Eintracht Norderstedt

„Wir müssen abwarten, was am 19. April passiert“

| Lesedauer: 7 Minuten
Frank Best
Reenald Koch (60) ist seit der Gründung von Eintracht Norderstedt im Jahr 2003 Clubchef und kümmert sich zudem als Manager um die Belange der Regionalliga-Mannschaft.

Reenald Koch (60) ist seit der Gründung von Eintracht Norderstedt im Jahr 2003 Clubchef und kümmert sich zudem als Manager um die Belange der Regionalliga-Mannschaft.

Foto: Anne Pamperin

Vereinspräsident Reenald Koch hofft darauf, dass die Regionalliga-Kicker trotz der Coronapandemie die aktuelle Saison beenden können.

Norderstedt. Not macht erfinderisch. Da das Vereinsgelände an der Ochsenzoller Straße wegen der Coranapandemie noch mindestens bis zum 19. April gesperrt ist, orientieren sich die Fußballer von Eintracht Norderstedt am FC Bayern München.

Wie beim deutschen Rekordmeister stehen für die Regionalliga-Spieler seit dem heutigen Dienstag zwei Video­-Sessions pro Woche auf dem Programm. Athletiktrainer Jan-Philipp Rose oder Physiotherapeutin und Ex-Judo-Bundesligakämpferin Jindra Nesteriuk geben dabei die Anweisungen. Die Kicker, die ansonsten ihre von Coach Jens Martens aufgestellten individuellen Laufpläne abzuarbeiten haben, empfangen die Übungen per Laptop und befolgen in den heimischen vier Wänden die Kommandos.

Da die schleswig-holsteinische Landesregierung Ansammlungen von mehr als zwei Personen verboten hat, ist an ein normales Gruppentraining oder einen geregelten Spielbetrieb vorerst nicht zu denken. Eintracht-Präsident Reenald Koch verrät im Abendblatt-Interview, was die lange Zwangspause für seine Club bedeutet. Und was passieren muss, damit die vom Abbruch bedrohte Saison noch beendet werden kann.

Herr Koch, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen, sind sie gesund?

Reenald Koch Was Corona betrifft, geht es mir hervorragend. Und auch meine Familie ist wohlauf. Wir haben diesbezüglich keine Probleme. Nur mein linkes Knie macht ein paar Schwierigkeiten. Vor Kurzem sind ein Meniskuseinriss und ein Knorpelschaden diagnostiziert worden. Deshalb absolviere ich bei unserem Kooperationspartner Lans Medicum ein Aufbautraining, um am 20. April fit zu sein, wenn die Golfplätze wieder geöffnet werden (lacht).

Das letzte Heimspiel der Mannschaft von Jens Martens im Edmund-Plambeck-Stadion war das 0:0 gegen den SC Weiche Flensburg 08 am 8. März. Sind Sie schon auf Fußball-Entzug?

Nein, Sportveranstaltungen rangieren auf der Prioritätenliste zurzeit sehr weit unten. Leib und Leben stehen im Vordergrund. Und ich denke nach allem, was ich in den vergangenen Tagen gelesen und gehört habe, dass unser Gesundheitssystem im Vergleich zu Ländern wie Italien, Spanien oder den USA wesentlich besser aufgestellt ist. Was mir etwas mehr Sorgen macht, sind die negativen Auswirkungen der Coronapandemie auf die heimische Wirtschaft. Wenn der gegenwärtige Zustand noch drei Monate andauern sollte, liegt Deutschland am Boden – und wir werden in das Jahr 1948 zurückgeworfen. Ich hoffe sehr, dass dieser Fall nicht eintritt.

Stichwort Finanzen: Durch die Zwangspause brechen Ihrem Verein die Zuschauereinnahmen weg. Wie hart trifft das die Eintracht?

Schön ist das nicht, es treibt uns aber auch nicht in den Ruin. Der Gesamtetat ist so aufgebaut, dass die Zuschauereinnahmen etwa ein Siebtel betragen, das sind so um die 50.000 Euro. Außerdem hatten wir bislang dank unserer guten Leistungen erfreulicherweise statt der kalkulierten 300 im Schnitt 600 Zuschauer, und es stehen nur noch fünf von 17 Heimpartien aus. Selbst wenn die Saison abgebrochen werden sollte, ließe sich das verkraften – auch wenn es natürlich schmerzen würde. Kompliziert wird die Lage allerdings, wenn sich mehrere Sponsoren auf einmal zurückziehen müssen, weil sie keine Möglichkeit mehr haben, uns zu unterstützen. Deshalb freue ich sehr über eine Welle der Solidarität im Verein.

