Ju-Jutsu-Kämpfer Axel Walter wird in Walldorf Vize-Europameister in der Gewichtsklasse bis 62 Kilogramm.

Norderstedt. Sind Blutegel ein Fall für die nationale Dopingagentur Nada? Mit dieser Frage musste sich Ju-Jutsu-Kämpfer Axel Walter (Kodokan Norderstedt) in den vergangenen Wochen gezwungenermaßen beschäftigen. Der Grund: Einen Monat vor Beginn der Europameisterschaften im baden-württembergischen Walldorf war der 29-Jährige beim Bundeskader-Abschlusstraining umgeknickt und hatte sich einen Außenbandanriss im rechten Sprunggelenk zugezogen.

Der Traum, in der Gewichtsklasse bis 62 Kilogramm erstmals für das Nationalteam bei einer internationalen Meisterschaft starten zu dürfen, drohte zu platzen. Doch dann kam die rettende Idee. "Meine Freundin Nadine ist Reiterin. Im Pferdesport wird bei ähnlichen Blessuren oft mit Blutegeln gearbeitet. Ich habe dann vorsichtshalber bei der Nada nachgefragt, ob das legal ist", so Axel Walter.

Nachdem sich der in Osnabrück wohnende Sozialarbeiter abgesichert hatte, setzte er sich vier kleine Würmer auf das geschwollene Gelenk. Die bissen sich fest und fingen kräftig an, Blut zu saugen. Walter: "Anfangs sind die Egel ganz klein, nach einer Stunde dann aber mindestens zehn Zentimeter lang." Ein zweites Mal werden die glitschigen Helfer übrigens nicht verwendet. Die gezüchteten Tierchen landen nach ihrem Einsatz entweder im Gefrierfach oder werden in hochprozentigem Alkohol ertränkt.

Axel Walters Egeltherapie verlief erfolgreich. "Eineinhalb Wochen später war ich schon wieder schmerzfrei." Die Zwangspause direkt vor den Europameisterschaften nagte allerdings an seinem Selbstbewusstsein. Mentale Unterstützung bekam er von seinem Trainer Stefan Jacobs. "Wir haben sehr viel telefoniert. Am wichtigsten war für mich, Axel Handlungssicherheit zu geben. Entscheidend ist, dass alle Bausteine zusammenpassen", so Jacobs.

Die Aufbauarbeit hatte den gewünschten Effekt, sein Schützling präsentierte sich bei der EM in Topform. "Axel war sehr gut vorbereitet", stellte Stefan Jacobs fest.

"Nachdem ich in der ersten Runde den Spanier Javier Francisco Garcia besiegt hatte, wusste ich, dass ich eine Medaille gewinnen kann", sagte Axel Walter. Die nächsten beiden Kämpfe gegen den Aserbaidschaner Vugar Jafarov und Maksym Heraskin (Ukraine) gewann er vorzeitig - der Kodokaner setzte sich in allen drei Teilbereichen per Ippon durch. Im Finale war gegen den Russen Pavel Korzhavykh allerdings kein Kraut gewachsen. Nach drei Minuten triumphierte Korzhavykh deutlich mit 17:3 Punkten. Axel Walter: "Im ersten Moment war ich enttäuscht. Aber als ich dann die Medaille in der Hand hielt, war ich doch glücklich."

Stefan Jacobs: "Platz fünf wäre in Ordnung gewesen, Rang drei hätte ich klasse gefunden, aber die Silbermedaille ist einfach nur bombastisch. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Axel erst vor drei Jahren zu uns gekommen ist."

Tatsächlich begann die Ju-Jutsu-Karriere des Osnabrückers erst 2010. Vorher war er Mitglied des Hamburger Judoteams und kämpfte in der Bundesliga. Walter: "Ein Bekannter von mir, der bei Kodokan aktiv war, schlug mir vor, doch mal Ju-Jutsu auszuprobieren. Anfangs war das nur eine Schnapsidee. Ich habe dann aber schnell angefangen, Wettkämpfe zu bestreiten und bin auf Anhieb Fünfter bei der DM geworden."

Defizite hatte er zunächst vor allem beim Schlagen und Treten. "Da musste ich doch eine Menge einstecken und sah nach meinen Kämpfen ganz schön ramponiert aus", so der amtierende nationale Champion.

In zwei Wochen finden in Gelsenkirchen die Deutschen Meisterschaften der Altersklassen U18 und U21 sowie der Männer und Frauen statt. Kodokan wird mit 15 Aktiven vertreten sein. Ob Axel Walter teilnimmt, ist allerdings noch fraglich. "Die EM war der absolute Höhepunkt für mich. Darauf habe ich hintrainiert. Ob ich mich für die DM vernünftig motivieren kann, weiß ich momentan noch nicht."