Der Wahlstedter Roman Wagner schildert seine Eindrücke als freiwilliger Helfer bei den Olympischen Winterspielen am Schwarzen Meer

Wahlstedt. Das junge Mädchen aus dem Kaukasus sollte einen alten Mann heiraten und war darüber todtraurig. Um der Eheschließung zu entgehen, stürzte es sich von einem Felsen hinab in das Tal und ward nie wieder gesehen. „Diese Legende und der gleichnamige Gebirgsfluss haben dem Laura Ski- und Biathlonstadion seinen Namen gegeben“, sagt der Wahlstedter Roman Wagner, der bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi als Volontär eingesetzt ist.

Auch wenn die hochmoderne Anlage ihren Titel einem eher traurigen Ereignis verdankt, ist Wagner seit seiner Ankunft am Schwarzen Meer bestens gelaunt. Der 49-Jährige ist einer von insgesamt 25.000 Freiwilligen, die Olympia für alle Beteiligten zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Zu erkennen sind die vielen Helfer während der Fernsehübertragungen an ihren farbenfrohen Anzügen.

Ausgewählt wurden sie in einem mehrmonatigen Verfahren. Alle Kandidaten haben Onlinetests in Englisch und Interviews des Moskauer Volontär-Zentrums für Sotschi 2014 über sich ergehen lassen. Die Förderung von Ehrenamtlichen und freiwillig Engagierten ist eine der Aufgaben des Bundesprogramms des deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit dem Titel „Integration durch Sport“.

Roman Wagner ist Mitarbeiter beim Landessportverband und betreut als Regionalkoordinator die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die in vielen Vereinen tätig sind. Wagner, der Deutsch, ein wenig Englisch und perfekt Russisch spricht, ist einer von zwei Schleswig-Holsteinern in Sotschi.

„Die ersten Tage waren sehr aufregend. Wir mussten unsere Akkreditierung abholen, wurden eingekleidet und lernten unseren Einsatzort kennen“, so der dreifache Familienvater. Untergebracht ist er in einem für die vielen Freiwilligen eingerichteten Wohnkomplex. „Das sind mehrstöckige Blocks, die nach den Olympischen Spielen den Einheimischen zur Verfügung gestellt werden.“

Für Roman Wagner ist die Reise nach Russland auch eine Begegnung mit der Vergangenheit. Geboren wurde der Diplom-Sportlehrer im 300 Kilometer von Alma Ata entfernten Ort Kamenka. Der gebürtige Kasache, der seit 1995 einen deutschen Pass besitzt, war in seiner Jugend ein erfolgreicher Biathlet. Und als solcher genoss er in der damaligen Sowjetunion die ins Schulsystem integrierte Sportförderung und -ausbildung. Seine Stärke waren das Stehendschießen und der Skilanglauf – damals natürlich noch im klassischen Stil.

In seiner aktiven Zeit war Roman Wagner zweimal in Sotschi. In der Bergregion absolvierte er Wettkämpfe und Trainingslager. Nun ist er zurückgekehrt. Eingeteilt ist er für das Ski- und Biathlonstadion.

In den letzten 30 Jahren hat sich „seine“ Sportart gewaltig verändert. „Wir hatten früher maximal zwei Paar Ski, heute sind es bis zu 20“, sagt Wagner, der den Olympiaort sofort ins Herz geschlossen hat. „Infrastruktur, Wettkampfstätten – Sotschi ist gigantisch. Unglaublich, was das Gastgeberland in den letzten sieben Jahren aufgebaut hat. Die Teilnehmer sind sehr zufrieden mit den Anlagen und mit der Versorgung.“

Dass er selber nie an Olympischen Spielen teilnehmen durfte, stimmt Roman Wagner nicht allzu traurig. Auch als Helfer sind die Tage in Sotschi für ihn schon jetzt ein Traum, der wahr geworden ist. „Ich habe schon viele Spitzenathleten gesehen und getroffen“, so Roman Wagner. Er ließ sich unter anderem mit der dreimaligen Olympiasiegerin Kati Wilhelm ablichten, die als ARD-Biathlonexpertin in Sotschi dabei ist. Das obligatorische Foto mit dem olympischen Feuer im Hintergrund durfte natürlich auch nicht fehlen.

Roman Wagner bekam auch die kasachische Ski- und Biathlonmannschaft vor die Kamera. Einige Trainer und Funktionäre sind ihm noch aus seiner aktiven Zeit bekannt. Möglichkeiten zum Sightseeing hat der engagierte Freiwillige indes kaum. „Das mache ich in meinen wenigen freien Stunden“, sagt er.

Diese wurden allerdings durch die Wetterkapriolen der letzten Tage beschnitten. Die Biathlon-Wettbewerbe mussten wegen dichten Nebels immer wieder verschoben werden, letztendlich fand der Massenstart der Damen erst am Abend statt – Wagner und sein Helferteam mussten eine Nachtschicht einlegen. „Dafür hatten wir am Tag danach frei und konnten uns Eishockey anschauen.“

Die Olympischen Winterspiele in Sotschi dauern noch bis Sonntag. Nach der beeindruckenden Eröffnungsfeier wird auch die Abschlussparty sicher ein Erlebnis der ganz besonderen Art werden. Anschließend reist Roman Wagner zurück nach Wahlstedt. Dort wird er wieder seiner Tätigkeit beim Landessportverband nachgehen und sich weiter für die Integration durch Sport einsetzen.