Aufsteiger Schachklub Norderstedt zieht sich trotz der Niederlagen gegen die SG Trier und die OSG Baden-Baden beachtlich aus der Affäre.

Norderstedt. Das haben die Schachspieler des SK Norderstedt nun vom Aufstieg in die Bundesliga: Im Oberhaus der Denksportler herrschen wesentlich strengere Sitten als eine Klasse tiefer. In einer zwölf DIN-A-4-Seiten starken Turnierordnung ist in Beamtendeutsch exakt formuliert, welche Standards bei den Wettkämpfen der 16 Klubs starken Elite-Staffel verlangt werden.

Beispiele gefällig? Unter Punkt fünf heißt es unter anderem: "Die Deckenhöhe des Spiellokals muss mindestens 2,60 Meter betragen. Zwischen Spielertisch und Zuschauern muss ein Mindestabstand von einem Meter vorhanden sein. Der Spielsaal muss gut belüftet und ausreichend beheizt sein. Die Temperatur muss zwischen 20 und 23 Grad Celsius liegen. Für eine ausreichende Lüftung ohne Zug ist Sorge zu tragen." Und, und, und...

Der Vorschriftenkatalog regelt im vorletzten Absatz sogar, wie die Teambekleidung auszusehen hat: "Alle Spieler einer Mannschaft müssen anhand eines einheitlichen Kleidungsstücks zu identifizieren sein."

Um keine Strafgebühr zu kassieren, saßen die Akteure des SK Norderstedt bei ihren beiden Auftaktniederlagen im Gebäude der Signal-Iduna-Versicherung in der Hamburger City Nord also vorschriftsmäßig angezogen an den Brettern: Gegen die SG Trier (3,5:4,5) in hellblauen, gegen den Deutschen Meister Ooser Schachgesellschaft Baden-Baden (0,5:7,5) in weißen Oberhemden.

"In der Bundesliga antreten zu dürfen, ist für uns nicht nur wegen der professionellen Rahmenbedingungen etwas ganz Besonderes", sagte Mannschaftsführer Christian Michna. Passend zur Premiere hatte der SKN erstmals in der Vereinsgeschichte einen Großmeister in seinen Reihen aufgeboten. Ivan Salgado Lopez wurde aus Madrid eingeflogen, um den Underdog in den beiden Duellen mit den übermächtigen Gegnern zu unterstützen.

"Ivan ist ein sehr umgänglicher, angenehmer Typ, der noch viel Potenzial hat. Er ist ja erst 22 Jahre alt", so Michna. Eine erste Kostprobe seines Könnens lieferte der Iberer mit dem Remis gegen den Ungarn Viktor Erdos (SG Trier) ab. Gegen seinen französischen Großmeisterkollegen Etienne Bacrot (OSG Baden-Baden) musste sich Salgado Lopez indes geschlagen geben.

Überhaupt entpuppte sich das Match gegen die Crew aus der Kur- und Kasinostadt im Südwesten der Bundesrepublik als eine sehr einseitige Angelegenheit. Zwar verzichtete der amtierende nationale Champion auf den Einsatz der ersten fünf Spieler seiner Meldeliste, trat also auch ohne Weltmeister Viswanathan Anand aus Indien an. Doch selbst der Rest des Kaders strotzt nur so vor hochkarätigen Akteuren. "Die sind einfach eine Klasse für sich", sagte Christian Michna, dessen Ehefrau Marta an Brett sechs gegen den Rumänen Liviu-Dieter Nisipeanu immerhin ein Remis erkämpfte, "Baden-Baden hat schon oft gegen wesentlich stärkere Teams als uns mit 8:0 gewonnen."

Der SK Norderstedt bot am ersten und zweiten Spieltag ganz bewusst Großmeister Michal Olszewski (Polen) sowie die Brüder Simon und David Bekker-Jensen (Dänemark) nicht auf. "In welcher Formation wir in unseren Wettkämpfen antreten, hängt von mehreren Kriterien ab: dem Gegner, dem Tabellenstand, der aktuellen Form sowie dem Terminkalender der Spieler", sagte Christian Michna. Und auch von den Finanzen.

Das Bundesliga-Abenteuer ist schließlich nicht billig und kostet den SKN etwa 20 000 Euro - extern unterstützt wird der Bundesliga-Aufsteiger bisher allerdings nur von der Stadt Norderstedt, die sich mit einem Zuschuss im unteren vierstelligen Bereich an den Fahrt- und Übernachtungskosten beteiligt, sowie einem kleineren Geldgeber.

"Unsere Suche nach Sponsoren hat sich extrem schwierig gestaltet", sagte Klubchef Rüdiger Schäfer, "wir haben die erforderliche Summe vor Saisonbeginn mühsam im Umfeld des Vereins zusammengekratzt. Aber vielleicht findet sich ja doch noch die eine oder andere Norderstedter Firma, die uns helfend unter die Arme greift."

Am 10. und 11. November trifft der SK Norderstedt im Coppernicus-Gymnasium auf den SV Mülheim Nord (Sonnabend, 14 Uhr) und die SF Katernberg (Sonntag, 10 Uhr).