Respektvolles Miteinander: Pastor Detlef Görrig und Sedat Şimşek von der Ditib sprechen im Abendblatt-Interview über den interreligiösen Dialog.

Kreis Pinneberg. Der Dialog zwischen den Religionen ist heute wichtiger denn je. Missverständnisse und Konflikte können so schnell beseitigt werden. Die andere Religion kennenzulernen und zu verstehen, ist das Ziel des interreligiösen Dialoges. Sedat Şimşek, Vorsitzender der Ditib Nord, und Pastor Detlef Görrig, Beauftragter für christlich-islamischen Dialog der Nordelbischen Evangelisch- Lutherischen Kirche, arbeiten gemeinsam an einem respektvollen Miteinander.

Hamburger Abendblatt : Was bedeutet es eigentlich, einen interreligiösen Dialog zu führen?

Sedat Şimşek : Diesen interreligiösen Dialog zu führen bedeutet, die Kultur und die Religion des anderen kennenlernen und verstehen zu wollen.

Detlef Görrig : Im interreligiösen Dialog begegnen sich Menschen, die eine unterschiedliche Religionszugehörigkeit haben, darum wissen und das zum Thema machen. Das können offizielle Gespräche sein, aber auch ganz alltägliche Kontakte. Dialog heißt: Ich möchte Deine Religiosität kennenlernen, ich habe Fragen und bin bereit zu lernen.

Was genau tun Sie, was ist Ihre Aufgabe?

Görrig : Das Referat für christlich-islamischen Dialog in der Nordkirche hält Kontakte zu den islamischen Organisationen und Einrichtungen. Es gibt Informationen und Tipps für die Begegnung von Christen und Muslimen und es fördert konkrete Dialogprojekte.

Şimşek: Als Vorsitzender der muslimischen Ditib Gemeinden in Schleswig Holstein fördere ich aktiv die Öffnung unserer Gemeinden nach außen. Für mich ist es wichtig, dass unsere Gemeinden transparent sind, die Muslime stärker am sozialen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen und als Akteure das Zusammenleben in unserer Gesellschaft mitgestalten.

Was motiviert Sie, sich für den Dialog zu engagieren?

Şimşek: Mich motiviert die Überzeugung, dass der Dialog eine Notwendigkeit ist. Wer den Dialog fördert, erweist der Gesellschaft einen Dienst. Vorurteile abzubauen, den Menschen und der Gesellschaft etwas Gutes zu geben, erfüllt mich mit großer Freude.

Görrig: Ich sehe im interreligiösen Dialog die Chance, einen Weg der Verständigung zwischen Religionsgemeinschaften zu erzielen, der nicht vom Versuch beherrscht wird, andere zu missionieren. So eine Chance motiviert.

Warum ist der Dialog so wichtig?

Görrig: Der interreligiöse Dialog ist eine vertrauensbildende Maßnahme im Miteinander der Religionen und Gläubigen. Er hat deshalb auch präventiven Charakter. Durch regelmäßigen, kooperativen Austausch können Konflikte frühzeitig entschärft, Missverständnisse geklärt und Vorurteile abgebaut werden.

Şimşek: Gerade heute ist der Dialog sehr wichtig. Zum einen gibt es ein Verzerrtes, von öffentlichen Diskussionen geprägtes Bild des Islams. Zum anderen neigen immer mehr Muslime dazu, aufgrund dieser Meinungen, der Gesellschaft den Rücken zu kehren. Vorurteile gegenüber Minderheiten bergen eine große Gefahr in sich. Der Dialog ermöglicht hier einen Ausweg und kann zu einem guten Zusammenleben zwischen Mehrheiten und Minderheiten führen.

Wie ist es um den Dialog bestellt?

Görrig: Die Rahmenbedingungen für einen von Respekt und Akzeptanz geprägten Dialog sind in Deutschland besonders gut. Das Grundgesetz garantiert die Religionsfreiheit als Grundrecht.

Şimşek: Es ist wichtig, dass es nicht nur bei Gesprächen zwischen Akademikern bleibt, sondern dass die gewonnenen Erkenntnisse an die Basis der Gemeinden getragen werden. Auch in der Praxis bieten die muslimischen Gemeinden mit Veranstaltungen wie dem Tag der Offenen Tür viele Möglichkeiten.

Görrig: Der interreligiöse Dialog lebt vom Recht der Religionsfreiheit, das immer auch die Freiheit des Andersglaubenden meint. Dialog ist auch die Einübung in den von Würde und Achtung geprägten Umgang miteinander.

Was ist wichtig bei Ihrer Arbeit, worauf müssen Sie achten?

Görrig: Besonders notwendig scheint mir, von pauschalen Zuschreibungen und allgemeinen Vorstellungen Abstand zu halten. So wie die große Mehrheit der hier lebenden Muslime nicht einfach mit extremen Haltungen in Zusammenhang gebracht werden darf, so darf auch das Christentum nicht auf seine fundamentalen Auswüchse und Verfehlungen reduziert werden.

Şimşek: Es ist wichtig, den Respekt und die Anerkennung gegenüber der anderen Religion zu erweisen. Dabei zeige ich aber keine Toleranz. Denn die deutsche Bedeutung von "Toleranz" ist "dulden". Wir brauchen keine Duldung, sondern die gegenseitige Akzeptanz, Anerkennung und Wertschätzung. Diese erbringe ich auch den anderen Religionen.

Welche Ziele verfolgen Sie konkret mit ihrer Arbeit? Was wollen Sie erreichen?

Şimşek: Meine Ziele sind, dass sich Menschen auf Augenhöhe begegnen, sich kennenlernen, Ängste und Klischees abbauen können.

Görrig : Es geht zunächst darum Begegnungsräume zu schaffen und zu öffnen, in denen Menschen muslimischen und christlichen Glaubens miteinander ins Gespräch kommen. Ziel ist es, sich selbst mit den Augen des anderen sehen zu lernen.

Was fasziniert Sie an der jeweils anderen Religion?

Görrig: Mich spricht die Gestaltung der Moscheeräume an, mit ihrer arabischen Kalligraphie, der Ornamentik und den Gebetsteppichen. Mich beeindruckt die Disziplin, mit der Muslime fünfmal am Tag das Gebet verrichten und mich interessiert der Koran, der in Verwandtschaft mit den Schriften der Bibel steht.

Şimşek: Je mehr ich mich mit dem Christentum auseinandersetze, desto mehr erkenne ich die gemeinsamen abrahamitischen Wurzeln. Zu erkennen, wie nahe wir uns sind, fasziniert mich am meisten. Es gibt natürlich auch Unterschiede, sie sollten uns jedoch näher bringen, und nicht umgekehrt.

Was wünschen Sie sich für den interreligiösen Dialog in Zukunft?

Görrig: Ich wünsche mir, dass der interreligiöse Dialog zum selbstverständlichen Bestandteil des Miteinanders in unserer Gesellschaft wird. Es wäre schön, wenn jeder mindestens einen Menschen in seinem Freundeskreis hat, der einer anderen Religion angehört.

Şimşek: Der Dialog ist ein wichtiges Thema und sollte mehr gefördert und mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht werden. In politischen und gesellschaftlichen Diskussionen sollte das Thema stärker einbezogen werden.