Ju-Jutsu

Marcel Said wird im Eiltempo U-21-Europameister

| Lesedauer: 4 Minuten
Thomas Maibom
Überragend: Der 17 Jahre alte Marcel Said vom Norderstedter Kampfsportverein Kodokan (r.) machte bei der Ju-Jutsu-EM der Junioren in Lille mit seinen Gegnern kurzen Prozess.

Überragend: Der 17 Jahre alte Marcel Said vom Norderstedter Kampfsportverein Kodokan (r.) machte bei der Ju-Jutsu-EM der Junioren in Lille mit seinen Gegnern kurzen Prozess.

Foto: Thomas Maibom

Das Ju-Jutsu-Ass braucht für seine drei Siege nur vier Minuten. Warum die EM trotzdem einen schalen Beigeschmack hinterlässt.

Norderstedt. Marcel Said fackelt nicht lange. Wann immer er bei Ju-Jutsu-Wettbewerben antritt, fegt der 17 Jahre alte Ausnahmekönner des Norderstedter Vereins Kodokan seine Gegner im Eiltempo von der Matte.

Jüngstes Beispiel: Bei der Junioren-Europameisterschaft in Lille benötigte U-21-Akteur Said auf dem Weg zur Goldmedaille in der Gewichtsklasse bis 94 Kilogramm nicht einmal vier Minuten Kampfzeit für seine drei Siege.

Ju-Jutsu: Marcel Said triumphiert wie schon 2022

„Ich glaube, dem Franzosen Lucas Ballabene, gegen den Marcel im Finale gekämpft hat, tut immer noch alles weh“, kommentierte Kodokan-Cheftrainer Stefan Jacobs den Galaauftritt seines Schützlings, der schon 2022 eine Gewichtsklasse tiefer Europameister geworden war.

Jacobs wusste allerdings nicht, ob er sich über die Ergebnisse seiner sechs Aktiven bei der EM freuen oder ärgern sollte. Zwar brachten die Kodokan-Kämpferinnen und -Kämpfer einen kompletten Medaillensatz mit nach Hause. Andererseits wurde ein Teil des Teams vom reformierten Regelwerk ausgebremst.

Kinder von Kodokan-Chefcoach Stefan Jacobs gehen leer aus

Ebenfalls misslich: Der Coach fing sich in Nordfrankreich eine fette Erkältung ein. Es musste morgens die vereisten Scheiben von seinem Auto freikratzen. Und zusammen mit den Schwitzattacken beim Mitfiebern, wenn die Norderstedter und insbesondere Tochter Jule und Sohn Hannes im Einsatz waren, kam so ein ungesundes Körperklima zustande.

Das Abschneiden der Familienmitglieder entsprach dabei nicht den hohen Erwartungen – und zwar aus einem schier unglaublichen Grund. „Jule ist eine waschechte 52-Kilogramm-Kämpferin, aber die Bundestrainerin hatte sie in der 57-Kilogramm-Klasse gemeldet“, so Stefan Jacobs.

Entscheidung der Bundestrainerin sorgt für Verwunderung

Die drahtige Harksheiderin, die 2021 in Abu Dhabi Weltmeisterin und 2022WM-Zweite wurde, wirkte fast wie ein Fremdkörper im U-18-Starterfeld und hatte gegen die wesentlich stärkere weil körperlich überlegene Konkurrenz keine echte Chance.

Gleich den ersten Kampf verlor sie. Anschließend gab’s zwei Siege in der Trostrunde des aus 19 Kämpferinnen bestehenden Teilnehmerfeldes, ehe gegen eine Schwedin das Aus kam – mehr als Platz neun war so nicht drin.

Neu eingeführtes Wertungssystem ist gewöhnungsbedürftig

„Ich hab die Kämpfe der 52-Kilogramm-Klasse verfolgt. Jule hätte eine Finalchance gehabt“, sagte ihr Vater. Und auch Hannes Jacobs blieb ohne Medaille. Eigentlich gut kämpfend, war der 14-Jährige ein Leidtragender des neuen Wertungssystems.

Seit Jahresbeginn gibt es ein verschärftes Reglement, das zu einem ganz anderen taktischen Verhalten als bisher führt. „Viele Kämpfer haben versucht ihren Gegner in zwei Strafen zu treiben und damit eine Disqualifikation zu erwirken. Und die Kampfrichter waren mit der Auslegung der neuen Bestimmungen noch nicht wirklich vertraut“, sagte Stefan Jacobs.

Magnus Rockmann und Nieke Südbrock gewinnen Edelmetall

In der Trostrunde hatte sein Filius durchaus eine gute Chance auf Edelmetall. Aber dann landete eine jacobsche Gerade mitten im Gesicht des Gegners. Das war die direkte Disqualifikation; aus der Traum von Bronze und nur der fünfte Platz.

Besser machten es in der Altersklasse U 16 die Kodokan-Talente Magnus Rockmann und Nieke Südbrock. Letztere kämpfte sich in der Klasse bis 44 Kilogramm bis ins Halbfinale vor. Dort musste sie sich geschlagen, wurde am Ende aber gute Dritte.

Herbe Enttäuschung für die WM-Dritte Michelle Rockmann

Rockmann startete in der Kategorie über 73 Kilogramm, erreichte das Finale und wurde nach dem Erhalt von zwei zweifelhaften Strafen disqualifiziert. Das war die Vizemeisterschaft.

Die WM-Dritte Michelle Rockmann (U 21, bis 57 Kilogramm) landete in der Endabrechnung auf einem für sie unbefriedigenden neunten Platz.

Ju-Jutsu: Künftig muss schneller und taktischer gekämpft werden

Das Abschneiden seiner Schützlinge nötigte den Kodokan-Trainer zur Selbstreflexion. „Ich habe lange über unsere Trainingsinhalte nachgedacht und mit vielen anderen Kollegen gesprochen. Alle haben mit dem neuen Regelwerk dasselbe Pro­blem“, sagte Stefan Jacobs, „wir werden künftig schneller und taktischer kämpfen müssen.“

Für Michelle Rockmann und Marcel Said geht es übrigens schon in zwei Wochen erneut um Medaillen. Dann finden die Deutschen U-21- und Erwachsenenmeisterschaften beim ESV München statt. Die nationalen Titelkämpfe der jüngeren EM-Teilnehmer finden im Juni statt.

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