Martina Bendel-Stanke eröffnet einen Tante-Emma-Laden am Wedeler Kronskamp

Wedel. Der Lebensmittelhandel ist ein Haifisch-Becken, und Martina Bendel-Stanke hüpft freiwillig mitten hinein. Denn sie hat in Wedel den kleinen Obst- und Gemüseladen von Susanne Greve übernommen. Auf ein paar Dutzend Quadratmetern am Kronskamp will sie den Supermärkten und Discounter-Giganten Paroli bieten - und das ganz allein.

Ist das Naivität oder Cleverness? Schon der Wettbewerb der "Großen" untereinander ist ruinös. In keinem Land Europas sind Lebensmittel so billig wie in Deutschland. Ständig pressen Discounter den Lieferanten neue Preissenkungen ab - wie will da eine kleine Solistin bestehen? Derartige Unkenrufe pariert die frisch gebackene Unternehmerin mit einem Lächeln und Argumenten, die auf Menschen zielen, denen die "Geiz-ist-geil-Mentalität" der Massen ebenso gegen den Strich geht wie ihr selbst. "Viele Kunden lieben das Familiäre", sagt sie, "aber natürlich müssen Qualität und Vielfalt auch stimmen."

Die Händlerin hat festgestellt, dass Supermärkte zwar Waren günstig liefern, aber nicht die sozialen Kontakte und die Freundlichkeit bieten können, die immer mehr Menschen in einer immer rauer werdenden Welt wieder schätzen lernen. "Bei den Großen ist man ein No-Name-Kunde, der an der Kasse bezahlt - die Kundschaft in meinem Laden ist eine kleine Familie, in der auch mal geplauscht wird", sagt sie.

Das Flair der alten Tante-Emma-Läden soll erhalten bleiben

Das Flair der fast völlig untergegangenen Tante-Emma-Läden will Martina Bendel-Stanke bewahren - eine Stimmung, die in der Regel zwar von sehr vielen Verbrauchern mit Worten geschätzt, aber von wenigen auch durch Einkäufe gestützt wird. Nicht umsonst verschwanden diese Schauplätze des Kuschel-Konsums aus den Stadtbildern. In genauen Zahlen ist die Entwicklung allerdings nicht zu beschreiben. Weder die Industrie- und Handelskammer (IHK) noch der Einzelhandelsverband waren in der Lage, Statistiken zur Entwicklung zu liefern.

Freundlichkeit und viel, viel Fleiß - damit will Martina Bendel-Stanke punkten. "Ich wohne um die Ecke und war bislang selbst Kundin, kenne also die Struktur", sagt die studierte Verkehrsingenieurin. In diesem Beruf arbeitete sie aber schon lange nicht mehr - sondern im Verkauf im Einzelhandel. Hier sammelte sie ihre Erfahrungen, wie ein Laden wirtschaftlich zu führen ist.

Aber viel länger noch dauert ihre Liebe zum Grün. "Schon als Kind hatte ich Beete im Garten meiner Eltern und viel Spaß an Pflanzen", sagt sie. Unwesentlich jünger ist ihr Traum, mit einem eigenen kleinen Geschäft in die Selbstständigkeit zu springen, inklusive finanziellem Risiko, über dessen Höhe sie jedoch nichts verrät.

Das Pflichtprogramm mit profunden Kenntnissen von A wie Ananas bis Z wie Zwiebeln ist eine Selbstverständlichkeit. Die Kür wird den Unterschied machen: Sie wird erklären, welche Kräuter zu welchen Gerichten passen. Sie wird Fern-Touristen Früchte aus ihren Urlaubserinnerungen besorgen, nur auf Basis einer Beschreibung oder eines unscharfen Fotos. Sie wird Quark-Spezialitäten anbieten, die eben nicht an jeder Ecke zu bekommen sind, weil sie nicht industriell, sondern nach Geheimrezept komponiert werden.

Anna findet es richtig toll, was ihre Mutter macht

Einen großen Fan hat Martina Bendel-Stanke auf jeden Fall schon, auch wenn es mit ein bisschen Verzicht verbunden: Tochter Anna (8) wird sehr selbstständig sein müssen, weil ihre Mutter die Arbeit im Laden nicht einfach liegen lassen kann. Anna sagt: "Nicht so schlimm. Was Mutti macht, finde ich toll!"