Trapschützin Sonja Scheibl aus Itzstedt startet Ende Juli bei den Titelkämpfen in München für Deutschland

Itzstedt/Bad Segeberg. Ein prüfender Blick, noch kurz eine unsaubere Stelle abschleifen, ein letzter wohl dosierter Schlag. Fertig. Zufrieden blickt Tischlerin Sonja Scheibl auf den blauen Schaukelstuhl, den sie in der Werkstatt ihres Arbeitgebers, der Möbeltischlerei Adam in der Segeberger Wacholderstraße, fertiggestellt hat.

Der Beruf als Tischlerin erspart den Gang zum Büchsenmacher

"Als ich vor über zehn Jahren die Lehre begann, hatte ich die Tischlerei nur als Sprungbrett für mein Berufsleben gesehen", sagt die 30 Jahre alte Itzstedterin, "aber als die Zeit verging, merkte ich immer mehr, wie sehr mir die kreative Arbeit mit Holz gefällt."

Eine neu entwickelte Leidenschaft, die Sonja Scheibl auch für ihr zweites großes Talent nutzt: das Trapschießen. Den Schaft ihrer Flinte, einer Beretta 682, hat sie genau auf die eigenen Bedürfnisse zurechtgeschliffen. "Ich hatte keine Lust, die Flinte beim Büchsenmacher abzugeben", sagt Sonja Scheibl mit einem verschmitzten Lächeln, "ich kenne zwar auch schießende Tischler, die ihre Waffe nicht selbst bearbeiten, weil sie nichts versauen wollen; aber ich musste das einfach haben."

Ihr Beruf, bringt der Itzstedterin mittlerweile auch eine innere Ruhe, die sich in ihren Schießergebnissen niederschlägt. Vor drei Wochen hat Sonja Scheibl im russischen Kazan ihren ersten internationalen Titel gewonnen. Zusammen mit Susanne Kiermayer (Kirchberg) und Jana Beckmann (Magdeburg) wurde sie Trap-Europameisterin in der Mannschaftswertung. Und im Einzelwettbewerb belegte sie mit 67 Treffern einen guten achten Platz.

Kurios: Scheibl hat den größten sportlichen Erfolg ihrer Karriere praktisch ohne Training eingefahren. Nach einer recht ordentlichen Saison 2008 wollte sie sich vom Deutschen Schützenbund von allen Maßnahmen des Bundeskader freistellen lassen, um sich voll auf ihre Meisterausbildung konzentrieren zu können.

"Ich hatte dafür sogar die Unterstützung unseres Bundestrainers Wilhelm Metelmann. Aber der Verband konnte sich damals nicht dazu durchringen, für mich eine Extrawurst zu braten." Da Sonja Scheibl beruflich keine halben Sachen macht, zog sie sich komplett vom Wettkampfsport zurück. "Ich hatte sogar schon meine Waffenversicherung gekündigt", sagt sie.

Bundestrainer Wilhelm Metelmann ist ein Fürsprecher der Itzstedterin

Dann die überraschende Wende: Zu Beginn dieses Jahres rief Bundestrainer Metelmann bei Sonja Scheibl an. "Er hat für mich die Vereinbarung ausgehandelt, dass ich in diesem Jahr nur an den Ausscheidungsschießen teilnehmen muss und von Lehrgängen oder anderen Pflichtveranstaltungen freigestellt bin", sagt die 30-Jährige.

Ohne Druck seitens des Verbandes konnte Sonja Scheibl locker in die Qualifikationswettbewerbe gehen. "Ich wollte einfach nur sehen, was geht. Schließlich habe ich ein Jahr lang kaum trainiert." Was ging, war die reibungslose Qualifikation für die EM. Und mit ihrem guten Abschneiden rechtfertigte die Itzstedterin das Vertrauen des Bundestrainers. "Mir hat in Kazan aber auch geholfen, dass ich dort wieder in der alten Truppe mit Susi und Jana geschossen habe", so Scheibl, "wir mögen uns sehr. Und deshalb habe ich mich auch für meinen beiden Teamkolleginnen so richtig ins Zeug gelegt."

Ende des Jahres fällt die Entscheidung über den weiteren Verlauf der Karriere

Diesen Motivationsschub wird Sonja Scheibl am Sonnabend, 31. Juli, wieder gut gebrauchen können. Dann nämlich tritt sie in München - erneut praktisch ohne Training - bei den Weltmeisterschaften der Trapschützen im Einzel- und Mannschaftswettbewerb für Deutschland an.

"Ob ich die Leistung von Kazan wiederholen kann, weiß ich nicht, ich werde aber mein Bestes dafür geben", sagt sie. Denn es ist vielleicht wieder für längere Zeit die letzte Chance, einen internationalen Erfolg zu erringen. "Für 2011 muss ich mich dann entscheiden, ob ich mit allen Verpflichtungen in den Bundeskader zurückkehren will. Das werde ich aber nur tun, wenn ich den Sport mit meiner Arbeit vereinbaren kann."

Sollte dies nicht möglich sein, würde sie erneut Abschied vom Wettkampfsport nehmen. Schließlich hat Sonja Scheibl schon jetzt eine klare und kompromisslose Entscheidung getroffen: "Der Beruf ist mir wichtiger als das Trapschießen."