Indische Eltern, geboren in den USA, Jugendfußball in Sao Paulo. Jetzt ist Surjya Chakraborty im Kreis Segeberg angekommen.

Todesfelde. Es ist eng in der Kabine des SV Todesfelde, ein wenig zugig. Wer aus der Tür tritt, wird vom gleißenden Flutlicht empfangen, das die Fußballer des Schleswig-Holstein-Ligisten bei ihrem Training begleiten wird. Die Temperatur liegt knapp über dem Gefrierpunkt, der Beginn der Einheit hat sich bis kurz vor 20 Uhr verzögert. Es könnte gemütlichere Orte geben - nicht aber für Surjya Chakraborty.

Der Neuzugang lächelt und ist bester Dinge, wenn er über seinen neuen sportlichen Lebensmittelpunkt spricht. Chakraborty hat einen weiten Weg zurückgelegt, ehe er im Herbst 2012 auf dem Dorf angekommen ist. Vielleicht nahm das Schicksal sogar schon vor 18 Jahren seinen Lauf. "Als ich drei Jahre alt war, spielte mein Vater mit einem Fußball und traf mich aus Versehen. Ich fiel um - und von diesem Moment an habe ich den Fußball geliebt."

Sein Pass weist den heute 21-Jährigen als gebürtigen US-Amerikaner aus. Surjya Chakraborty ist allerdings - wie es schon der Name andeutet - Sohn einer indischen Familie, die aus Asien nach Boston emigrierte.

Ohne besagten Zwischenfall mit dem Ball wäre er vielleicht immer noch dort. Die Entwicklung war jedoch nicht mehr aufzuhalten. Zwar sind in den Vereinigten Staaten bekanntermaßen andere Sportarten (American Football, Basketball, Baseball) weitaus populärer als "Soccer". Chakraborty aber wollte nur das runde Leder, erwies sich bald als außerordentlich begabt und wurde in den nationalen Talente-Pool aufgenommen.

Das allein genügte nicht. Die Chance auf ein Probetraining in Brasilien nahm der Teenager gerne wahr - und erst Recht das Traumangebot, gänzlich nach Südamerika zu gehen. "Ich entschied mich dazu, meine Karriere dort zu verfolgen. Ich war allein in Brasilien. Es war schwierig, meine Eltern damals davon zu überzeugen, aber sie sahen, dass ich Potenzial hatte."

Davon gibt es in Brasilien gleichwohl Hunderttausende Jugendliche. In sechs Jahren durchlief Chakraborty alle Nachwuchsklassen bis hoch zur U 21, stand bei zwei Klubs unter Vertrag: dem Brasilis FC aus Sao Paulo sowie SER Caxias do Sul (Porto Alegre).

Wer sich tagein, tagaus nur mit Fußball beschäftigt, baut sich zwangsläufig ein Netzwerk auf. So auch Surjya Chakraborty. Ein Freund machte ihm den Vorschlag, er solle doch mitkommen nach Hamburg. Schon wieder ein Abenteuer also. Jetzt, wo er endlich fließend portugiesisch sprach? Ohne irgendwelche Deutsch-Kenntnisse? Die Antwort war keine Überraschung. "Der Freund sagte: Versuch es! In Deutschland sind die Möglichkeiten groß. Also sagte ich: Klar, gerne!"

Der Neu-Todesfelder ist nicht nur selbstbewusst, sondern hat eine ausgeprägte Abenteuerlust. "Das ist alles aufregend. Ich fliege gerne um die Welt, treffe neue Menschen und lerne neue Orte kennen. So lange ich jung bin, möchte ich gerne so viele Dinge machen, wie nur möglich."

Die Saisonvorbereitung absolvierte er noch bei Germania Schnelsen (Oberliga Hamburg), fühlte sich dort aber nicht wohl. Und wie eben üblich - Kontakte, Freunde von Freunden - landete er bei Sven Firsching, dem sportlichen Leiter des SV Todesfelde. "Sven hat mich in Todesfelde vorgestellt. Jeder dort ist sehr nett. Ich weiß, es ist ein kleiner Ort, aber es ist sehr interessant für mich."

Parallel nimmt Surjya Chakraborty in Hamburg täglich Sprach-Unterricht, mittelfristig möchte er studieren. "Noch ist das Deutsch so lala, nicht so gut", sagt er. Also unterhält er sich vorerst noch in Englisch. Täglich auch mit seiner Familie in Boston und den Freunden in Brasilien. "Ich vermisse sie alle. Aber wo immer ich bin, ist meine Heimat. Ich bin es gewöhnt, auf mich gestellt zu sein. Das ist ein gutes Gefühl."

Fast so gut wie ein Sieg des SVT, werden sich die Fans des Klubs denken. Sein Liga-Debüt gab Surjya Chakraborty schon am vergangenen Wochenende in Heikendorf, doch sein erster Heimauftritt steht diesen Sonntag, 14 Uhr, gegen Dornbreite Lübeck bevor.