Norderstedts Tanzsportvereine klagen über massiven “Männermangel“ im Nachwuchsbereich. Für die Tanztrainerin kein neues Problem.

Norderstedt. Rebecca Wichert ist bis in die Finger- und Fußspitzenkonzentriert und blickt schnurstracks geradeaus, das unbeschwerte Lächeln fällt ihr noch ein wenig schwer. Der Tango ist gefordert - und das ist keine leichte Aufgabe. Schließlich müssen die richtigen Schritte gesetzt werden - und das auch noch im Takt der Musik.

Die neun Jahre alte Henstedt-Ulzburgerin macht ihre Sache trotz aller Schwierigkeiten sehr gut und landet beim Newcomer-Pokal des TTC Savoy im TuRa Harksheide mit ihrem Partner Sönke Scheele, 9, auf dem fünften Platz. In der Gesamtwertung der Breitensportserie, die aus vier Turnieren bestand, belegte das Savoy-Duo zudem den vierten Rang - ein Resultat, mit dem die beiden Grundschüler sehr zufrieden waren.

Seit eineinhalb Jahren sind Rebecca und Sönke nun schon ein Tanzpaar - und zwar ein gemischtes. Das ist inzwischen nicht mehr selbstverständlich, denn im Nachwuchsbereich des Tanzsports herrscht akuter Männermangel. Beim Breitensportturnier des TTC Savoy wurde dies vor allem in der Kategorie der 13- bis 18-Jährigen deutlich. Auf der Tanzfläche tummelten sich fast ausschließlich Mädchenpaare, bei der Siegerehrung waren die jungen Tänzerinnen auf dem Podest ebenfalls unter sich.

"Ich würde mir wünschen, dass vor unserem Tanzsaal mal ein Reisebus voll mit Jungs anhält", sagt Dagmar Steen. Die Nachwuchstrainerin betreut die jungen Standard- und Lateintänzer des TTC Savoy in der Altersklasse bis einschließlich zwölf Jahre. Die älteren Turniertänzer werden von Sven Steen und Andrea Knief unterrichtet.

Dass mehr Mädchen als Jungen beim Training sind, ist nicht neu für Dagmar Steen.

"Man muss sich ab und zu anfassen. Das ist ab einem bestimmten Alter schwierig." Während Kinder noch recht ungezwungen miteinander tanzen - Sönke Scheele ist in seiner Altersklasse nicht der einzige "Mann" - wird es in der Pubertät schwierig.

"Im Idealfall erscheint eine gemischte Freundesgruppe oder Clique geschlossen zum Tanztraining", sagt Dagmar Steen, "bei uns wird niemand zu irgendetwas verpflichtet oder gezwungen, Turniertänzer zu werden."

Dass die Tanzklubs neue Wege gehen müssen, haben die Verantwortlichen erkannt. Beim TTC Savoy im TuRa Harksheide gibt es beispielsweise eine Eltern-Kind-Tanzgruppe. Die Kleinen ab drei Jahre lernen so schon sehr früh, sich spielerisch nach der Musik zu bewegen und Spaß am Tanzen zu haben. Dagmar Seen: "Nicht nur Eltern können mittanzen, auch Oma oder Opa sind herzlich willkommen."

Thomas Fürmeyer, Vorsitzender der Tanzsportgemeinschaft Creativ Norderstedt, hat sich intensiv mit dem Thema "Männermangel" auseinandergesetzt und bietet verschiedene Alternativen an. "Wir haben gemischte Gruppen im Angebot, aber auch solche, in denen die Mädchen unter sich sind. Die sind damit allerdings ganz glücklich."

Vor allem bei einem etwaigen Partnerwechsel sind Probleme programmiert. Denn wenn zwei Mädchen miteinander tanzen, muss eines führen, also die Rolle des Mannes übernehmen.

Damit diese Mädchen auch später mit einem männlichen Partner zurechtkommen, wechseln sich die "Damen" in der Führungsarbeit deshalb ab.

Das Problem des Männermangels ist übrigens nicht neu. Dagmar Steen: "Früher gab es in der Tanzschule erfahrene männliche Tänzer, die schon ein höheres Abzeichen besaßen. Diese Gastherren sind extra engagiert worden, damit alle Mädchen und Frauen einen Partner abbekommen."

Eine weitere Ursache für die Zurückhaltung des sonst so starken Geschlechts: Tanzen ist mittlerweile kein gesellschaftliches Muss mehr. Thomas Fürmeyer: "Früher gab es keine Diskussionen, da ging man in die Tanzschule." Heutzutage ist das Freizeitangebot so groß geworden, dass viele Kinder und Jugendliche andere Möglichkeiten nutzen, um sich zu treffen. Sehr zum Leidwesen der Tanzvereine. Denn dieser Sport unterstützt eine gute Haltung und Körperspannung.

Wer Tanzen lernen möchte, kann das in jedem Alter tun. Die diversen Vereine in Norderstedt haben ein umfangreiches und abwechslungsreiches Angebot erarbeitet. Der 1. SC Norderstedt beispielsweise bietet für die jüngeren Mitglieder Breakdance, Solotänze und HipHop an. Wer mag, kann sich auch beim Linedance - alleine, aber trotzdem in der Gruppe - austoben und dabei Spaß haben.