Ausrichter Schachklub Norderstedt zieht mit Freilos ins Endspiel um die Deutsche Pokalmeisterschaft ein und unterlag Meister OSG Baden-Baden.

Norderstedt. Die Schachspieler der OSG Baden-Baden haben es den Fußballprofis von Borussia Dortmund nachgemacht. Der Deutsche Meister des Jahres 2012 wurde nun auch Pokalsieger. Den zweiten Platz bei der Endrunde für Vierermannschaften belegte Gastgeber SK Norderstedt, die Schachfreunde Berlin mussten sich mit Rang drei begnügen.

Ausgelassen gefeiert wurde beim SKN trotz des größten Erfolgs in der Vereinsgeschichte aber nicht; zu bedrückend ist die Ungewissheit, die auf dem Team lastet. Denn noch immer ist nicht geklärt, ob die Norderstedter in der kommenden Saison in der Bundesliga starten dürfen oder weiterhin in der 2. Bundesliga antreten müssen.

Was hatte der 1975 gegründete Klub zuletzt nicht alles erreicht: Zunächst qualifizierte sich der SKN sensationell für die als Final Four deklarierte Deutsche Pokalmeisterschaft und bekam den Zuschlag, die Endrunde mit der OSG Baden-Baden, der Schachgemeinschaft Porz und den Schachfreunden Berlin auszurichten.

Kurz darauf waren dann auch der Staffelsieg in der 2. Bundesliga und der damit verbundene Aufstieg in die stärkste Spielklasse der Welt perfekt. "Vor einem Monat", so Vereinschef Rüdiger Schäfer, "haben wir noch auf Wolke sieben geschwebt."

Doch dann kam es knüppeldick. Das Bundesturniergericht gab in zweiter Instanz dem Protest der TSG Oberschöneweide nach der 2,5:5,5-Niederlage am 15. Januar im Zweitliga-Wettkampf gegen den SKN statt. Das höchste zuständige Gremium des Deutschen Schachbundes beriet geschlagene drei Monate lang, stufte die Norderstedter zwei Wochen nach Beendigung Punktrunde in der Abschlusstabelle von Platz eins auf den vierten Rang zurück und beendete so formell den Traum von der Bundesliga.

Titelverteidiger SG Porz verzichtet kurzfristig auf Teilnahme

Damit nicht genug: Die Pokalendrunde im Norderstedter Rathaus verlief ebenfalls nicht ohne faden Beigeschmack. Titelverteidiger SG Porz sagte nur einen Tag vor Veranstaltungsbeginn seine Teilnahme mit der Begründung ab, "kein adäquates Hotel" gefunden zu haben - aus dem Final Four wurde so ein Final Three. Rüdiger Schäfer: "Der Zeitpunkt war sehr ärgerlich, denn wir hätten sonst theoretisch nach Absprache mit dem Deutschen Schachbund den Hamburger SK als vierte Mannschaft einladen können."

Die OSG Baden-Baden und die Schachfreunde Berlin erwiesen sich als deutlich pflegeleichter. Auch sie hatten wegen des durch den Hamburger Hafengeburtstag ausgelösten Touristenansturms kein Quartier in der Hansestadt beziehungsweise in unmittelbarer Nähe des Spielortes gefunden, waren sich aber nicht zu schade, in Bad Bramstedt einzuchecken.

"Um das Buchen der Hotels musste sich jeder Verein selbst kümmern, das gehörte nicht zu unseren Aufgaben als Ausrichter", sagte Schäfer, "wir haben aber alles versucht, um die sicherlich nicht optimale Situation so angenehm wie möglich zu gestalten."

So chauffierte der SKN-Boss die Aktiven nach dem ersten Wettkampftag höchstpersönlich zurück in die Kurstadt, die Norderstedter Spieler Michael Kopylov und Arne Jochens, die in Neumünster und in Kiel wohnen, betätigten sich morgens zweimal als Shuttle-Service.

Kopylov nahm zusammen mit Suren Petrosian, Marta Michna und Aljoscha Feuerstack dann auch den Kampf gegen den übermächtigen Favoriten auf. Mit einem Freilos waren die Norderstedter ins Finale eingezogen; dass der SKN das Match nach dreieinhalbstündiger Gegenwehr am Ende mit 0:4 verlor, störte niemanden. Grund: Die OSG Baden-Baden ist nahezu identisch mit dem Nationalteam; Arkadij Naiditsch, Georg Meier sowie Jan Gustafsson wurden 2011 sogar Europameister.

Bei der Siegerehrung musste erneut improvisiert werden. Da die für Platz eins ausgelobte Trophäe noch in Porz steht, blieb Rüdiger Schäfer nichts anderes übrig, als den neuen Champion mit Urkunden auszuzeichnen. Verschnaufen durfte der SKN-Boss aber auch nach der Zeremonie nicht: Anlässlich einer Mannschaftssitzung erörterten Vereinsverantwortliche und Spieler den Stand der Planungen für die Saison 2012/2013.

Landgericht Berlin entscheidet am 5. Juni über Klage des SKN

"Alles hängt davon ab, wie das Landgericht Berlin am 5. Juni in einer mündlichen Verhandlung mit unserer vom Norderstedter Anwalt Martin Fischer eingereichte Klage gegen das Urteil des Bundesturniergerichts verfährt."

Szenario Nummer eins: Das Klassement der 2. Bundesliga Nord wird per Einstweiliger Verfügung erneut korrigiert, der SK Norderstedt bekommt den Auswärtserfolg in Oberschöneweide zugesprochen und steigt doch noch in die Bundesliga auf. Nun endlich könnte sich der Klub konkret um Neuverpflichtungen für die Serie im Oberhaus kümmern und die Gespräche mit potenziellen Sponsoren intensivieren.

Da bis zum 1. Juli die Mannschaftskader gemeldet werden müssen, drängt die Zeit. Rüdiger Schäfer: "Spieler und Geldgeber wollen wissen, in welcher Klasse wir künftig antreten."

Szenario Nummer zwei: Das Gericht bestätigt die Zurückstufung des SKN. "Dann müssten wir genau überlegen, ob es sich überhaupt lohnt, in Revision zu gehen. Der folgende Rechtsstreit könnte mehrere Monate dauern, doch damit wäre niemandem gedient."