Beim Testspiel des SV Henstedt-Ulzburg gegen den FC St. Pauli am Sonnabend sehen sich die Trainer erstmals nach einem Telefonat vor 20 Jahren

Henstedt-Ulzburg. Es war der Moment, der das ganze Leben von Jens Martens, dem Trainer der Schleswig-Holstein-Liga-Fußballer des SV Henstedt-Ulzburg, in völlig neue Bahnen hätte lenken können. Dabei glaubte der damals 38-Jährige zuerst, nachdem er an einem Herbstabend im Jahr 1994 zum Telefonhörer gegriffen hatte, dass er Opfer eines Scherzes werden sollte.

„Es war später Abend, so um 23 Uhr, und ich saß noch am Schreibtisch und korrigierte Aufsatzhefte“, sagt der damalige Lehrer am Gymnasium Harksheide, der zu dem Zeitpunkt Coach bei den Fußballern der Bramstedter Turnerschaft war. Dass er sich so genau auch nach über 20 Jahren an diese Details erinnern kann, liegt darin begründet, welche Stimme sich am anderen Ende der Leitung meldete.

Dort sprach kein Geringerer als Ewald Lienen; seines Zeichens anno 1981 als frischgebackener Bielefelder zu bundesweitem Ruhm durch die 25 Zentimeter lange, klaffende Oberschenkelwunde gelangt, die er durch den Bremer Norbert Siegmann erlitten hatte.

Lienen war erst in der Vorsaison 92/93 vom Spieler und Amateurtrainer zum Coach des Bundesligisten MSV Duisburg avanciert, der direkt nach seinem Aufstieg dann in der Serie 1993/1994 am 22. Spieltag sogar die Tabellenspitze erklommen und die Punktrunde letztlich als Neunter beendet hatte.

Und eben dieser Anrufer fragte nun beim seit wenigen Jahren mit dem Prädikat „Fußball-Lehrer“ versehenen Martens an, ob dieser umgehend in seinen Assistentenstab beim MSV aufrücken wolle. „Als erstes schoss mir zu fragen in den Sinn, ob der Anrufer mich – salopp gesagt – verarschen wolle“, sagt Martens und erinnert sich mit einem Schmunzeln, „dann habe ich aber doch erstmal weiter zugehört, und es war bald klar, dass dort wirklich Ewald Lienen sprach. Er hatte von Uli Sude und Rainer Bonhof, meinen beiden Kollegen aus der Fußballlehrer-Ausbildung, wohl den Tipp bekommen, dass mit mir etwas anzufangen sei.“

Das Angebot klang ausgesprochen verlockend. Die Bundesliga als Betätigungsfeld ist schließlich der Traum wohl eines jeden Fußballtrainers. Aber wie so oft im Leben, wenn sich zwei Parteien begegnen, die der Ansicht sind, dass sie eigentlich zusammenpassen: Die Idee war goldrichtig, der Moment aber falsch.

„Zu dem Zeitpunkt war das Schuljahr schon voll angelaufen. Ich habe die Situation mit meinem damaligen Schulleiter geklärt, und der hatte mir auch wirklich die große Chance ermöglichen wollen“, sagt Martens, „aber alle Planspiele waren vergebens, er hätte mich erst zum Ende des ersten Halbjahres gehen lassen können. Damit war das Thema MSV Duisburg dann leider für mich für mich erledigt.“

Eine Schicksalsfügung, die aber nicht zu Martens’ Nachteil gewesen sein dürfte. Frei nach dem Motto „Wie es kommt, ist wohl richtig“ blickt der Henstedt-Ulzburger auf diesen vermeintlichen Fehlschlag zurück. „Nur wenige Wochen nach seiner Anfrage hatte Ewald damals in Duisburg seinen Hut nehmen müssen und ich hätte dann in seinem Kielwasser gewiss auch gehen müssen“, fasst Martens rückblickend zusammen.

Der 59-Jährige bekleidet mittlerweile eine halbe Stelle an der Gemeinschaftsschule Kisdorf und fungiert im Übrigen als Kreis-Schulsportbeauftragter. „Als frisch zugereister Trainer im Fußballwesten wäre es mir nicht leicht gefallen, dort schnell wieder untergekommen. Aber eine Rückeingliederung hier in den Schulbetrieb hätte mich höchstwahrscheinlich in einen ganz anderen Teil von Schleswig-Holstein verschlagen. Also alles gut so.“

Auch Borussia Dortmund hatte den SVHU-Coach in die Auswahl gezogen

In abgewandelter Form hatte Jens Martens schon vier Jahre zuvor erlebt, wie es ist, in den Fokus der höchsten deutschen Spielklasse zu geraten. Borussia Dortmund hatte an die Tür des Lehrers und Vollblut-Fußballtrainers geklopft. Damals hatte BVB-Coach Horst Köppel eine kompetente „rechte Hand“ gesucht. „Letztlich haben die mir aber mit Horst Bertram einen ehemaligen Profi vorgezogen.“

Zumindest mit Ewald Lienen aber sollen sich nun an diesem Sonnabend Martens’ Wege wieder – und erstmals persönlich – kreuzen. Insofern es denn die heranrauschenden Sturmtiefs „Elon“ und „Felix“ mit ihren prognostizierten Windstärken und Niederschlagsmengen zulassen.

Um 13.30 Uhr gastiert Zweitligist FC St. Pauli – voraussichtlich in Bestbesetzung – mit dem seit 16. Dezember 2014 im Amt befindlichen Cheftrainer Lienen bei den Rhenern am Schäferkampsweg zum Testspiel. Trotz aller Wetterkapriolen ein Zuschauermagnet. „Der Vorverkauf ist gut gelaufen“, sagt Ligamanager Jens Fischer. „Wir appellieren an alle Fans, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, da nur begrenzt Parkplätze verfügbar sind.“