Kapitän Nico Kibat beschreibt vor dem Drittliga-Heimspiel gegen den THW Kiel II die Stimmung bei den finanziell angeschlagenen SVHU-Handballern

Henstedt-Ulzburg. Die Ausgangslage vor dem Landesderby ist dieselbe wie schon im Hinspiel. Wenn die Drittliga-Handballer des SV Henstedt-Ulzburg am Sonnabend, 19 Uhr, in der Halle des Schulzentrums Maurepasstraße das zweite Team des THW Kiel (9./21:17 Punkte) empfangen, dann trifft der favorisierte Spitzenreiter und Titelaspirant SVHU (33:5 Zähler) auf ein Team aus dem Tabellenmittelfeld, das nach oben oder unten wenig bewegen kann.

Doch wer angesichts des 40:27-Hinspielerfolgs der Henstedt-Ulzburger ein ähnliches Schützenfest erwartet, den bremst SVHU-Coach Tobias Skerka in der für ihn typischen Manier aus. „Die Kieler haben sich deutlich verbessert, das wird ein komplett neues Match“, sagte der Trainer gleich nach dem 25:20-Auswärtserfolg gegen den VfL Potsdam vor knapp einer Woche.

Die Bilanz der letzten fünf Spiele bestätigt Skerkas Einschätzung. Zwar holte der SVHU in diesen Partien 8:2 Punkte, blamierte sich mit der 23:28-Niederlage beim Schlusslicht MTV Altlandsberg aber auch einmal nach Strich und Faden. Die Kieler holten 7:3 Zähler und ließen dabei vor allem mit dem 36:29-Triumph über den Tabellenzweiten HF Springe aufhorchen.

„Der THW überzeugt mit seinem Tempospiel. Wir müssen unbedingt wieder einen Abwehrriegel hinstellen, wie es uns zuletzt in Burgdorf und gegen Potsdam gelungen ist“, sagt Tobias Skerka, der weiterhin auf die Langzeitverletzten Jan Wrage, Kevin Wendlandt und Renke Bitter verzichten muss. Im Abwehrzentrum ist der Einsatz des verlässlichen Mannschaftskapitäns Nico Kibat fraglich, der an einem aufziehenden Infekt laboriert. Das Hamburger Abendblatt sprach mit ihm über die Stimmung im Team, die Unruhen rund um die Insolvenz der den Spielbetrieb der Männermannschaft tragenden SVHU Handball GmbH und seine sportlichen Ziele.

Hamburger Abendblatt:

Herr Kibat, sportlich stimmt es, der SV Henstedt-Ulzburg führt die 3. Liga Nord mit fünf Punkten Vorsprung an. Lassen Sie die Ereignisse rund um die Insolvenz der Trägergesellschaft kalt?

Nico Kibat:

Ganz gewiss nicht, die Situation seit dem Bekanntwerden der finanziellen Schieflage Anfang Oktober 2013 ist nicht schön. Unter uns Spielern gab es schon merklich Unruhe, und als sich nach dem Wegfall eines Großsponsors Zahlungen verzögerten, haben einige Jungs kurzfristig Probleme bekommen.

Die gibt es jetzt nicht mehr?

Kibat:

Wir sind immer gut über den aktuellen Stand der Dinge informiert worden. Unser Geschäftsführer Olaf Knüppel hat zusammen mit Sponsoren für alle Spieler individuelle Lösungen gefunden. Wir können uns jetzt wieder ganz auf den Handball fokussieren.

Aber wie schafft man es als Spieler, angesichts einer dermaßen existenziellen Bedrohung für das eigene Team wieder Normalität im Alltag zu erzeugen?

Kibat:

Das ist auch ein Verdienst des Vereinsumfeldes und der Fans. Wir Spieler haben im Zuge dieser problematischen Situation viele Zugeständnisse gemacht, leisten aber weiterhin im Training und auf dem Feld ganze Arbeit. Das Team bekommt nun von außen den Eindruck vermittelt, dass diese Einstellung anerkannt und honoriert wird. Das spornt an und schweißt uns als Mannschaft weiter zusammen.

Das ist aber auch ein Prozess, der durch die Fluktuation im Kader forciert wird. Mit Keeper Stephan Hampel sowie den Außen Malte Voigt und Lars Bastian haben binnen weniger Tage drei Akteure die Mannschaft verlassen.

Kibat:

Und das war deren gutes Recht; niemand macht den Jungs einen Vorwurf. Klar, wenn der Kader kleiner wird, muss der Rest noch mehr zusammenrücken; jeder Einzelne steht noch mehr in der Pflicht, immer das Letzte aus sich herauszuholen. Dabei ist hilfreich, dass die Vereinsleitung von Beginn an vernünftige Gespräche geführt und uns Perspektiven aufgezeigt hat.

Dennoch ist es keine Selbstverständlichkeit, dass so viele Spieler mitziehen, wenn sie sich doch ohne Sanktionen umorientieren könnten...

Kibat:

In diesem Punkt kommt zum Tragen, dass der SV Henstedt-Ulzburg bei der Zusammensetzung des Kaders das richtige Konzept gewählt hat. Wir sind alle Jungs aus der Region, können uns mit dem Verein identifizieren und fühlen uns auch durch die Fans angenommen und unterstützt. Wenn überhaupt ein Rezept in einer Krisensituation funktionieren und den Zerfall der Mannschaft verhindern konnte, dann wohl dieses.

Und doch gab es vor vier Wochen die Pleite beim MTV 1860 Altlandsberg, die sich von ihrer einzigen anderen Niederlage im Spitzenspiel bei den Handballfreunden Springe schon deutlich unterschieden hat. Kann man dies darauf zurückführen, dass die Köpfe durch die Gesamtsituation beim SVHU blockiert waren?

Kibat:

Das wäre viel zu einfach. Da kamen viele Faktoren zusammen, angefangen damit, dass Altlandsberg bei weitem nicht so schwach ist, wie es die Tabelle erscheinen lässt. Bei denen hat einfach alles geklappt. So ein Spiel gibt es in jeder Saison nur einmal. Uns ist es in der der Zweitligasaison 2012/2013 ja auch gelungen, als Abstiegskandidat gegen den späteren Meister Bergischer HC ein 30:30 zu erkämpfen.

Heißt das, übertragen auf diese Saison, dass jeder jeden schlagen kann?

Kibat:

Für das breite Mittelfeld der Staffel gilt das auf jeden Fall. Zwischen den Plätzen drei bis zehn liegen nur sechs Punkte Differenz. Entsprechend ist es für uns egal, ob wir auf den Dritten oder den Zehnten treffen, es wird immer ein starker Gegner sein, den wir in keinem Fall unterschätzen dürfen – was wir aber auch gewiss nicht tun werden.

Wie sehen Ihre persönlichen Pläne beim SV Henstedt-Ulzburg aus?

Kibat:

Ich bin mit 34 Jahren und dem nun begonnenen Lehramtsreferendariat auf der Zielgeraden meiner Profisport-Karriere angekommen. Aber ich möchte mir auf jeden Fall einen schönen Abgang verschaffen und dem SVHU helfen, soweit oben wie möglich – sofern dies sportlich und wirtschaftlich möglich ist, also auch in der 2. Bundesliga – Fuß zu fassen.