Die 16 Jahre alte Anabel Saunus spielt parallel für die U17-Bundesliga-Mädchenmannschaft von Holstein Kiel und die B-Junioren der Kaltenkirchener TS

Auf dem Klavier stehen die Noten zu Franz Schuberts Moments Musicaux, doch der österreichische Komponist muss noch warten. Anabel Saunus hat jetzt keine Zeit, in die Tasten zu hauen. Flugs tauscht die 16-Jährige ihre Freizeitklamotten gegen die Sporthose, zieht sich Stutzen und ein Trikot an, packt ihre Fußballschuhe ein und düst los zum Training.

Auf dem Gelände der Kaltenkirchener Turnerschaft angekommen, trudelt allmählich der Rest der Mannschaft ein. Das sind aber nicht etwa gleichaltrige Mädchen, sondern Jungs, genauer gesagt, die B-Junioren der KT.

Für das Foto nehmen Benjamin Hamelmann, Leon Bartz, Vincent Stern, Benjamin Karadzic, Lennart Blödorn, Malte Möller, Cedric Blödorn, Lennart Sixt, Dominik Reiter, Jan-Moritz Runge und Jan-Hendrik Frenzel ihr Teammitglied schon mal spaßeshalber auf den Arm. Aber Anabel Saunus ist ein vollwertiges Mitglied und wird von den Jungs als solches akzeptiert.

„Ein paar Jungs gehen in meine Klasse oder auf meine Schule. Wir kennen uns schon länger“, sagt sie. Bei den Punktspielen in der Kreisliga darf Anabel auch mitmischen, doch in letzter Zeit ist das nicht mehr so oft der Fall. Denn im Winter wechselte die Kaltenkirchenerin zu den B-Juniorinnen von Holstein Kiel und kämpft seitdem mit den Kickerinnen um den Klassenerhalt in der Bundesliga Nord/Nordost.

Ihren ersten Einsatz hatte Anabel am 1. März. Im Heimspiel gegen Werder Bremen wurde die Abwehrspielerin in der 66. Minute für Sara Schäfer-Hansen eingewechselt. „Ein bisschen aufgeregt war ich schon in dem Moment“, sagt Anabel, die zuverlässig agierte und auch dafür sorgte, dass die „Holstein Women“ keinen Gegentreffer kassierten.

Am vergangenen Wochenende war Anabel gleich zweimal im Einsatz. Im Halbfinale des Landespokals wurde der FFC Oldesloe mit 5:0 abgefertigt, tags darauf gewannen die „Störchinnen“ einen Test gegen die C-Junioren des TuS Rotenhof mit 4:0. Zum ersten Mal durfte Anabel Saunus von Beginn an spielen.

Gegen männliche Teams zu spielen oder auch mit Jungs zu trainieren, ist für Anabel kein Problem. „Als kleines Mädchen habe ich immer mit den Jungs aus der Nachbarschaft Fußball gespielt. So bin ich auch zu dem Sport gekommen. Mit neun Jahren habe ich dann beim FSC Kaltenkirchen ein Probetraining absolviert“, sagt sie. Ab und zu muss ein wenig improvisiert werden, zum Beispiel, wenn es um das Thema Umkleidekabine geht. „Wenn alles voll ist, muss sich Anabel dann schon mal im Schiedsrichterraum umziehen“, sagt KT-Betreuerin Anja Reiter schmunzelnd.

Dass sie in der KT-Mannschaft von Trainer Ilhan Turhan mitkicken darf, verdankt sie einer Sondergenehmigung. „Die habe ich bekommen, weil ich in der schleswig-holsteinischen B-Mädchen-Auswahl bin“, erklärt Anabel. Erteilt hat die Erlaubnis Landestrainer Dieter Bollow. Die Ausnahme gilt theoretisch sogar für die A-Junioren. Danach ist aber endgültig Schluss mit dem Hin und Her.

„Bei den Männern darf ich nicht mehr mitspielen“, sagt Anabel. Das ist aber auch gar nicht ihr Ziel. Sie möchte gerne mit den B-Juniorinnen von Holstein Kiel eine möglichst erfolgreiche Saison spielen und das Pokalendspiel am 1. Mai gegen den MTSV Olympia Neumünster gewinnen.

Momentan muss die talentierte Nachwuchsfußballerin, die Fan von Bastian Schweinsteiger ist, zweimal pro Woche nach Kiel. Hinzu kommen die Spiele am Wochenende. Zusätzlich absolviert die frühere Leichtathletin eine oder zwei Übungseinheiten bei den KT-Junioren, macht dort – wenn es ihre Zeit erlaubt – ebenfalls Punktspiele und hat zudem noch regelmäßiges Training mit der Mädchen-Landesauswahl in Kellinghusen. Wo Anabel Saunus in der kommenden Spielzeit ihre Buffer schnürt, steht noch nicht fest. „Die Fahrerei nach Kiel ist ziemlich aufwendig. Aber hier in der Nähe gibt es ja auch gute Mannschaften, zum Beispiel die Frauen des SV Henstedt-Ulzburg“, sagt sie. „Manchmal wünsche ich mir schon ein bisschen mehr Zeit, um andere Dinge machen zu können“, so Anabel, deren schulische Leistungen indes nicht unter dem Sportpensum leiden. Das letzte Zeugnis der G8-Schülerin des Gymnasiums Kaltenkirchen war ihr bisher bestes, ihre Durchschnittsnote tatsächlich eine glatte Eins.