Wolfgang Woelky, 74, lässt sich bei der EM der Gewichtheber auch von einem schmerzhaften Fehltritt nicht beirren

Norderstedt. Wolfgang Woelky war sauer. So sauer, dass er sich in die Fluten des Ägäischen Meeres stürzte. Der Grund für seinen Zorn: Bei den Europameisterschaften der Gewichtheber in Kusadasi (Türkei) waren die Startlisten fehlerhaft. Der 74-jährige Norderstedter stand schon auf der Waage und wollte danach in der Gewichtsklasse plus 105 Kilogramm seinen ersten Versuch im Reißen absolvieren. "Da merkte ich, dass auf der Liste die falschen Gegner standen. Das war gar nicht meine Altersklasse. Mein Wettkampf fand erst zwei Tage später statt", so Woelky.

Der Frust war groß, das Bad im Mittelmeer - in der Türkei herrschten Außentemperaturen bis 30 Grad - sollte Abkühlung bringen. "Leider bin ich auf einen mit Muscheln behafteten Stein getreten und habe mit den großen Zeh am rechten Fuß aufgeschlitzt." Die Wunde wollte einfach nicht heilen. "Der Riss ist immer wieder aufgeplatzt und blutete wie Sau", berichtet der Senioren-Europameister von 2011. Schließlich griff der gelernte Schiffsmaschinenbauer zu einem ungewöhnlichen Hilfsmittel. "Ich habe mir von einem Handwerker aus dem Hotel Sekundenkleber geliehen und den Riss am Zeh damit verschlossen. Das hat gehalten."

Mit der neuen "Pattex-Power" ging Wolfgang Woelky, der für den Hamburger Traditionsverein SK Hansa Germania startet, zwei Tage nach dem unglücklichen Zwischenfall im Meer in den Wettbewerb. Die Konkurrenz war inzwischen von ursprünglich neun Kandidaten auf lediglich einen Gegner geschrumpft. "Einige hatten sich kurzfristig entschlossen, in einer niedrigeren Gewichtsklasse zu starten. Der Schwede Alim Bo trat gar nicht erst an, und ein weiterer Sportler zog sich beim Aufwärmen eine Zerrung zu."

Am Ende kam es zum Duell Wolfgang Woelky gegen Erich Figge (OSC Vellmar). Zunächst standen drei Versuche im Reißen an. Woelky musste nicht nur sein Einstiegsgewicht mit Bedacht wählen, sondern auch das Potenzial seines Gegners einschätzen. Im Reißen gab es keinen Sieger, beide bewältigten 67 Kilogramm. Das Stoßen musste die Entscheidung bringen. Woelky ging mit seinem kaputten Zeh auf Nummer sicher und ließ es ruhig angehen. Ein Sicherheitsversuch mit 82 Kilogramm stand zu Buche - sein Kontrahent hatte ein Kilogramm mehr auf der Stange. Im zweiten Versuch ließen beide Finalisten 85 Kilogramm auflegen. "Ich wusste, dass Erich da schon an seine Grenzen geht", so Woelky. Während der Norderstedter gleich beim ersten Versuch erfolgreich war, scheiterte Figge zweimal. Woelky brachte noch den dritten Durchgang - 87 Kilogramm - erfolgreich über die Bühne und sicherte sich so mit einer Gesamtleistung von 154 Kilogramm den Europameistertitel in der Altersklasse 8.

2014 wechselt Woelky in die nächste Altersklasse. Dann will er sich noch einen weiteren Traum - die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft - erfüllen. "Die WM findet in Kopenhagen statt. Dort möchte ich unter die besten Drei kommen", lautet Woelkys Ziel. Bis es soweit ist, macht der Pensionär aber erst einmal Pause. "Ich kann kein Eisen mehr sehen", sagt der Kraftsportler. Statt Gymnastikraum ist nun Segeln und Radeln angesagt.

Wer Lust hat, Gewichtheben einmal auszuprobieren, kann sich direkt bei Wolfgang Woelky, dem Vorsitzenden des SK Hansa Germania, unter der Telefonnummer 040/522 27 94 melden. Trainiert wird beim Bramfelder Kraftsportverein im Osterbekweg.