Ju-Jutsu-Kämpfer Tim Weidenbecher wird nach einjähriger Verletzungspause U21-Weltmeister, sein Vereinskamerad Leon Wehowsky (U18) holt Bronze

Norderstedt. Maschinen haben Tim Weidenbecher schon immer fasziniert. Um zu verstehen, wie sich Technik, Kraft und Ausdauer kombinieren lassen, studiert er seit Oktober Schiffbau an der Technischen Universität in Harburg. Dieser Studiengang ist dem 19-Jährigen eigentlich wie auf den Leib geschrieben, denn er selbst verkörpert in seinem Sport, dem Ju-Jutsu, erfolgreich die Mischung aus Power und Präzision.

Mit diesen Eigenschaften hat es Tim Weidenbecher, der seit zehn Jahren Kampfsport betreibt und für den Norderstedter Verein Kodokan startet, 2009 in der Altersklasse U18 zu WM-Gold und 2011, als Neuling der U21-Klasse, zur Vizeweltmeisterschaft gebracht. 2010 wurde er zudem U18-Europameister. Zu diesen beachtlichen Erfolgen hat sich mit dem ersten Platz bei der U21-Weltmeisterschaft in Bukarest nun ein weiterer Titel gesellt. Wie viel Arbeit und Disziplin hinter dem jüngsten Triumph steckt, wird beim Blick auf die Krankenakte des Youngsters klar.

Rückblende: Tim Weidenbecher steht im Halbfinale der Deutschen Meisterschaften 2012, macht mit dem linken Bein einen Ausfallschritt nach vorne. Plötzlich knackt es im Knie; Weidenbecher nimmt dies zur Kenntnis, kämpft aber weiter und gewinnt anschließend sogar das Finale – ein Pyrrhussieg. „Drei Stunden später war das Gelenk dick. Ich hatte mir einen Kreuzbandriss zugezogen.“

Nach der Operation musste der damalige Abiturient des Gymnasiums Harksheide acht Wochen lang auf Krücken laufen. Danach begann die lange Phase der Rehabilitation.

Die Verletzung hatte auch Auswirkungen auf seine Aktivitäten außerhalb des Dojos. „Eins meiner Abitur-Prüfungsfächer war Sport. Da ich aber den praktischen Teil nicht machen konnte, musste ich umstellen und habe dann Wirtschaft und Politik genommen. Das war nicht so doll“, so Tim Weidenbecher, der seinen Schulabschluss trotzdem ohne größere Probleme schaffte und mit der Note 2,5 auch einigermaßen zufrieden war.

Im Mai kehrte der Norderstedter dann ins Ju-Jutsu-Training zurück. „Am Anfang hatte ich schon Angst, mich wieder zu verletzen. Aber irgendwann habe ich dann wieder Vollgas gegeben. Das geht auch gar nicht anders“, sagt der zweifache Weltmeister. An den Deutschen Meisterschaften im Juni nahm er allerdings vorsichtshalber nicht teil, das Verletzungsrisiko war ihm zu groß. „Ich hatte mich eh schon für die WM qualifiziert, deshalb konnte ich in Gelsenkirchen pausieren.“

Den nötigen Leistungsnachweis lieferte Tim Weidenbecher dann bei den Internationalen German Open in Hohenmölsen, wo er den Sieg in der Gewichtsklasse bis 94 Kilogramm holte. Bei den Duellen in Rumänien spielte Tim Weidenbecher seine ganze Routine in den drei Kampfbereichen Karate, Bodenkampf und Judo aus. Das Finale gegen den Kroaten Filip Culo gewann der 1,88 Meter große und 89 Kilogramm schwere Kodokaner nach Punkten. „Ich habe taktisch gekämpft, denn ich lag immer vorne und musste kein Risiko eingehen. Wenn er zwei Zähler gemacht hat, habe ich eben ein paar mehr gemacht“, so Weidenbecher, der sogar zwei Verwarnungen wegen Inaktivität in Kauf nahm.

Mit jahrelanger Erfahrung konnte sein Trainingskamerad Leon Wehowsky in Bukarest nicht aufwarten. Der 16-Jährige, der erst seit 2009 regelmäßig trainiert, verkaufte sich bei seinem WM-Debüt dennoch hervorragend und gewann die Bronzemedaille in der mit 23 Startern äußerst stark besetzten Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm.

Im Halbfinale unterlag der Norderstedter dem Russen Egor Kiselev; Wehowsky gewann dann aber in der Trostrunde den Kampf um Platz drei nach Punkten gegen den Österreicher Christoph Kellner.

Kodokan-Chefcoach Stefan Jacobs, der an diesem Donnerstag seinen 53. Geburtstag feiert, hätte die Reisekosten in Höhe von mehreren Hundert Euro aus eigener Tasche zahlen müssen und war in Bukarest deshalb nicht vor Ort. Über den Erfolg seiner Schützlinge freute er sich sehr; er lobte nicht nur die beiden Medaillengewinner. „Einen großen Anteil am Erfolg hat auch unser Trainer Henry Grever. Tim hat mittlerweile viele Tricks gelernt. Und auch Leon hat sich in dem starken Feld prima verkauft. “

Jacobs, der neben seiner Tätigkeit als Vereinsvorsitzender und Chefcoach auch als schleswig-holsteinischer Landestrainer aktiv ist, kennt den jungen Kampfsportler nicht nur vom gemeinsamen Training in den Hallen in Norderstedt und Umgebung. Leon Wehowsky: „Ich gehe aufs Heidberg-Gymnasium und habe dort zweimal pro Woche Ju-Jutsu als Wahlpflichtfach. Den Unterricht macht Stefan.“