Was heißt das konkret?

Alle Jugendleiter und -trainer verzichten mit sofortiger Wirkung auf ihr Geld bis zum 30. Juni. Und auch das Team schnallt den Gürtel freiwillig enger. Der aus Jordan Brown, Jan Lüneburg, Juri Marxen, Hamajak Bojadgian und meinem Sohn Philipp bestehende Mannschaftsrat hat mir mitgeteilt, dass die Spieler bis zum 30. Juni mit einer Kürzung ihres Gehalts um 30 Prozent einverstanden sind.

Und wie geht es sportlich weiter? Gibt es schon konkrete Ideen, wie der Spielbetrieb wieder aufgenommen und die laufende Serie noch gerettet werden könnte?

Ja, aber wir müssen erst einmal abwarten, was am 19. April passiert. Dann soll ja verkündet werden, ob es dank der Einschränkung der sozialen Kontakte gelungen ist, die Corona-Infektionskurve abzuflachen. Bis dahin sind die Fußballplätze in Schleswig-Holstein und Niedersachsen noch gesperrt, in Hamburg sogar bis zum 30. April. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt: Ich persönlich würde mir wünschen, dass die Saison zu Ende gespielt wird – das wäre für alle Beteiligten die fairste Lösung.

Ist das denn realistisch?

Eines ist klar: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Wenn ein gesundheitliches Risiko besteht, darf es keine Lockerung der aktuellen Einschränkungen geben. Für den Fall, dass sich die Zahl der Infizierten signifikant nach unten entwickelt, sind sich die Vertreter der Vereine der Regionalliga Nord, der Landesverbände und des Norddeutschen Fußball-Verbandes einig, dass man die Saison verlängern sollte. Dann hätten wir noch eine Chance, die ganze Sache über die Bühne zu bringen, auch wenn es ein großer Kraftakt wird. Immer vorausgesetzt, wir schaffen es, am Wochenende 2./3. Mai zu starten – entweder unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder mit einer sehr begrenzten Zuschauerzahl. Sollten wir erst Mitte Mai loslegen können, wird es eng.

Muss man also ein Szenario wie in England befürchten, wo gerade erst sämtliche Spiele der Amateure annulliert worden sind?

Möglicherweise, aber das wünscht sich niemand. In diesem Fall drohen Schadenersatzforderungen, außerdem stellen sich Fragen über Fragen: Gibt es Aufsteiger? Gibt es Absteiger? Werden Relegationsspiele ausgetragen? Und wenn ja: wann? Das alles muss noch geklärt werden.

Richten wir den Blick doch mal in die Zukunft. Wird die Coranakrise Auswirkungen auf Eintracht Norderstedt haben?

Es wird mit Sicherheit Auswirkungen geben. Wenn ein Unternehmer seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken muss, ist es nur verständlich, wenn er sich nicht weiter als Sponsor betätigen möchte. Da wir vorausschauend planen, bedeutet das für uns, dass wir unseren Etat um 100.000 Euro kürzen werden.

Gibt es Beeinträchtigungen hinsichtlich der Kaderzusammenstellung für die Serie 2020/2021?

Nein, in diesem Bereich ist schon eine ganze Menge unter Dach und Fach gebracht. Im Gegensatz zur vergangenen Saison, als bis zum letzten Spieltag nicht klar war, ob Eintracht Norderstedt den Regionalliga-Klassenerhalt schafft, haben wir diesmal frühzeitig Planungssicherheit. Hamajak Bojadgian hat seinen Vertrag um drei Jahre verlängert, Lars Huxsohl bleibt zwei weitere Jahre, Nils Brüning und Michael Kobert haben bis zum 30. Juni 2021 unterschrieben. Kangmin Choi hat seinen Wehrdienst abgeleistet und kehrt aus Südkorea zu uns zurück, Gespräche mit Evans Nyarko und Yannick Nuxoll müssen noch geführt werden. Genau wie mit Nick Brisevac, den wir sehr gern behalten würden, sofern er nach seiner Schambeinentzündung wieder hundertprozentig fit wird.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Sport