Regionalligist Eintracht Norderstedt überwintert auf Platz 13 und hat die Erwartungen erfüllt. Das Potenzial ist damit aber noch nicht ausgeschöpft

Norderstedt. Andreas Gerdes-Wurpts. Gäbe es diesen Namen noch nicht, müsste er wohl erfunden werden als Synonym für kernigen Fußball, bei dem der Zweck die Mittel heiligt. Wie sich dies am eigenen Leibe anfühlt, erfuhr Eintracht Norderstedt im letzten Regionalliga-Spiel des Jahres beim BV Cloppenburg (0:2). Gerdes-Wurpts, 33, ist Stürmer, einer der besten in Liga vier, abgezockt und abgehärtet. Doch es waren nicht nur seine zwei Tore, die in Erinnerung blieben. Der Mann mit der „18“ auf dem Trikot hakte, trat und checkte fröhlich um sich, toleriert vom Schiedsrichter, seitens der Eintracht mit lauten Protesten begleitet.

„Am Ende war er cleverer“, mussten Norderstedts Trainer Thomas Seeliger und Assistent Stefan Siedschlag letztlich zerknirscht eingestehen. Das Auftreten des Cloppenburgers summierte noch einmal die gesammelten Eindrücke der ersten Regionalliga-Monate. Der Aufsteiger erlebt eine robuste Gangart, trifft auf handlungsschnelle Kontrahenten, hat aber mittlerweile auch gelernt, sich passend zu wehren.

Zusammengerechnet hat das Team bisher 20 Zähler in 19 Partien erspielt und erkämpft. „Jeder Punkt ist harte Arbeit. Aber wir hätten natürlich gerne mehr Puffer nach unten“, sagt Seeliger. Hochgerechnet auf die Saison käme die Eintracht – gerundet – auf 36 Punkte. Das kann, muss aber nicht zum Klassenerhalt genügen.

Nach jetzigem Stand beginnt die Abstiegszone auf Platz 17 mit der U23 von Eintracht Braunschweig (18 Punkte). Für den SV Wilhelmshaven ist die Saison im Prinzip bereits vorbei. Hat die Anweisung des Weltverbandes FIFA auch vor einem zivilen Gericht Bestand, wird der Club nach 34 Spieltagen an das Tabellenende gesetzt, wobei die Ergebnisse trotzdem in die Wertung einfließen. Zur Erklärung: Der SVW schuldet zwei argentinischen Vereinen eine Ausbildungsentschädigung in Höhe von 160.000 Euro. Zuletzt urteilte auch der internationale Sportgerichtshof CAS zugunsten der Südamerikaner.

In Norderstedt kicken keine Exoten. Zwar wurde der Kader im Sommer verstärkt, doch das Gros der Mannschaft verfügte zu Beginn über kaum oder überhaupt keine Regionalliga-Erfahrung. So gesehen war es nicht verwunderlich, dass der Neuling in den ersten fünf Begegnungen sieglos blieb. Manch ein Beobachter war sogar überrascht, dass die Eintracht Anfang September zwei Remis vorzuweisen hatte.

Dann kam Mike Eglseder. Das Kopfballtor des Innenverteidigers zum 1:0 gegen den Hamburger SV II war gleichbedeutend mit dem ersten Erfolg. Vier weitere Male konnte Norderstedt gewinnen. Dass die Titelanwärter Goslar und Meppen im Edmund-Plambeck-Stadion jeweils mit 1:2 unterlagen, waren Coups, das 6:4 beim SV Eichede ein Spektakel. Und als die Mannschaft anschließend vier von fünf Partien verlor und vielleicht erste Zweifel aufkamen, wurde der TSV Havelse mit 5:2 abgefertigt. Dies genügte, um Platz 13 bis in das neue Jahr zu sichern. „20 Punkte sind okay“, sagt Mike Eglseder, der als einziger Feldspieler keine Sekunde verpasst hat, „und wir haben immer wieder Spiele wie das 5:2 eingestreut.“

Wegen Highlights wie diesem zählt die Eintracht daheim rund 600 Fans im Schnitt. „Einen herzlichen Dank an alle Zuschauer“, sagt der Club-Vorsitzende Reenald Koch. „Wir sehen die Entwicklung sehr positiv. In der Oberliga waren wir in der letzten Saison Vierter, jetzt stehen wir im Mittelfeld der Regionalliga. Und der eine oder andere Spieler hat sich definitiv weiterentwickelt.“

Das heißt jedoch nicht, dass das Potenzial ausgereizt wäre. Einige Punktverluste, nicht nur in Cloppenburg, waren mangelnder Cleverness geschuldet und müssten bei einem entsprechenden Lerneffekt in der Rückrunde auszumerzen sein. Insbesondere die 0:1-Niederlagen beim Schlusslicht SC Victoria und zu Hause gegen Braunschweig stachen negativ hervor.

Was der Eintracht fehlt, ist vielleicht ein bisschen mehr „Gerdes-Wurpts“ in Person eines ähnlichen Akteurs, der auf Regionalliga-Niveau bereits fest etabliert ist. Im Optimalfall hätte Trainer Seeliger gerne Verstärkungen in Abwehr, Mittelfeld und Angriff. Gerade in der Innenverteidigung besteht Handlungsbedarf, da Miroslav Stepanek zum Jahresende in seine tschechische Heimat zurückkehrt.

Ob alle Wünsche zu realisieren sind, könnte sich vielleicht schon bis zum Trainingsstart (3. Januar), spätestens aber bis zum 8. Februar herausstellen. Dann beginnt Teil zwei der Regionalliga für Norderstedt sogleich mit einem Heimspiel gegen den Spitzenreiter, die U23 des VfL Wolfsburg.