Norderstedt verfiel ins Volleyballfieber, als Klaus Wegner und Thomas Broscheit mit dem SCN die Bundesliga erreichten

Norderstedt. Kaum eine Mannschaft hat in der noch jungen Stadtgeschichte so viel Begeisterung entfacht, wie einst die Volleyballer des 1. SC Norderstedt. Im Jahr 1983, also vor 30 Jahren, starteten sie in das Abenteuer Bundesliga – mit einem Spiel gegen den mehrfachen Deutschen Meister HSV.

Schon im Vorfeld des Derbys hatte sich ein enormer Andrang abgezeichnet. Kartenbestellungen von der dänischen Grenze bis nach Niedersachsen trudelten in der SCN-Geschäftsstelle ein, die Zeitungen berichteten großformatig. Erst kurz vor Saisonbeginn war die zu ihrer heutigen Größe ausgebaute Moorbekhalle eröffnet worden, fasste nun offiziell 1.500 Zuschauer.

Doch SCN-Trainer Günter Blume war das nicht genug: „Wir lassen alle Besucher ein“, verkündete er in der Norderstedter Zeitung, „und wenn die letzten auf der Trainerbank sitzen müssen.“ Am Ende waren gut 2.700 Fans in der Halle, die Hälfte von ihnen auf der eigentlich nur für 900 Personen zugelassenen Teleskoptribüne.

Derjenige, der heute für die Vergabe der Moorbekhalle zuständig ist, schmunzelt, wenn er an die Zeit zurückdenkt. Thomas Broscheit, 56, Sachbearbeiter im Amt für Schule, Sport und Kitas, stand damals gegen den HSV auf dem Feld, war einer der umjubelten Stars der Truppe. „Es war eine unheimliche Begeisterung“, erinnert er sich, „die mit dem Team mitgewachsen ist.“ Bereits 1976, nur zwei Jahre nachdem Peter von Pogany die Volleyballabteilung im 1. SCN auf die Beine gestellt hatte, begann der Höhenflug.

Unter CSSR-Nationalspieler Tonda Mozr als Spielertrainer stieg die Mannschaft zunächst in die viertklassige Landesliga auf. Von den Ambitionen des Clubs angezogen, wechselten nun weitere Spitzenspieler nach Norderstedt, unter ihnen der 28-fache Nationalspieler Klaus Wegner. Wie Broscheit kam er vom Hamburger SV, wo die beiden jeweils zwei Deutsche Meisterschaften und Pokalsiege gefeiert hatten.

Auch Wegner erinnert sich noch an die Atmosphäre in der Moorbekhalle oder im Schulzentrum Süd, wo der SCN bis zum Bundesligaaufstieg spielte. „Das treibt nach vorn“, sagt er heute, „wenn Du noch in der Auszeit von der Tribüne aus angefeuert wirst.“ Als enthusiastisch, aber auch nicht immer fair galt das Norderstedter Publikum in der Volleyball-Szene. Da gab es nach vermeintlich falschen Schiedsrichter-Entscheidungen schon mal lautstarke Pfeifkonzerte oder „Schieber“-Rufe aus Tausend Kehlen. Vor allem aber wurde das eigene Team nach vorne gepeitscht, etwa mit „Hamster, Hamster“-Sprechchören, die dem heute 62jährigen Wegner galten. Bereits im Jugendalter hatte er sich diesen Spitznamen erworben – wegen seiner Vorliebe für Erdnüsse.

Neben „Hamster“ ist auch Laszlo Buzek noch heute vielen Norderstedtern ein Begriff. Der Wechsel des 2,03 Meter großen Außenangreifers von Ungarns Meister Csepel SC Budapest zum frischgebackenen Zweitligisten war 1982 eine Sensation. Immerhin hatte Buzek 266 Länderspiele für die ungarische Nationalmannschaft absolviert, war lange deren Kapitän und galt als einer der besten Volleyballer Europas.

In der 2. Liga konnte er mit wuchtigen Schmetterbällen Spiele fast alleine entscheiden, seine Sprungangaben waren legendär. Und dann war da noch Günter Blume, der Erfolgstrainer. Wo er war, waren Erfolg und Konflikt nicht weit auseinander. Schon seine Verpflichtung begann mit einem Paukenschlag: Sechs Spieler rebellierten gegen den Trainer, weigerten sich, unter Blume zu spielen.

Weil er zuvor auch beim HSV trotz sportlicher Erfolge gehen musste, war für ihn jede Partie gegen die Hamburger von besonderer Brisanz: Als er 1981 mit dem SCN im Hamburger Pokalfinale erstmals wieder auf seinen „Ex“ traf, heizte er vor dem Spiel die Emotionen an, zitierte immer wieder das, was HSV-Kapitän Klaus-Peter Weinhold gesagt haben soll: „Nicht für einen von denen aus Norderstedt hätten wir in unserer Mannschaft Platz“.

Das Ende vom Lied war ein Triumph Blumes: Über 1.000 Fans in der hoffnungslos überfüllten Sporthalle Müssenredder feierten ein 3:2 gegen den haushohen Favoriten aus Hamburg.

Zum Auftakt der Bundesliga-Punktrunde 1983/84 war der 1. SC Norderstedt allerdings nicht so erfolgreich. Glatt mit 0:3 (6:15, 11:15, 12:15) unterlag man dem HSV, selbst Buzek war gegen den herausragenden Block der Hamburger machtlos. Unmittelbar nach dem Spiel wurde Blume seinem Ruf gerecht, schmiss kurzerhand zwei Spieler aus dem Team, darunter Frank Koch, den er einst selber zum SCN geholt hatte. Überhaupt verlief die Saison ernüchternd: Mit 10:26 Punkten stieg man am Ende wieder aus Liga eins ab und geriet bei den Norderstedtern nach und nach in Vergessenheit.

Obwohl dem Club noch drei Mal der Sprung in die höchste Spielklasse gelang, an die Euphorie der ersten Jahre konnte nicht wieder angeknüpft werden. Heute schmettern die Männer des 1. SC Norderstedt in der Bezirksliga gegen Kontrahenten wie die dritte Mannschaft des VG Elmshorn oder den SV Baltika – der 1996 von Broscheit gegründete 1. VC Norderstedt behauptet sich dagegen immerhin in den oberen Tabellenregionen der 3. Liga Nord.