann setzt auf Fruchtfolge. "Am Mais vorbei kommt man aber nicht. Keine Feldfrucht bietet so viele Vorteile", sagt er.