Kanan Safarov spielt nicht nur für die U19-Fußballer von Eintracht Norderstedt. Er ist auch aserbaidschanischer Junioren-Nationaltorhüter

Norderstedt. Es waren martialische Sätze, die Kanan Safarov und seine Teamgefährten vor dem Wettkampf anleiteten. „Wir sind bereit, unser Herz und Leben für Dich zu geben. Alle von uns können unser Blut für Dich geben“, heißt es in der 1920 erdichteten Nationalhymne von Aserbaidschan. Übersetzt in die Gegenwart: Wer sein Land repräsentiert, wird zu einem anderen Menschen. Safarov kennt das Gefühl, wenn auch in friedlicher Mission. Unter sporthistorischen Gesichtspunkten war das 1:1 zwischen den U19-Auswahlteams von Estland und Aserbaidschan vor offiziell nur 92 Zuschauern in Tallinn eine Randnotiz, für den Torhüter der U19 von Eintracht Norderstedt aber nichts anderes als das erste große Highlight einer noch jungen Karriere.

Kanan Safarov ist nicht anzusehen, dass er ein Privileg genossen hat. Der 18-Jährige, 1,89 Meter groß, ist ruhig, bodenständig, spricht mit Bedacht. „Im Spiel bin ich ein lauter Torwart“, sagt er allerdings. Was er noch ist: der einzige Akteur seiner Mannschaft, der in diesem Kalenderjahr ein Länderspiel bestreiten durfte.

Der Weg dahin war zumindest ein Stück weit vorgezeichnet. Seine Familie zog von Baku nach Hamburg, da war Kanan acht Jahre alt. „Wir sind nach Deutschland gekommen, weil wir hier ein besseres Leben haben würden.“ Dieser Wunsch ist eingetroffen. Parallel brachte ihm sein Vater Natig die Grundlagen der Torwart-Kunst bei. „Zuerst habe ich nicht in einem Verein gespielt, sondern mit meinem Vater privat trainiert. Er selbst war ein guter Torwart, hat 1989 in der aserbaidschanischen Premier League bei Fahlasi Baku gespielt.“ Sein Fachwissen gibt Natig Safarov nun an Kanan weiter. „Dass ich soweit gekommen bin, habe ich meinem Vater zu verdanken.“

Über dessen Kontakte zum Verband AFFA wurde der Sohn überhaupt erst zu einem Lehrgang eingeladen, auch heute noch gelangen Informationen über Kanans sportliche Entwicklung nach Baku. Ansonsten geschieht der Umgang via E-Mail. Wobei etwas unklar ist, wie die Fortschritte des Talents aus 4000 Kilometer Entfernung konkret eingeschätzt werden können. „Im Internet gucken die, ob ich Spiele absolviere“, sagt Kanan.

Gespräche etwa mit dem Norderstedter Jugendkoordinator und U19-Coach, Ekkehard Bushe, gibt es hingegen nicht. Der Club wird dafür schriftlich benachrichtigt, wenn der Spieler abgestellt werden soll.

Auf Hamburger Ebene wurde Kanan bereits etwas früher, in seiner ersten Saison als B-Jugendlicher, entdeckt. Noch im Trikot von Altona 93 traf er auf Eintracht Norderstedt. „In dem Spiel sah ich nicht schlecht aus.“ Trainer in Garstedt damals: Diamantis „Aki“ Cholevas, dessen Sohn Matthias zudem dieselbe Schule besuchte wie Kanan. „Sie haben mir dann angeboten, dass ich für Eintracht spielen könnte.“

Allerdings musste er Geduld beweisen. Denn sowohl bei der U17 als auch im folgenden ersten Jahr für die A-Junioren war Kanan lediglich zweite Wahl. Somit hatte er kaum Praxis und dachte ernsthaft über einen Vereinswechsel nach. Ekkehard Bushe stimmte ihn letztlich um. „Du bist auf einem guten Weg, meine Nummer eins zu werden“, sagte er dem Keeper in diesem Sommer. Das war für Kanan der Ansporn, mittlerweile ist er gesetzt.

2014 wird er gleichwohl zu alt sein für den Nachwuchsfußball. Für Torhüter ist der Übergang in den Herrenfußball kompliziert. Gerade die Stammplätze zwischen den Pfosten sind oftmals früh vergeben, ein 19-Jähriger bekommt gerade in höheren Klassen selten das Vertrauen.

Ekkehard Bushe erklärt die Problematik. „Die Frage ist: Was erwartet ein Torwart von seiner ersten Herrensaison? Ist es ihm wichtig, zu spielen, egal auf welchem Niveau, egal in welchem Verein? Oder ist er auch bereit, sich ins zweite Glied zu stellen und zu lernen?“

Ähnlich sieht es Bushes Assistent und Torwarttrainer. Dirk Heyne kennt das Geschäft bestens, er war von 1977 bis 1994 Profi beim 1. FC Magdeburg und bei Borussia Mönchengladbach, bestritt neun A-Länderspiele für die DDR. „Kanan hat sich entwickelt und spielt eine sehr gute Saison. Was ihm fehlt, ist Wettkampfpraxis in wichtigen Spielen.“ Ob Kanan die Voraussetzungen für den bezahlten Fußball erfüllt, sei zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. „Mitte der Rückrunde kann man Rückschlüsse ziehen. Wichtig ist, dass er als junger Torwart immer spielt. Durchsetzen muss er sich aber überall.“

So auch in Aserbaidschan. Kanan Safarov hatte indes im Herbst Pech. Für die EM-Qualifikation war er als einer von drei Torhütern nominiert, alle sollten zum Einsatz kommen. Doch der Verband hatte übersehen, dass stets nur zwei Keeper im Kader sein durften, dessen Zusammensetzung zudem zwischen den Partien nicht verändern werden konnte. Somit sah Kanan zu, wie Aserbaidschan gegen Irland (0:2) und Schweden (1:5) verlor.

Im nächsten Jahr muss er sich für die U21 anbieten, wo er aber eine Perspektive sieht. „Ich denke, dass ich da mithalten könnte.“ Unbedingt nötig wären regelmäßige Einsätze. Eine Rückkehr in die Heimat ist keine Option, auch wenn der Spitzenclub Qarabag Agdam bereits lose angefragt hat. „Ich möchte lieber in Deutschland leben.“