Der 19 Jahre alte Ellerauer verzückt die 600 Zuschauer bei der 6. Alster-Gym-Boxgala mit einem K.o.-Sieg gegen Ali Sharms.

Norderstedt. Florian Kröger spürt, dass der entscheidende Moment nahe ist. Der Widerstand von Ali Sharms ist seit dem ersten Niederschlag gebrochen, der Gegner weicht zurück, sucht Zuflucht in den Ringseilen. Die 600 ekstatischen Zuschauer der Kampfsportgala im Festsaal Ufuk - die meisten unterstützen den Thaiboxer des Henstedt-Ulzburger Alster-Gyms - stehen, viele skandieren unablässig "Kröger, Kröger, Kröger", Cheftrainer Axel Bösselmann schreit Anweisungen, aus einzelnen Stimmen ist eine ohrenbetäubend laute Masse geworden. Und Florian Kröger setzt nach. Ein Trommelfeuer von Schlägen prasselt auf den in die Ecke getriebenen Sharms ein. Es ist kurz vor Mitternacht, als sich der Hauptevent ultimativ zuspitzt.

Diese Kampfsituationen hat der 19 Jahre alte Ellerauer tausendfach durchgespielt. Im Sparring wird der Ernstfall geprobt, in Gesprächen werden die Sinne geschärft, in vorherigen Fights hat Kröger gute und schlechte Seiten des Sports erlebt. "Ein Schlag kann alles komplett verändern", sagt er. Dieses Leitmotiv kennen alle Thaiboxer. Die Besten ziehen daraus die Fähigkeit, keine Sekunde nachzulassen.

Es gibt allerdings verschiedene Wege, um dorthin zu kommen. So etwa in Schulen, die eine harte Rivalität unter den Kämpfern fördern und fordern. Axel Bösselmann und die weiteren Coaches im Alster-Gym versuchen es mit einer anderen Methodik. "Wir gehen alle nett miteinander um", erklärt Florian Kröger und erwähnt, wie anderswo schon die Sparring-Sessions grenzwertig sind.

Dass unterschiedliche Ansätze zum Erfolg führen können, lässt sich auf der Boxgala beobachten - die Veranstaltung im Kalender der World Full Contact Association (WFCA) ist eine Leistungsschau aller teilnehmenden Schulen.

Für Trainer Bösselmann, aber genauso für seine Ehefrau und die Töchter im Publikum, ist schon der Auftakt mit gehöriger Nervosität verbunden. Schließlich steigt ihr Sohn und Bruder Vincent gegen Sabi Shida (D'Amato-Gym) in den Ring. Dass die Familie bei jeder Aktion mitzittert, mitleidet und mitjubelt, ist verständlich. Umso erleichterter springen sie auf, als der 15- Jährige im Thaiboxen nach K-1- Reglement (D-Klasse) per Knock-out in Runde zwei triumphiert.

Fußballspieler Finn Peters bietet ebenfalls eine gute Performance

Auch Finn Peters, 20, bietet in der Folge eine gute Performance mit dem zweiten Sieg (3:0 nach Punkten) für das Konto seines Gyms. Sein Name ist auch Fußballexperten geläufig, schließlich gehört er zum Kader des Schleswig-Holstein-Ligisten SV Todesfelde.

Die Zuschauer im ausverkauften Saal kommen nun auf ihre Kosten. Joyce Jah vom Hamburger Siamstore - eine deutschlandweit bekannte Boxerin - bezwingt Caroline Abe (Berlin). Jihan Ayav und Adamo Bakayoko liefern sich ein spektakuläres Duell im K 1 (Superfight-Klasse), das Ersterer per Knock-out gewinnt. Artem Runde (Alster-Gym) und Arber Dodaj (Leonfight) trennen sich im Boxen mit einem seltenen Remis.

Maurice Lohner sorgt danach für Begeisterung: Das 17-jährige Talent - ebenfalls vom Alster-Gym - zeigt gegen den Greifswalder Roy Kinkledey eine Demonstration und trifft ihn entscheidend mit dem Knie am Kinn.

Die Riege der Lokalmatadore wird komplettiert durch ein Zwillingspaar. Felix Minners bleibt im Boxen nur ein Unentschieden im Duell mit Hasan Solhan (JCC Langenhorn), dafür dreht sein Bruder Tom mit einem K.o.-Sieg über Chaivat Uhlemann (Berlin) auf.

Die ersten Kämpfe sieht Florian Kröger noch vor Ort in der Halle. "Das ist ein gutes Niveau, bisher die beste Veranstaltung, die wir gemacht haben", sagt er. Dass er zum Abschluss die Qualität noch einmal steigern wird, hofft nicht zuletzt Axel Bösselmann. Der Coach ist ruhender Pol und Heißmacher zugleich, die Schützlinge schwören auf ihn. "Ich bin jetzt seit 15 Jahren im Geschäft und wollte immer eine Schule wie unser Alster-Gym haben", sagt er.

Wertschätzung und Demut sind unverzichtbare Elemente

Bösselmann lehrt nicht nur Kicks und Schläge. Wertschätzung und Demut sind unverzichtbare Elemente, das unterstreichen die Gesten vor und nach den Kämpfen. So halten der Coach und der jeweilige Protagonist vor dem Betreten des Ringes stets kurz inne, falten die Hände und atmen tief durch. "Das ist der eine Moment, um sich zu sammeln. Man weiß nie, wann und wo man sich wiedersieht", erklärt der Trainer. Der besagte Schlag, der alles verändern kann, ist allgegenwärtig.

Als Florian Kröger seinen Kontrahenten ein letztes Mal trifft und den Kampf vorzeitig beendet, bebt der Festsaal. "Für uns ist es das beste Gefühl, durch Knock-out zu gewinnen", hatte er vorher gesagt. Es ist eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Ali Sharms (Gym Kwan) bleibt nur noch die faire Gratulation, nachdem er sich wieder aufgerappelt hat.

Jetzt legen sich Lärm und Aufregung, im Foyer wird dafür geplaudert. Und genauso schnell, wie er im Thaiboxen den Knock-out feierte, findet Florian Kröger den Übergang zum relaxten Feierabend. Noch ungeduscht, mit freiem Oberkörper und in Sporthose - dafür mit einem Bier in der Hand.

Videos von allen Hauptkämpfen werden im Laufe dieser Woche auf dem Internet-Portal www.sportdevils.de hochgeladen.