Vier Wochen nach Dienstantritt von Trainer Thomas Seeliger beginnt der Fußball-Oberligist seine aktuelle Siegesserie.

Norderstedt. Am 29. September 2012 war unsere Welt noch eine andere. Globalpolitisch etwa, schließlich hatte Mitt Romney zu diesem Zeitpunkt noch Hoffnung auf einen Sieg bei der US-Präsidentenwahl. In Deutschland musste sich Kanzlerkandidat Peer Steinbrück noch nicht öffentlich für seine Nebeneinkünfte rechtfertigen, in der Fußball-Bundesliga hatte Rekordmeister FC Bayern noch keinen Punkt abgegeben.

All dies ist Geschichte. Genauso wie der verkorkste Saisonstart von Eintracht Norderstedt. Seit besagtem 29. September - einer 1:3-Niederlage beim SV Curslack-Neuengamme - haben die Garstedter ihre sieben Spiele in der Oberliga Hamburg gewonnen, in diesem Zuge acht Kontrahenten überholt und sich in der Tabelle auf Rang drei vorgearbeitet. Zudem ist die Qualifikation für die Hamburger Hallenmeisterschaft (12. Januar 2013) erreicht.

Damit ist das im Spätsommer noch ramponierte Selbstverständnis an der Ochsenzoller Straße wieder repariert. Zu Saisonbeginn komplett neben der Spur, entschloss sich der Verein zur unpopulärsten aller möglichen Maßnahme und trennte sich von Trainer Matthias Dieterich.

Sein Nachfolger Thomas Seeliger stellt einen Gegenentwurf dar: weniger kumpelhaft, gelassener, routinierter beim Management der verschiedenen Charaktere im Kader. Das kommt an und bildet die Basis für den Aufschwung. "Wir wissen mittlerweile, dass wir gegen jede Mannschaft bestehen können. Aber man muss das Potenzial eben immer abrufen", sagt Seeliger.

Nach Bestandsaufnahme führt Seeliger ein funktionierendes System ein

Es entspricht nicht seinem Naturell, wie manch ein Kollege staatstragende Bestandsaufnahmen in die Blöcke zu diktieren. Als er seinen Posten antrat, machte er sich schnell ein Bild vom Zustand des Teams und von den bis dahin zumeist verborgen gebliebenen Fähigkeiten der jeweiligen Akteure. Ei ne der Primärtugenden von Fußball-Trainern ist es schließlich, das jeweils vorhandene Spielermaterial in ein passendes System zu integrieren.

Dies ist Seeliger gelungen - die Eintracht spielt mit einer Mittelfeldraute, davor mit zwei beweglichen Angreifern, dahinter arbeitet eine schnörkellose Abwehrkette. Die Abstimmung funktioniert von Woche zu Woche besser, gravierende taktische Patzer sind kaum noch zu beobachten. "In diesem System fühlen sich die Spieler wohl", stellt Liga-Manager Jörg Franke fest.

Auch für ihn ist die positive Entwicklung Erleichterung und Genugtuung zugleich. Mit der ursprünglichen Entscheidung pro Dieterich lag auch er im Nachhinein falsch. "Wir hatten keine gute Vorbereitung, haben schnell handeln müssen. Es ist hypothetisch, ob wir dieses Niveau auch mit Matthias Dieterich erreicht hätten", so Franke. Dass er daran allerdings den Glauben verloren hatte, ist kein Geheimnis.

Aus der Angst vor einer verlorenen Saison ist binnen zweier Monate eine Gelassenheit entstanden. Gelassen deswegen, weil die Abläufe im Team nun passen und die Bestätigung in Form von Siegen wöchentlich eintritt. "Der Trainer hat die Mischung gefunden zwischen weich und hart", sagt Torwart Johannes Höcker. "Wir haben einen guten Rhythmus mit ein, zwei harten Einheiten pro Woche. Und in den letzten sieben Spielen sind wir als Mannschaft gewachsen - egal wer eingewechselt wird, es gibt keinen Qualitätsverlust."

Das Rezept von Thomas Seeliger scheint simpel zu sein, fußt allerdings darauf, dass Automatismen immer wieder penibel studiert, durchexerziert und verfeinert werden. "Ich werde es den Spielern weiter offen sagen: Wir dürfen nicht nachlassen", sagt der ehemalige Bundesliga-Profi (86 Spiele, 10 Tore für Fortuna Düsseldorf, den SC Freiburg und 1860 München).

Ein Blick auf die Tabelle verrät, warum gedämpfte Euphorie angemessen ist. So ist Spitzenreiter FC Elmshorn sechs Punkte entfernt, der zweitplatzierte TSV Buchholz 08 hat vier Zähler Vorsprung und ist sogar ungeschlagen. Jörg Franke hält den Druck daher hoch: "Die Mannschaft muss immer wieder eine Schippe drauflegen!"