Fußballer Marcel Boldt hat nach seinem Arbeitsunfall und trotz fünf Operationen den Optimismus wiedergefunden

Norderstedt. Fast schon unwirklich prangt der Fixateur am rechten Unterschenkel. Beinahe scheint es sogar, als sei das sperrige Metallgerüst bloß lose aufgelegt, als könne die Montur problemlos abgenommen werden. Doch dieses Exemplar abstrakter Chirurgenkunst gehört seit rund zwei Monaten zum Alltag von Marcel Boldt. Genauer gesagt seit dem 28. Oktober, als der 26-Jährige seine Familie, Freunde und die Fußballkollegen von Landesligist TuRa Harksheide schockte.

Relativ nüchtern beschreibt Boldt heute den Arbeitsunfall, der ihn auch sein Leben hätte kosten können. „Es war ein Hubwagen, mit dem ich beladene Paletten von Lkw holte. Die Paletten sind dann ins Wackeln gekommen, ich dachte, ich könnte das noch stabilisieren. Dann sind die Paletten auf mich gefallen und der Mast der Ameise hat mein Bein voll erwischt.“

Der Groß- und Außenhandelskaufmann lag begraben unter tonnenschwerem Gewicht, sein Schienbein war zertrümmert, die Wade geplatzt, Boldt verlor viel Blut. Doch er reagierte trotzdem geistesgegenwärtig. „Die Verletzung habe ich mir bewusst nicht angeschaut. Ich dachte, dann würde ich sofort in Ohnmacht fallen.“ Dafür rief er eigenständig einen Krankenwagen, der 17 Minuten später bei der Firma in Prisdorf nahe Pinneberg vorfuhr. Auch sein Vater Rüdiger, sein Chef und nicht zuletzt die Freundin wurden rasch noch informiert. „Ich habe dann noch gehört, wie der Notarzt von einer aufgeplatzten Wade und einer offenen Fraktur sprach. Dann haben sie mich weggespritzt und ich bin erst im Aufwachraum des Krankenhauses in Altona wieder zu mir gekommen.“

Wenige Tage später wurde er in das Unfallkrankenhaus Boberg verlegt. Schmerzmittel, Narkose, Aufwachphase – diesen Zyklus machte er in den Wochen darauf noch drei weitere Male durch. Der Fixateur als stabilisierendes Element musste verkleinert werden, dann wurde mit einem chirurgisch komplizierten Verfahren Haut vom Ober- an den Unterschenkel verpflanzt, ehe beim vierten operativen Eingriff der Fixateur erneut justiert wurde. „Zum Glück lief alles nach Plan, genau so, wie sich die Ärzte das vorgestellt haben.“ Pures Glück, dessen ist sich Boldt bewusst, war zudem, dass weder das Knie noch das Sprunggelenk beschädigt wurden – niemand hätte ansonsten eine vollständige Heilung des Beins garantieren können.

Nach vier Wochen durfte er endlich in die heimische Wohnung nach Bramfeld, wo er gemeinsam mit seiner Freundin lebt. Wenigstens kurze Strecken kann er dort mit Gehhilfen bewältigen. Mehr als eine Belastung von zehn Kilogramm ist dennoch nicht erlaubt. Eine Obergrenze, die enorm schwierig einzuhalten ist, wie Marcel Boldt unlängst erfuhr. Denn als er beim Verlassen eines Restaurants kurz wegrutschte und mit seinem rechten Fuß auf dem Boden Halt suchte, wurde der Druck auf den Unterschenkel derartig groß, dass sich die Knochen erneut verschoben. „Das war eine Refraktur. Der Fixateur musste abgeschraubt und wieder angesetzt werden“, sagt Boldt. Zwei Wochen hat er deswegen verloren, drei Monate soll es nunmehr dauern, bis das Schienbein wieder zusammengewachsen ist.

Schon jetzt hat er dreimal pro Woche Physiotherapie, absolviert leichte Bewegungsübungen. Das eigentliche Reha-Programm folgt ab März, wenn der Fixateur endgültig abgenommen worden sein soll. Bis dahin regiert an vielen Tagen die Langeweile. „Die meiste Zeit liege ich im Bett. Als ich aus dem Krankenhaus raus war, habe ich mir als erstes eine Playstation 4 mit dem Spiel Fifa 15 gekauft.“

Auf der Konsole hilft der Linksaußen seinen TuRa-Mitspielern allerdings nicht weiter. Vier von fünf Partien hat die Mannschaft seit dem Aus ihres Leistungsträgers verloren, damit den Anschluss zur Tabellenspitze abreißen lassen. Beim letzten Match des Jahres gegen den FC Elmshorn II (2:3) saß Boldt dick vermummt mit drei Hosen und zwei Decken am Spielfeldrand und sah mit eigenen Augen, wie reif Harksheide für die Winterpause war.

Zwei konkrete Ziele formuliert er. „Ich habe meinem Chef gesagt, dass wir uns im Mai wiedersehen. Ich will so schnell wie möglich wieder einen normalen Tagesrhythmus haben.“ Zu diesem würde auch das Comeback auf dem Fußballplatz zählen. „Die Ärzte haben mir gesagt: Wenn alles verheilt ist, kann ich auch wieder kicken. Realistisch ist die Vorbereitung im Sommer. Wir haben ja einen Fünf-Jahres-Plan, demnach müssten wir in der nächsten Saison aufsteigen.“