Eintracht-Jugendcoach Ralf Schehr kann auch herzlich lachen. Doch wenn es um Ansprüche an sein Team geht, versteht der Trainerfuchs keinen Spaß

Norderstedt. Der Respekt ist spürbar, wenn der Name von Ralf Schehr in einem Gespräch aufkommt. Der Fußballlehrer gehört zu diesen besonderen Personen, die Blicke auf sich ziehen, sobald sie einen Raum betreten oder auch nur eine Runde um den Rasen spazieren. Seinen Ruf als ausgezeichneter Fachmann hat er sich hart erarbeitet in seinen über 30 Jahren im Geschäft, die ihn quer durch alle Verantwortungsbereiche geführt haben.

Der Respekt fußt gleichermaßen aber auch darauf, dass Schehr stets ein Freund konsequenter Entscheidungen gewesen ist - gerne auch einmal undiplomatisch, immer zumindest direkt und offen. So etwas hinterlässt eben Spuren, positive wie negative.

Als Jugendkoordinator steht Schehr nicht mehr so häufig im Blickpunkt

Das vereinnahmende Lächeln zur Begrüßung bricht das Eis auf Anhieb. Vielleicht ist es auch eine gewisse Erleichterung für Ralf Schehr, dass er als neuer Jugendkoordinator und U-19-Coach von Eintracht Norderstedt nicht mehr täglich in der Öffentlichkeit auftreten muss, solange er nicht möchte. "Jetzt interessiert es mich auch nicht mehr, was Außenstehende denken. Früher war das noch anders", sagt der 57-Jährige dazu.

Als Trainer im Herrenfußball, ob nun beim Hamburger SV oder in Norderstedt, wurden von ihm natürlich konkrete Resultate in Form von Punkten erwartet. Heute sind die Vorgaben andere, denn Nachwuchsarbeit definiert sich nicht primär über Tabellenpositionen. "Jeglicher Job im Jugendbereich ist verantwortungsvoller als bei den Herren", fängt Schehr an, und wird konkreter: "Du bist Vaterersatz, Mutterersatz, Lehrerersatz, Pastorersatz. Als Trainer stehst du vor den Eltern, wenn die Kinder gerne Fußball spielen. Und wenn du damit nicht sorgsam umgehst, ist das nicht gut."

Ralf Schehr mag Spieler im Kader, die ihre "Ecken und Kanten" haben

Er hat sie alle gesehen. Die hochgejubelten Talente, die dann doch viel zu schnell wieder abstürzten. Oder auch die anfangs unscheinbaren Spieler, die letztlich eine erfolgreichere Karriere erlebten. Einen Musterweg gibt es nicht, wohl aber einige Grundvoraussetzungen. "Ich mag Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten. Zu selbstbewusst gibt es nicht, vor mir aus auch arrogant. Aber es muss in einen Rahmen hineinpassen, denn ich lege allergrößten Wert auf Ordnung und Respekt."

Als Schehr sich vergangene Saison die finalen Auftritte des damaligen Regionalliga-Teams anschaute, wird er kaum erfreut gewesen sein. Abfällige Gesten hinter dem Rücken des Mitspielers und unfreundliche Kommentare zeugten damals von einem zerfallenen Mannschaftsgeist. Mit dem neuen Trainer an der Seitenlinie ist die Toleranzschwelle für dies Auswüchse quasi gleich null. "Wenn es bis jetzt nicht fertig ist, machen wir einen Schnellkurs in Disziplin. Wenn einer die Regeln nicht einhält, haue ich drauf. Die Gesten wird man einmal sehen, dann sprechen wir darüber. Wenn mich einer nicht ernst nimmt, ist er draußen. Ich spiele auch mit sieben Mann zu Ende."

Sofern allerdings die Gemeinschaft funktioniert, gibt es auch den netten Herrn Schehr - oder "Schere", diesen Spitznamen lässt er durchgehen. "Wir müssen Regeln einhalten, aber die Spieler können auch Spaß haben. Und wenn einer will, dann bekomme ich ihn groß. Aber das ist nicht immer einfach, sondern harte Arbeit."

Wenn es um seine Prinzipien geht, ist Ralf Schehr also unnachgiebig. In sportlicher Hinsicht ist es daher fast schon verwunderlich, dass er von 2007 bis 2009 in Dubai in ähnlicher Funktion wie seit Juli bei der Eintracht tätig war. Denn beim dortigen Ajman Club ließen sich die Talente von deutscher Gründlichkeit nur geringfügig beeindrucken. "Fußballerisch sind die stark. Aber sie können die Uhr nicht lesen - wenn du sagst, um 17 Uhr ist Training, dann ist keiner da", erzählt Schehr. "Ich habe da viel bewegt, aber manche Dinge bekam ich nicht hin. Und da sind wir wieder bei der Disziplin."

Die neue A-Jugend erhält Zugänge vom HSV, FC St. Pauli und SC Concordia

Ein Emirati als Import an die Ochsenzoller Straße kann also ausgeschlossen werden. Der A-Jugend-Kader für die Saison 2011/2012 setzt sich mehrheitlich aus Zugängen vom HSV, FC St. Pauli und des SC Concordia zusammen. Der Fokus lag hier auf dem Jahrgang 1994. Aus dem alten Norderstedter Team bleiben wenige Akteure - etwa Magnus Hartwig - übrig, und auch aus der erfolgreichen B-Jugend schafft nur eine handvoll Youngster den Sprung.

Am meisten Aufmerksamkeit in der Szene bekam jedoch bislang Offensivspieler Tim-Niklas Sellhorn. Der 17-Jährige vom SC Alstertal-Langenhorn wird von Experten so hoch eingeschätzt, dass teilweise sogar die sofortige Beförderung zu den Oberliga-Herren vermutet wurde. Davon hält Ralf Schehr zurzeit aber überhaupt nichts, sieht gleichwohl aber das Potenzial zum Ausnahmespieler. "Ich muss die Chance bekommen, die Jungs selbst zu entwickeln. Bei dem Talent, das Tim hat, darf Eintracht Norderstedt nicht das Ende der Fahnenstange sein. Aber auch größere Talente brauchen täglich 'auf die Fresse'. Sonst lassen sie sich gehen."

Ralf Schehr soll für Eintracht den Status als Hamburgs Nummer drei festigen

Laisser-faire wird mit ihm nicht möglich sein. Ralf Schehr soll und will im Jugendbereich der Eintracht Abläufe optimieren, mit seiner Erfahrung andere Trainer unterstützen und den schon qua Anspruch bedingten Status des Vereins als Nummer drei in Hamburg festigen. Doch auch wenn die Leute gerne mit ihm und über ihn reden: Einen Zampano, einen Alleinunterhalter wird es nicht geben, sondern einen Teamplayer. "Ich bin nicht der liebe Gott des Fußballs, das machen wir schön alles zusammen."