Regionalligist Eintracht Norderstedt wittert die Chance, am Sonntag den ungeschlagenen Hamburger SV II zu besiegen

Norderstedt. Man sollte sich keine Illusionen machen. Geheimnisse gibt es selbst in der Fußball-Regionalliga Nord nicht mehr, alle Teams, alle Spieler sind durchgescoutet, die meisten Partien werden gefilmt, die Vereine verfügen über unzählige Stunden Videomaterial, es werden untereinander sogar fleißig DVDs getauscht. Also war auch folgender Spontan-Test keine große Sache: Eintracht Norderstedt fuhr nur fünf Tage vor dem Derby gegen die U23 des Hamburger SV (Sonntag, 14 Uhr, Edmund-Plambeck-Stadion) in den Volkspark und duellierte sich 70 Minuten lang mit den Bundesligaprofis des Clubs. Eine Reihe von Akteuren des HSV II war in diesem Match ebenso im Einsatz, der Rest dürfte wie auch Trainer Daniel Petrowsky interessiert zugeschaut haben.

Norderstedts Coach Thomas Seeliger sah den Vergleich (Endstand 0:4) so auch eher als Abwechslung zum Alltag. Die Erkenntnisse: „Für meine Jungs war es gut zu sehen, was sie tun müssten, um ganz oben mithalten zu können. Der HSV hat auf eine gewisse Art und Weise unsere Schwächen alle ausgenutzt. Wir waren nur am Reagieren, nicht am Agieren.“

Ein druckvolles Offensivspiel wird auch die U23 am Sonntag aufziehen, wenn auch mit geringerer individueller Qualität. Daher streckt die Eintracht keinesfalls schon vorher die Waffen, selbst wenn die HSV-Talente bekanntermaßen ungeschlagener Spitzenreiter mit zehn Punkten Vorsprung sind. In der Hinrunde unterlagen die Garstedter auswärts im Wolfgang-MeyerStadion mit 0:3, fühlten sich damals aber etwas unter Wert geschlagen. Andererseits hat sich der HSV-Nachwuchs seitdem enorm weiterentwickelt, wurde selbst vom Trainerwechsel Zinnbauer/Petrowsky nicht aus der Bahn gebracht.

„Das ist schon eine sehr gute Mannschaft. Aber dass sie kein Spiel verlieren würden, damit war nicht zu rechnen“, so Thomas Seeliger. Die jüngste Partie, ein aus Hamburger Sicht eher glückliches 2:2 gegen den VfB Lübeck, habe zumindest durchaus Anfälligkeiten offenbart. „Da hätte Lübeck 4:1 führen können. Für uns ist alles möglich am Sonntag“, betont Seeliger daher.

Zumal er sogar einen Kabinen-Insider in seinen Reihen hat. Denn bevor Gerrit Pressel vor drei Wochen zu den Norderstedtern stieß, hatte er sich seit Beginn der Sommervorbereitung eben beim HSV II – seinerzeit noch unter Joe Zinnbauer – fit gehalten. „Da stehen gute Jungs auf dem Feld, die funktionieren als Team“, sagt 24 Jahre alte Linksaußen. Das sei auch der Unterschied zu der Zeit, als Pressel von 2008 bis 2012 bei dem Club unter Vertrag stand. „Wir hatten damals keine schlechteren Einzelspieler. Aber jetzt ist der HSV gefestigter. Und die haben eben einen Lauf.“

Er vergleicht die Aufgabe mit den letzten Heimspiel, als der FC St. Pauli II im Edmund-Plambeck-Stadion mit 1:3 unterlag. Nicht, weil die Eintracht technisch besser war, sondern weil die „harten“ Komponenten – Zweikämpfe, zweite Bälle, Laufintensität – in den entscheidenden Phasen stimmten. „Auch St. Pauli war gut besetzt, hatte Spieler von oben aus der 2. Bundesliga dabei. Aber wir spielen zu Hause, da müssen wir uns vor keinem Gegner verstecken. Wir rechnen uns Chancen aus.“

Wenigstens ist der Erfolg wieder zurück, seitdem Pressel das Eintracht-Trikot trägt. Vor dem Sieg gegen die U23 des FC St. Pauli gab es zu seinem Einstand ein 2:0 beim BSV Rehden, sodass Norderstedt derzeit sieben Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz aufweist. Ungefähr dieses Polster würde die Mannschaft gerne in die Winterpause nehmen, vier bis sechs Zähler aus den verbleibenden vier Partien wären hierfür wohl nötig.

Notgedrungen wird Thomas Seeliger am 18. Spieltag personell umstellen müssen. Sein Kapitän und zugleich die erste Anspielstation im Mittelfeld, Philipp Koch, setzt genauso wie der zuletzt formstarke Innenverteidiger Clifford Aniteye aufgrund der fünften Gelben Karte aus. Vermutlich bekommt Jan Kaetow daher in der Abwehr eine neue Bewährungschance. In der Offensive wurde beim Test gegen den HSV unter anderem die Variante mit zwei Angreifern geprobt.