Volker Paul, Trainer der Drittliga-Handballfrauen des SV Henstedt-Ulzburg, hat in der Saison 2012/2013 eine Mannschaft mit Perspektive geformt

Im Gegensatz zu den Zweitliga-Handballern des SV Henstedt-Ulzburg, die verzweifelt um den Klassenerhalt kämpfen und am Sonnabend, 8. Juni, in der Norderstedter Moorbekhalle ihr letztes Punktspiel gegen den ThSV Eisenach bestreiten, befindet sich die SVHU-Frauenmannschaft nach einer kräftezehrenden Saison bereits in der Phase der aktiven Regeneration.

Das Team von Trainer Volker Paul hat die Punktrunde als Tabellenvierter der 3. Liga Ost abgeschlossen und krönte die Spielzeit mit dem Sieg beim Final Four, der schleswig-holsteinischen Pokalendrunde.

Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt lässt Paul, der seit Juni des vergangenen Jahres im Amt ist, die Serie 2012/2013 noch einmal Revue passieren und wagt zudem einen Blick in die Zukunft.

Hamburger Abendblatt:

Herr Paul, wie lebt es sich denn so als Trainer des schleswig-holsteinischen Pokalsiegers?

Volker Paul:

Ich kann nicht klagen. Wir haben nach dem überraschend deutlichen 28:20-Finalerfolg gegen den TSV Owschlag für unsere Leistung von vielen Seiten ein positives Feedback bekommen. Dass unter den Schulterklopfern auch neutrale Beobachter waren, freut mich natürlich sehr.

Mal ehrlich: Was hätten Sie darauf erwidert, wenn man Ihnen bei Ihrem Amtsantritt im Juni 2012 prophezeit hätte, dass der SV Henstedt-Ulzburg im Endspiel des Final Four gegen Owschlag klar die Oberhand behält?

Paul:

Vermutlich nicht viel, zum damaligen Zeitpunkt hätte ich das nicht für möglich gehalten.

Welche Bedeutung hat der Triumph in Altenholz für die weitere Entwicklung Ihrer Mannschaft?

Paul:

Der Pokalsieg hat uns einen großen Schritt nach vorn gebracht. Die Spielerinnen haben gemerkt, dass sie Stresssituationen gewachsen sind und auch unter Druck ihr Potenzial abrufen können. Eine weitere wichtige Erkenntnis: Wir haben als Kollektiv gewonnen, in Henstedt-Ulzburg ist das Team der Star. Ich denke, dass mittlerweile auch die letzten Zweifler davon überzeugt sind, dass unser Rotationsprinzip, gegen das es zunächst doch den einen oder anderen Vorbehalt gab, ein Erfolgsmodell ist.

Wie fällt ihr sportliches und persönliches Fazit für die Serie 2012/2013 aus?

Paul:

Wir haben in der 3. Liga Ost unser sportliches Ziel erreicht, ich bin mit dem vierten Platz in der Abschlusstabelle zufrieden. Persönlich habe ich wieder einmal festgestellt, dass es ein großer Unterschied ist, ob man eine Männer- oder eine Frauenmannschaft trainiert. Es dauert wesentlich länger, um mit Frauen auf ein höheres Niveau im Athletik- und Technikbereich zu kommen. Dafür arbeiten sie in den Übungseinheiten sehr konzentriert und akribisch mit.

Wie schwer wiegt der Verlust von Rückraumspielerin Sabrina Wrage, Kreisläuferin Ann Kathrin Skubich und Vielzweckwaffe Rabea Dieckmann, die künftig nicht mehr zur Verfügung stehen?

Paul:

Alle drei haben auf ihren Positionen Akzente gesetzt. Bine und Anni werden uns vor allem in der Abwehr fehlen, sie waren in der Defensive ein gut eingespieltes Team.

Wo hat der SV Henstedt-Ulzburg die größten Leistungssprünge gemacht?

