Im Optimalfall können die Fußballer von Eintracht Norderstedt heute mit einem Sieg gegen den Brinkumer SV in die Regionalliga aufsteigen.

Norderstedt. Thomas Seeliger hat schon viele vermeintliche Helden tief fallen sehen. Über 300 Einsätze als Spieler im Profifußball hat der heutige Trainer von Eintracht Norderstedt in seiner Vita stehen; darunter waren nicht nur Erfolge, sondern eben auch bittere Niederlagen. Was diese Erfahrung für seine jetzige Mannschaft bedeutet, macht der 46-Jährige unzweifelhaft klar. "Es gibt überhaupt keinen Anlass, überheblich zu werden."

Sein Team war nach dem 1:0 im ersten Match der Aufstiegsrunde zur Regionalliga Nord gegen Lupo-Martini Wolfsburg mit breiten Schultern und gelöster Stimmung vom Rasen gegangen. Die Spieler ließen sich von Zuschauern beglückwünschen, es gab viel Anerkennung für das hervorragende Resultat, ein Küsschen hier, eine Umarmung dort. Doch mit dem Lob kommt die Verpflichtung - jetzt hat die Eintracht eine gute Ausgangslage, die verteidigt werden muss. Oder anders gesagt: Die bisher erreichten drei Punkte werden nicht zum Aufstieg genügen.

Im Optimalfall könnte die Entscheidung gleichwohl schon an diesem Dienstag fallen. Die Rechnung ist einfach: Norderstedt muss die Partie auf neutralem Platz gegen den Brinkumer SV (19.30 Uhr, Kehdinger Stadion, Drochtersen) gewinnen, dazu darf Wolfsburg in der Parallelbegegnung gegen den SV Eichede maximal Remis spielen; dann wäre die Eintracht aufgestiegen.

Nach Eindruck diverser Beobachter bestätigte der Brinkumer SV beim 1:3 im Duell mit Eichede die Einschätzungen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit. "Schleswig-Holstein-Liga, mittleres Niveau", heißt es. "Ich will mich nicht der Meinung anschließen, dass Brinkum die schwächste Mannschaft der Gruppe ist", entgegnet Thomas Seeliger. "Unser Gegner hat in der Bremen-Liga 58 Punkte erreicht und muss eine gewisse Qualität haben. Wir dürfen keinen Millimeter nachlassen."

Doch bei aller verständlichen Zurückhaltung gibt es mehrere Indizien, die dafür sprechen, dass Eintracht Norderstedt gut für einen womöglich historischen Dienstagabend gerüstet ist. So haben die Garstedter sich selbst, aber auch ihren Kritikern bewiesen, dass sie sehr wohl Spitzenspiele gewinnen können. Zum Vergleich: In der Oberliga gelang in zehn Partien gegen Kontrahenten aus dem oberen Drittel der Abschlusstabelle lediglich ein Sieg. Und das 7:0 über den SC Condor war eher eine Ausnahme, die die Regel bestätigte.

Die Leistung zum Start der Aufstiegsrunde war in diesem Sinne eine Premiere zum bestmöglichen Zeitpunkt: Das Team hielt eine knappe Führung, die Defensive war konzentriert, die Punkte blieben an der Ochsenzoller Straße. "Es waren ja immer wieder Stimmen aufgekommen, die gesagt haben, wir wären in wichtigen Spielen nie erfolgreich. Gegen Wolfsburg sind wir an der Aufgabe gewachsen. Jetzt haben wir bewiesen, dass wir es können. Es war nicht damit zu rechnen, dass wir zum Auftakt der Aufstiegsrunde den niedersächsischen Vizemeister bezwingen", so Thomas Seeliger.

Andererseits schien die Eintracht besser vorbereitet zu sein und zudem auch körperlich Vorteile zu haben. Die für viele Gegner ungewohnte 3-5-2-Formation hat sich bewährt und wurde zuletzt mit hohem Laufpensum von allen Feldspielern umgesetzt.

Auch von Steven Lindener. Der Club lag in sportlicher Hinsicht richtig, wieder ein professionelles Arbeitsverhältnis mit dem eigentlich schon unehrenhaft verabschiedeten 22-Jährigen herzustellen.

Seeliger, vor Wochen noch sauer auf Lindener nach dessen gescheiterter Vertragsverlängerung, hat seinen Frieden mit der Situation rund um den hochveranlagten Linksfuß gemacht und nimmt das Zerwürfnis sogar mit Humor. "Steven hat ja nur ein bisschen Urlaub gemacht. Wir müssen jetzt keinen kalten Kaffee mehr aufwärmen." Sowieso ginge es nun um den Verein und nicht mehr um persönliche Animositäten. Der Begnadigte selbst sieht es ähnlich pragmatisch: "Mit dem Team hatte ich nie ein Problem. Das lief wie immer."

Für Ivan Sa Borges Dju lief es hingegen sogar um einiges besser als sonst. Schließlich hatte der Angreifer die Saison zuvor eher als Edeljoker verbracht. Sein Abschied zum SV Curslack-Neuengamme schien festzustehen, doch das war vor dem vielumjubelten Siegtor gegen Lupo-Martini.

Thomas Seeliger hatte auf der Pressekonferenz viele warme Worte für den Portugiesen parat und wollte keinesfalls ausschließen, dass der in der Mannschaft beliebte Sa Borges Dju doch über den Sommer hinaus bei der Eintracht bleiben könnte. Dass sich die Verantwortlichen mündlich mit dem Oberliga-Torschützenkönig Jan Lüneburg (FC Elmshorn) mittlerweile über einen Wechsel einig sind, verdeutlicht aber wiederum, dass in Garstedt stets mehrgleisig geplant wird.

Es bleibt abzuwarten, ob der Aufstieg in die Regionalliga tatsächlich am Dienstag gelingt oder am Sonnabend beim SV Eichede ein Finale steigt. Am vergangenen Sonnabend wurde übrigens Willi Reimann im Edmund-Plambeck-Stadion gesichtet. Langjährige Begleiter der hiesigen Fußballszene werden sich erinnern: Der heute 63-Jährige coachte 1993 den damaligen 1. SC Norderstedt in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga. Die Außenseitertruppe war ein Sympathieträger, verpasste aber den Coup. Die Eintracht als Nachfolgeverein der ehemaligen SCN-Fußballsparte hofft nun, dass sich Geschichte in diesem Punkt nicht wiederholt...