Todesursache ist zentrale Frage des Kriminalfalls von Seestermühe. Drei Babys wurden seit 2000 ausgesetzt - alle überlebten

Seestermühe. Auch fünf Tage nach dem Fund eines toten Säuglings in Seestermühe ist unklar, wie der Junge starb. Die Todesursache ist die zentrale Frage des Kriminalfalls - allein sie entscheidet, welche Schuld die Mutter Corinna Sch. auf sich geladen hat. "Wir warten weiterhin auf die ergänzenden Ergebnisse der Rechtsmedizin", sagt Polizeisprecher Holger Fenske.

Die 21-Jährige wird - auf freiwilliger Basis - in der geschlossenen Psychiatrie im Klinikum Elmshorn behandelt. Sie hatte angegeben, den Säugling heimlich entbunden und - nachdem er verstorben war - in dem Stall in der Nähe ihres Wohnhauses versteckt zu haben. Bisher konnte bei der Obduktion lediglich festgestellt werden, dass das Baby nach der Geburt gelebt hat.

Sollte sich herausstellen, dass die 21-Jährige das Baby getötet hat, wäre eine Anklage wegen Totschlags oder im Extremfall wegen Mordes möglich. Denkbar wäre auch, dass sich die Seestermüherin wegen eines Unterlassungsdeliktes verantworten muss. Als Mutter hat sie laut Gesetz eine Garantenstellung, also die Verpflichtung, für ihr Kind zu sorgen. Corinna Sch. hat nach der Geburt keinen Arzt gerufen und somit den Tod des Kindes möglicherweise billigend in Kauf genommen.

Einem ungewollten Kind ein sicheres Überleben ermöglicht hat die Mutter, die Mitte November 2011 ihren Säugling in der Babyklappe des Klinikums Pinneberg abgelegt hat. Dabei lag ein Zettel mit dem Wunsch, das Mädchen solle Emily heißen. Der Mutter drohen keine strafrechtlichen Konsequenzen. Sie hat sich nach einem Aufruf beim Jugendamt gemeldet.

Strafrechtliche Konsequenzen gab es für das junge Paar, das im November 2003 den kleinen Paul in Elmshorn ausgesetzt hat. Die damals 27-jährige Frau und ihr Freund, 26, lebten im Obdachlosenasyl und hatten bereits zwei Kinder abgeben müssen. Die Schwangerschaft hatte die junge Frau verheimlicht, auch ihr Freund merkte es erst spät. Das Kind legten sie nach der Geburt bei Eiseskälte vor einer Haustür Am Raaer Moor ab, sie klingelten und verschwanden. Beide kamen mit jeweils zwei Jahren auf Bewährung glimpflich davon. "Paul geht es gut", bestätigt Kreissprecher Marc Trampe. Das Baby kam in eine Pflegefamilie, die es später adoptiert hat. Der inzwischen achtjährige Junge hat einen neuen Namen und lebt unbehelligt irgendwo im Kreisgebiet. Trampe: "Damit das so bleibt, geben wir keine weiteren Auskünfte."

Das gelte auch für ein weiteres ehemaliges Findelkind: Im Juni 2001 war ein Säugling am Pinneberger Fahltskamp entdeckt worden. Das kleine Mädchen lag im Hauseingang der Nummer 52 in einer schwarz-lila Sporttasche. Ein Zettel informierte darüber, dass sich die Eltern das Kind finanziell nicht leisten können und es auf ihren Wunsch Kenie heißen soll.

Mittlerweile ist das Mädchen zehn - "und wohlauf", gibt Trampe immerhin preis. Kenie soll, ebenso wie Paul, adoptiert worden sein und normal aufwachsen - losgelöst von der Hypothek ihres holprigen Starts in das Leben.

Wer nach weiteren Kindesaussetzungen im Kreis Pinneberg sucht, muss bis in das Jahr 1983 zurückgehen: Damals wurde ein Säugling auf dem Deckel einer Mülltonne in Seestermühe gefunden - und überlebte. In Tornesch ertränkte dagegen im März 1985 eine 19-Jährige ihren Sohn nach der Geburt in der Badewanne. 1991 wurde eine Elmshornerin, 21, beschuldigt, ihren neugeborenen Sohn in eine Sporttasche gepackt und in die Elbe geworfen zu haben. Die Babyleiche wurde in Rissen angespült. 1997 brachte eine 19-jährige Elmshornerin ihrem acht Wochen alten Sohn so schwere Kopfverletzungen bei, dass der Säugling in der Klinik starb.