Paul:

Die Mannschaft hat sich vor allem im Athletikbereich kontinuierlich weiterentwickelt. Das ist für mich keine große Überraschung, da ich zu Saisonbeginn Trainingsumfang und -intensität deutlich erhöht habe; das musste sich positiv bemerkbar machen. Wir befinden uns physisch inzwischen auf einem ganz anderen Level als noch vor einem Jahr. Dass das Team taktisch flexibler als noch in der Serie 2011/2012 ist, liegt an unserer neuen Grundausrichtung. Damals waren im Angriff viele Aktionen auf Tina Pejic zugeschnitten; inzwischen gibt es mehrere Spielerinnen, die auf dem Feld Ausrufezeichen setzen können.

Und wo gibt es noch Defizite?

Paul:

Vor allem im individuellen Angriffsverhalten, das hat sich beim mühsamen 30:27-Erfolg im Halbfinale des Pokalwettbewerbs gegen Oberliga-Club TSV Wattenbek wieder einmal bestätigt. Da haben wir uns zwar viele Chancen herausgearbeitet, beim Abschluss aber immer wieder falsche Entscheidungen getroffen. Und auch mit unserem Tempo bin ich trotz deutlicher Fortschritte noch nicht zufrieden. Im Vergleich zu Mannschaften mit Zweitliga-Niveau fehlen uns Dynamik und Passgeschwindigkeit. Allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass wir in den vergangenen Monaten vor allem die Abläufe im Angriff automatisiert haben. Da müssen andere Elemente zwangsläufig zurückstehen.

Der SV Henstedt-Ulzburg hat mit Ex-Junioren-Nationalspielerin Franziska Haupt von der SG Todesfelde/Leezen das größte Handballtalent der Region für die Drittliga-Saison 2013/2014 verpflichtet. Wie ist es Ihnen gelungen, die 20-Jährige, die beim TSV Travemünde und der SG Rosengarten Buchholz schon Zweitliga-Erfahrung im Erwachsenenbereich gesammelt hat, vom Wechsel zum SVHU zu überzeugen?

Paul:

Das liegt meiner Meinung am Gesamtpaket. Beim SV Henstedt-Ulzburg geht es trotz aller Leistungsorientierung immer noch familiär zu, darauf legt Franziska großen Wert. Wir spielen guten Drittliga-Handball, hinzu kommt der Standortvorteil. Franzi wohnt in Bark, von dort aus ist es nicht weit zum Training. Außerdem kennt sie Bente Maassen, Nina Schilk und Jennifer Knust noch aus ihrer Zeit in Travemünde - eine solche Konstellation erleichtert die Eingewöhnungsphase bei einem neuen Club ungemein.

Was erwarten Sie von Ihrem prominentesten Neuzugang?

Paul:

Mit einer Linkshänderin Franziska Haupt auf der rechten Rückraumposition kann der SV Henstedt-Ulzburg künftig ganz anders taktieren als bisher. Sie ist eine richtig gute Spielerin, das müssen wir ausnutzen.

Und wie schätzen Sie die beiden anderen Neuen, Janne Hübner, 18, und Svenja Glasewald, 24, ein?

Paul:

Janne, eine typische Allrounderin, kommt aus der Oberliga-A-Jugend des SV Tungendorf und hat im Training einen sehr guten Eindruck gemacht. Sie verfügt über ein Riesenpotenzial. Ich traue ihr zu, dass sie schnell Drittliga-Niveau erreicht. Svenja ist bisher für die HSG Heidmark in der Oberliga Niedersachsen aufgelaufen, spielt im Rückraum und hat nach Bente Maassen den zweithärtesten Wurf im Kader; ihr fehlt aber noch ein wenig die Dynamik für die 3. Liga.

Ist das Aufgebot des SV Henstedt-Ulzburg für die kommende Serie damit komplett? Gibt es noch Handlungsbedarf? Und falls ja, auf welchen Positionen?

