Weltmeisterin Stine Nielsen holt sich bei den Verbandsliga-Luftgewehrschützen der BSG Stadtwerke Wettkampfpraxis

Norderstedt. Den Verbandsliga-Luftgewehrschützen der Wandsbeker Schützengilde schwant nichts Gutes, als sie zum vorletzten Wettkampftag der Verbandsliga Hamburg auf das Gelände der Schießsportanlage am Norderstedter Schierkamp einbiegen. Auf dem Parkplatz steht ein unauffälliger roter Pritschenwagen mit dem typisch gelben Kennzeichen, wie es dänische Nutzfahrzeuge tragen.

Und da sich über die vergangenen Jahre die BSG Stadtwerke Norderstedt in der Schießsportszene durch gute Kontakte zu Cracks aus dem nördlichen Nachbarland einen Namen gemacht hat, ahnen die Wandsbeker schon, dass ihnen nicht ein rein deutscher Kader gegenübertreten wird. Und so kommt es auch. Am Luftgewehrstand stehen die Gäste aus Hamburg einer waschechten Junioren-Weltmeisterin gegenüber.

Stine Nielsen ist erst 19 Jahre alt und wirkt bei der Begrüßung angesichts ihrer kaum mehr als 1,60 Meter Körpergröße und des eher schüchternen Auftretens wenig beeindruckend. Doch nach den ersten zehn Schüssen auf das zehn Meter entfernte Ziel spiegelt sich bei Gästen und eigenen Teammitgliedern nur noch Respekt auf den Gesichtern wider. Als der Papierstreifen mit den Zielscheiben durch das Auswertungsgerät gezogen wird, stehen für die junge Frau aus Faborg, das am Südende der Ostsee-Insel Fünen gelegen ist, 99 von 100 möglichen Ringen zu Buche.

Als der Blondschopf an den Stand zurückkehrt und für die nächste von insgesamt vier Zehner-Serien anlegt, registrieren wohl auch die letzten Beobachter, dass sich die junge Frau all ihre Fingernägel mit dem Dannebrog, der rot-weißen dänischen Nationalflagge, lackiert hat. Doch so stolz, wie die WM-Siegerin von 2010 im Kleinkaliber-Dreistellungskampf auf ihr Land ist, so stolz ist ihr Schießverband offenbar auch auf sie. Die Nordländer haben mit ihr schließlich noch Großes vor.

"Stine schießt in Norderstedt in der für ihre Verhältnisse niedrigen Liga, weil der Verband möchte, dass sie generell das Gefühl dafür trainiert, Wettkämpfe in Ländern zu bestreiten, deren Sprache sie kaum beherrscht", sagt Stines Vater Tom Nielsen. Er ist zusammen mit Axel Larsen, Stines Trainer bei ihrem Stammverein Saerslev SF, nach Norderstedt gekommen, um seine Tochter zu unterstützen.

Beide sehen wohlwollend zu, wie Stine Nielsen weitere Serien von 98, perfekten 100 und noch einmal 99 Ringen hinlegt. Die insgesamt 395 Ringe sind ein Weltklasse-Ergebnis und das Sahnehäubchen auf den souveränen 5:0-Sieg der Norderstedter. "Doch, ich bin ganz zufrieden", sagt Stine Nielsen auf Englisch und zeigt ihr verlegen-schüchternes Lächeln, "dabei sind wir schon um 3.30 Uhr aufgestanden, um rechtzeitig in Norderstedt zu sein."

Strapazen, die sie gerne auf sich nimmt, denn diese bereiten sie auf die große Aufgabe vor, die ihr Verband für sie auserkoren hat. "Wie es scheint, sehen die Verantwortlichen bei mir die größte Chance, dass ich für Dänemark ein Luftgewehr-Startrecht bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London erkämpfen kann." Deshalb wird Stine Nielsen noch in diesem Jahr vorzeitig aus dem Junioren- in den Senioren-Bereich wechseln, denn nur bei den "Alten" kann sie die Platzierungen für die Olympia-Qualifikation erzielen.

Bemerkenswert ist dies besonders, weil Stine Nielsen erst vor zwei Jahren mit Luftgewehr-Wettkämpfen begonnen hat. Denn ihre bereits elfjährige Schießsporterfahrung hat sie sich mit dem Kleinkaliber-Gewehr erworben.

"Wir sind eine Jägerfamilie. Da haben wir schon früh den Umgang mit Waffen gelernt", sagt die dänische Olympiahoffnung, die später einmal als diplomierte Kindergärtnerin arbeiten möchte, "und als meine zwei Jahre ältere Schwester Jeanette damals mit dem Kleinkaliber-Sportschießen anfing, wollte ich gleich mitmachen und bin dann dabei geblieben. Neben Fitness und Treffen mit meinen Freunden ist das meine Hauptbeschäftigung."

Doch bevor Stine Nielsen Anfang März in Brescia/Italien bei der EM für Luftdruckwaffen eine gute Platzierung auf dem Weg in Richtung Olympia erkämpfen will, hat sie noch eine wichtige Aufgabe für die BSG Stadtwerke Norderstedt zu bewältigen. Vor dem Verbandsligafinale am 6. Februar gegen die SK Salzhausen, an dem Stine Nielsen auch teilnehmen möchte, stehen die Norderstedter als Teilnehmer der Regionalliga-Aufstiegsrunde am 20. Februar in Hannover fest. "Dann möchten wir unbedingt Stine wieder dabei haben", so BSG-Teamchef Jürgen Schumacher, "wir wollen nach dem gescheiterten Versuch im vergangenen Jahr schließlich aufsteigen."