Der 19 Jahre alte Trappenkamper tritt im März bei der U-21-Europameisterschaft in Bor/Serbien für Deutschland an.

Trappenkamp. Robin Otto, 19, war sofort begeistert, als er im Fernsehen erstmals die Sportart sah, die auf grünem Boden stattfindet, die von spannenden Szenen geprägt ist und von charismatischen Stars, die elegant die Bälle versenken. Er wollte die Faszination selbst erleben, wollte lernen, wie die Tricks funktionieren und tagein, tagaus üben, um selbst einmal zu den Besten zu gehören. Nur - und jetzt kommt die Überraschung: Der Trappenkamper kann mit Fußball nicht viel anfangen.

Er spielt und denkt stattdessen Snooker. Seit seinem zehnten Lebensjahr. Und je älter er wurde, desto mehr wuchs die Leidenschaft. Nachdem er anfangs den Sport im TV aufgesogen hatte, musste sein Vater Heinz bald so oft wie möglich mit ihm in das Green's nach Bad Segeberg fahren, wo die nächstbesten Tische zu finden waren.

"Dort habe ich angefangen. Ich bin ein Typ, der schnell großen Ehrgeiz entwickelt. Erst waren wir alle 14 Tage dort, dann jede Woche." Irgendwann hatte Heinz Otto genug, spendierte seinem Sohn einen eigenen Snooker-Tisch und legte so die Basis für Robins rasanten Aufstieg.

Szenenwechsel. An einem Sonntagnachmittag tritt Robin Otto in einem unscheinbaren Gebäude in Hamburg-Barmbek in Aktion. Allerdings: Wer die Partie der 2. Bundesliga Nord zwischen dem Snookerclub Hamburg und SAX MAX Dresden verfolgt, muss sich hüten. Denn so spannend das für den Aufstieg in die erste Liga vorentscheidende Duell ist, so elementar ist der Verhaltenscodex für Aktive und Fans.

Dieser schreibt unter anderem vor: Gesprochen wird - wenn überhaupt - nur leise, angefeuert wird möglichst subtil, und gecoacht werden dürfen die jeweiligen Akteure schon gar nicht.

"Am Tisch muss jeder mit sich selbst klarkommen", sagt Robin Otto. Ihm gelingt das außergewöhnlich gut, seine Erfolgsquote in dieser Saison liegt bei über 90 Prozent.

Auch gegen Dresden hat er seine beiden Begegnungen gewonnen. Doch damit ist noch nichts erreicht. Teamgefährte Ismail Ali liefert sich ein ausgeglichenes Match mit dem Dresdener Bernhard Schwarz. Alle weiteren Partien sind beendet, Hamburg führt 4:3, ein Heimsieg wäre gleichbedeutend mit Platz eins, ein Unentschieden wäre wie ein Triumph für die Gäste.

Vor dem fünften Frame - vergleichbar mit einem Satz beim Tennis - ist Robin Otto merklich angespannt, denn jetzt entscheidet sich die ganze Saison. "Ein Remis haben wir sicher, aber das wollen wir nicht." Doch auf Ismail Ali ist Verlass. Ihm gelingt ein Break, und kurz darauf fallen sich die Hamburger in die Arme. Mit dem 5:3 ist die Bundesliga so gut wie erreicht, die Nervenbelastung fällt jetzt langsam ab. "Ich habe in den letzten Tagen vor dem Einschlafen immer nur an dieses Wochenende gedacht", sagt Robin Otto.

Nach der täglichen Arbeit, wenn der Auszubildende zum Bankkaufmann bei der Sparkasse Südholstein in Bornhöved Feierabend gemacht hat, dreht sich zwar ebenfalls alles um Snooker. Doch der Job hat Priorität. Denn auch wenn der Snookerclub Hamburg quer durch die Republik zu Auswärtspartien reist, handelt es sich bei den Mannschaftsmitgliedern ausnahmslos um Amateure.

Robin Otto, der sich selbst als "aggressiven Spieler mit Pokerface" charakterisiert, fährt in seiner Freizeit regelmäßig eineinhalb Stunden mit dem Auto nach Hamburg, um dort zu trainieren. "Das ist es mir wert", sagt der Youngster, der inzwischen deutschlandweit als ein Könner im Umgang mit Queue und Bällen bekannt ist - auch dank des dritten Platzes bei der DM 2012 in Bad Wildungen.

Die nationalen Snooker-Cracks treffen sich regelmäßig auf der fünfteiligen Grand-Prix-Tour. Otto gehört seit zweieinhalb Jahren dazu, ist bis auf Rang fünf vorgerückt. "Ich habe jetzt ein Jahresticket, muss also nur noch die Anfahrt und die Hotelkosten bezahlen."

Demnächst kommt eine Flugreise hinzu. Robin Otto wird als einer von vier deutschen Spielern bei der U-21-Europameisterschaft in Bor/Serbien (18. bis 22. März) starten.

Die Konkurrenz aus 25 Nationen darf sich auf einen unangenehmen Gegner einstellen. "Für mich gab es noch nie etwas, was nicht umzusetzen gewesen wäre. Und ich habe nie darauf gehört, wenn Leute gesagt haben, dass Snooker ja gar kein richtiger Sport sei."