Bank-Geheimnisse: Das Abendblatt trifft Menschen an ihrem Lieblingsplatz. Heute: Fußballtrainer Michael Fischer

Pinneberg. Mit einem Bein mal im Gefängnis. Mit beiden Beinen in der Wirklichkeit und inzwischen wieder in der Oberliga. Michael Fischer, der Trainer des VfL Pinneberg, verrät vor dem Landesliga-Topspiel heute um 19 Uhr gegen die SV Halstenbek-Rellingen, warum er trotz früherer Meinungsverschiedenheiten HR-Manager Detlef Kebbe schätzt und warum ihm ausgerechnet sein sportlicher Ziehvater Eugen Igel die Karriere im bezahlten Fußball verbaute.

Vier Handy-Kameras sind auf uns gerichtet, als wir gleich nach dem Spiel gegen den SC Egenbüttel (4:0) auf den Zuschauerbänken im VfL-Stadion Platz nehmen. Mehrere Zuhörer sind geblieben, hängen an Fischers Lippen und lassen sich kein Wort von dem entgehen, was er zu sagen hat. Der Mann erfreut sich fraglos hoher Beliebtheit, "Fischi" ist in seinem Element.

Wir beschließen, das Gespräch am nächsten Tag an gleicher Stelle fortzusetzen, um dann unbeobachtet zu sein. Doch auf den harten Kern der Fans, dessen überdimensionale Vereinsfahne zwischen den Bäumen sofort in den Blick fällt, lässt der Appener schon mal gar nichts kommen: "Mal sind es fünf, mal 20. Bei ihnen habe mich als Allererstes bedankt, als unser Aufstieg nach dem 2:0 in Lurup feststand. Drei Jahre haben sie mit uns in der Landesliga gelitten. Da ist es doch die größte Freude, ihnen nun etwas zurückgegeben zu haben. Was hat denn HR? Eine Fankultur doch bestimmt nicht."

Jetzt schießt sich der frühere Torjäger von Rasensport Elmshorn auf den Erzrivalen aus Halstenbek ein, könnte man denken. Und auf Detlef Kebbe, gegen den er den internen Machtkampf in gemeinsamen VfL-Zeiten am 17. Mai 2006 gewann. Doch dann beginnt Fischer seine Ausführungen zunächst einmal mit einer Würdigung des früheren VfL-Managers, der ins andere Lager überschwenkte und heute neben HR-Trainer Thomas Bliemeister sitzen oder stehen wird: "Niemand im Kreis hat mehr Verdienste um den Fußball als Detlef erworben, behaupte ich mal. Wenn ich allein daran denke, wie oft er den HSV nach Pinneberg geholt hat."

Doch an dem Tag, an dem sich ihre Wege trennten, da hatte es gekracht. Fischer: "Wir empfingen den späteren Vizemeister SC Concordia und gewannen 2:0. Dabei verschuldete unser Spieler Kai Lüders einen Handelfmeter. Detlef forderte mich auf, Lüders auszuwechseln, das habe ich strikt verweigert. Später in der Kabine sagte er es mir dann ins Gesicht: du oder ich. Wir haben das Thema mit Abteilungsleiter Roland Lange, dessen Stellvertreter Konrad Kosmalla und dem Vereinsvorsitzenden Mathias Zahn besprochen. Es war dann für mich wie ein Ritterschlag, dass nicht ich, der junge Trainer, sondern er, der erfahrene Manager, nach 19 Jahren den Laufpass bekam."

Offizielle Verlautbarung seinerzeit: unterschiedliche konzeptionelle Auffassungen. Mit Kebbe gingen etliche Spieler und zunächst der Erfolg. Das heutige Verhältnis? "Wir gehen höflich miteinander um. Freunde fürs Leben werden wir nicht mehr."

Ohnehin weiß außer Ehefrau Martina nur einer, wie der gebürtige Neumünsteraner wirklich tickt. Das ist Thomas Bothstede, früherer Weggefährte beim TuS Appen, bei dem Fischer sportlich groß wurde, und mit dem gemeinsam er 1993 sein Sportstudium in Hamburg aufnahm. Ihm allein hat Fischer in allen Einzelheiten erzählt, woran seine Profikarriere scheiterte. Da war 1991 zunächst einmal das Interesse des Zweitliga-Clubs SV Meppen am pfeilschnellen Stürmer, der gerade eine starke Aufstiegsrunde mit Raspo Elmshorn spielte.

"Auto, Wohnung, Gehalt, wir hatten alle Details mündlich geklärt. Am Freitag sollte ich in Meppen unterschreiben, doch dann bat mich mein Trainer Eugen Igel, wegen eines wichtigen Spiels am Sonntag erst am Montag dorthin zu fahren. Genau am Sonntag verpflichtete der MSV dann aber Horst Ehrmanntraut als neuen Trainer, der brachte seinen Wunschstürmer Carsten Marell mit und für mich war kein Platz mehr im Kader."

Pech gehabt, auch im Oktober 2002, inzwischen beim FC St. Pauli gelandet - Verletzungspech. Fünf Zweitligaauftritte hat der Vertragsamateur bereits absolviert, Vereinspräsident "Papa" Heinz Weisener stellt ihm einen Profivertrag über zweieinhalb Jahre in Aussicht, da verletzt ihn Mitspieler Thomas Goch im Training schwer - Bänderriss, Operation. "Thomas hat sich tausend Mal bei mir entschuldigt." Trainer Seppo Eichkorn aber holte Jens Scharping, und vorbei war auch der Traum von der großen Karriere am Millerntor. "Liegt wohl in der Familie", zieht Fischer ein bisschen seinen Vater Kay auf. Der stand im Jahr 1964 auf dem Sprung in die Handball-Nationalmannschaft. Dann brach sein rechtes Sprunggelenk.

Gerade den Eltern ist das verwöhnte Einzelkind unendlich dankbar. Nie gab es Fußballverbot, wenn es mal wieder einen seiner berüchtigten Streiche spielte. In der Schule schnipste der kleine Michael Papierkugeln in Richtung der Lehrer. Auf Klassenfahrt in Spanien ließ er Wasserbeutel aus dem achten Stock auf Passanten fallen.

Als beinahe ein Kinderwagen getroffen wurde, kam die Polizei. Mit viel Überredungskunst verhinderten Lehrkräfte, dass der Lümmel von der ersten Bank auf der Wache und möglicherweise hinter Gittern landete. "Ich bin Skorpion. Niemals ein Ja-Sager, sondern gefährlich und stachelig", so Fischer über Fischer.

Was er sich in den Kopf gesetzt hat, das zieht er durch. Aufmerksamkeit braucht er, um sich wohl zu fühlen, immer noch. Damit sieht sich der städtische Angestellte im Förderzentrum mit Schwerpunkt Lernen allerdings auf einer Stufe mit der heutigen Spielergeneration: "Bei denen musst du Kumpel, Psychologe und Patenonkel zugleich sein."

Das kriegt er hin mit 43 Jahren. In seiner Freizeit bleibt das mobile Telefon eingeschaltet, und zwar rund um die Uhr, falls einer mal Kummer hat. Michael Fischer: "Kommunikation ist alles. Die alten Trainer-Haudegen, die das nicht merken, haben verloren." Die einzige SMS, die er heute lesen will: "Herzlichen Glückwunsch zur Meisterschaft."