Paul:

Aktuell laufen Gespräche; um optimal aufgestellt zu sein, brauchen wir noch eine Top-Kreisläuferin und eine zentrale Deckungsspielerin. Mir schwebt vor, mit einem 16er-Kader in die Vorbereitung zu starten und diesen später auf 14 Aktive zu reduzieren. Im Vergleich zur Saison 2012/2013 haben wir den Vorteil, dass wir bei Engpässen Personal aus der zweiten Mannschaft rekrutieren können, die in die Schleswig-Holstein-Liga aufgestiegen ist.

Stillstand bedeutet bekanntlich Rückschritt. Mit welchem Ziel geht der Tabellenvierte der Serie 2012/2013 in die neue Spielzeit?

Paul:

Unser Anspruch muss sein, in der 3. Liga ganz oben mitzuspielen. Ob es am Ende zum Aufstieg in die 2. Bundesliga reicht, hängt von mehreren Faktoren ab, auf die wir keinen Einfluss haben. Es bleibt abzuwarten, ob die Leistungsträgerinnen von Verletzungen verschont bleiben und ob es berufliche Veränderungen gibt.

Betrachtet man das Zuschauerinteresse, steht das Frauenteam mit etwa 100 Besuchern pro Partie klar im Schatten der Zweitliga-Männer, die bei ihren Heimspielen regelmäßig zwischen 600 und 800 Fans anlocken. Gibt es Ideen, wie sich ihre Crew künftig mehr Aufmerksamkeit verschaffen kann?

Paul:

Das Problem ist, dass die Strukturen der Frauenmannschaft nicht in Henstedt-Ulzburg, sondern in Kisdorf gewachsen sind. Wir werden uns deshalb in der Außendarstellung ein wenig von den SVHU-Männer abkoppeln, um in der Gemeinde und bei Sponsoren stärker als eigenständige Marke wahrgenommen zu werden.

Die Einteilung der Mannschaft in die Oststaffel der 3. Liga hat wegen der exorbitant langen Auswärtsfahrten bis in die Nähe der tschechischen Grenze bei Aktiven und Vereinsverantwortlichen für - diplomatisch ausgedrückt - Unverständnis gesorgt. Gibt es eine Chance, dass der SVHU demnächst in der Nordstaffel auflaufen darf?

Paul:

Nach jetzigem Stand der Dinge leider nicht. Der SV Henstedt-Ulzburg hat zwar diesen Wunsch geäußert, die zuständige Stelle der Deutschen Handball-Liga hat uns jedoch erneut in die Ostgruppe eingeteilt. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wir werden bis zum Staffeltag am 7. Juli alle Hebel in Bewegung setzten, um diese Entscheidung zu revidieren. Die Erfahrung aus dem vergangenen Jahr zeigt aber, dass man sich da nicht allzu große Hoffungen machen darf. Auch damals sind unsere Argumente nicht berücksichtigt worden.

Gibt es personelle Veränderungen im Umfeld des Teams?

Paul:

Ja, mein bisheriger Assistent Tim Bracklow steht künftig nicht mehr zur Verfügung. Er wird sich verstärkt um den Sports Store des SVHU kümmern. Teammanager Lukas David, der im Hintergrund viele Dinge rund um die Mannschaft regelt, macht aber weiter.

Momentan genießen die Spielerinnen ihre wohlverdiente Erholungspause. Wie sieht der Trainingsplan für die kommenden Wochen und Monate aus?

Paul:

Bis Ende Mai treffen wir uns ein- bis zweimal pro Woche und absolvieren ein lockeres Programm. Im Juni gibt es dann komplett Handballfrei; jede Spielerin bekommt jedoch als Hausaufgabe einen individuellen Fitness-Plan, den es bis zum Trainingsauftakt am 16. Juli abzuarbeiten gilt.

Vorläufige Staffeleinteilung der 3. Liga Ost für die Saison 2013/2014

SV Henstedt-Ulzburg, Buxtehuder SV II, TSV Owschlag, TSV Travemünde, TSG Wismar, SV Brandenburg-West, Rostocker HC, SV Grün-Weiss Schwerin, Frankfurter HC II, MTV Altlandsberg, Berliner TSC, HC Salzland 06, SHV Oschatz, HC Leipzig II.