Die 15-jährigen Zwillinge Tom und Felix Minners aus Norderstedt gelten als große Talente der Sportschule “Alster Gym“. Am Wochenende standen die beiden bei einem Turnier im Ufuk-Festsaal zum zweiten Mal im Ring.

Norderstedt/Henstedt-Ulzburg. Eine "Tomcat" ist ein Kampfflugzeug für präzise Luftschläge - welche Kampfkraft und Schlagpräzision sich hinter einem "Tomfex" verbirgt, das erlebt Olgür Bayramoglu am Sonntag schmerzhaft am eigenen Leib. Mit harten Schlägen und schnellen Tritten treibt der erst 15 Jahre alte Thaiboxer Tom Minners aus Norderstedt seinen Kontrahenten aus Bremen durch den Ring. Die Menge im mit rund 400 Zuschauern gut besetzten Ufuk-Festsaal, Austragungsort der 2. Kampfsport-Gala der Kampfsportschule "Alster Gyms", johlt, als Tom seinen Gegner schließlich mit einem wuchtigen Knietritt zum Körper durch die Ringseile katapultiert.

Nach dreimal anderthalb Minuten Kampfzeit kann es nur einen Sieger geben: Unter dem Jubel des Publikums reißt der Ringrichter den Arm des jungen Kämpfers aus der Sportschule in Henstedt-Ulzburg in die Höhe - wo Tom und sein Zwillingsbruder Felix als große Talente angesehen und, weil sie niemand auf den ersten Blick auseinanderhalten kann, nur "Tomfex" genannt werden.

Minuten später im Nebenraum, wo sich die Kämpfer warm machen und nach den Fights in fast familiärer, auf jeden Fall sichtlich respektvoller Atmosphäre zusammenhocken. Es riecht streng nach Schweiß und Körperöl. Noch etwas schwer atmend, aber abgesehen von einigen Hautrötungen ohne sichtliche Blessuren gibt Tom Minners brav und höflich Interviews. Aus dem ultraharten Kampfsportler, der eben noch im Ring gestanden und seinen Gegner gnadenlos bearbeitet hat, ist wieder der nette Junge von nebenan geworden. Wann er vor seinem zweiten Kampf besonders aufgeregt gewesen sei? "Eigentlich nur kurz bevor es durch den Vorhang in die Halle ging", sagt Tom, der zur Realschule Friedrichsgabe geht. Nach ein paar Minuten Interview erkundigt sich der Teenager höflich: "Darf ich wieder reingehen?"

Ein paar Meter weiter steht Part zwei von "Tomfex", Felix Minners. Auch er hat kurz zuvor den zweiten Kampf seiner jungen Laufbahn bestritten. Der Ausgang für Felix war weniger glücklich: Nachdem er die erste Runde seines "K1"-Kampfes "verschlafen" und einige harte Hände hatte einstecken müssen, wie er selbst sagt, gingen die Runden zwei und drei gegen Can Esur (Tough Gym) nach Meinung der Zuschauer an den Norderstedter. Nach dem Schlussgong aber werteten die Punktrichter des Verbands WFCA (World Full Contact Association) den Kampf unentschieden. Die interne Wertung ist wieder ausgeglichen: Für Tom stehen nun eine Niederlage und ein Sieg, für Felix zwei Remis zu Buche.

Beim Thaiboxen dürfen die Kämpfer dem Gegner Schläge mit den Fäusten und Tritte mit den bandagierten Beinen verpassen. Auch Angriffe mit den Knien sind erlaubt sowie das Clinchen, also das Umklammern des Gegenübers. "K1" indes ist eine moderne, vor allem in Asien populäre Kampfsportart, die als Erweiterung des Kickboxens auch Techniken aus Karate oder Taekwondo erlaubt.

Durch den Vorraum läuft Mutter Ulla Minners Richtung WC - die Aufregung fordert ihren Tribut. Vor den Kämpfen ihrer Jungs hatte die Norderstedterin gesagt, sie sei "ganz kribbelig". Richtig Angst um die Gesundheit ihrer Kinder habe sie aber nicht: "Sie sind ja geschützt mit Kopf- und Tiefschutz." Hinterher beweist Mutter Ulla durchaus Sachverstand. Ob ihr bange gewesen sei, als Felix in Runde seines Kampfes eins hatte einstecken müssen? "Nee, ich wusste, dass er eine gute Kondition hat und noch zulegen kann."

"Tomfex" sind schlank und austrainiert. Die 15-Jährigen trainieren nicht nur seit zwei Jahren intensiv Kampfsport im "Alster Gym". Seit Kindesbeinen an spielen sie auch Handball, inzwischen gehören sie zur B-Jugend-Oberliga Mannschaft des Norderstedter SV. "Fünf- bis sechsmal in der Woche", so Tom und Felix, gingen sie zum Training. Für Vater Frank Minners ist das in Ordnung, "solange sie gut in der Schule sind". Er selbst habe früher immer Boxen lernen wollen: "Ich finde es wichtig, sich in heutiger Zeit mit Kampfsport zu beschäftigen. Angst um die Söhne? "Handball ist gefährlicher!"

Für Axel Bösselmann, Cheftrainer des "Alster Gym" und selbst erfahrener Thaiboxer, sind Tom und Felix "local heros" (lokale Helden), wie sie der Sportschule besonders gut zu Gesicht stünden. Das Kampfsporttraining schule nicht nur den Körper der jungen Leute: "Wenn sie in den Ring steigen, gibt es nur Sieg oder Niederlage - das lernen sie fürs Leben." Die Nachwuchskämpfer vom "Alster Gym" seien nicht jene jungen Leute, die sich außerhalb der Sporthalle Schlägereien lieferten - das Gegenteil sei vielmehr der Fall: "Wer hier nach dem Training rauskommt, ist viel zu kaputt, um Mist zu bauen", lacht Bösselmann.

"Hören Sie mal!", fordert der Kampfsport- und Fitnesstrainer auf. Tatsächlich klingt aus dem großen Übungsraum, in dem mehr als zwei Dutzend junge Athleten beim Boxtraining sind, nichts außer den Kommandos der Trainer und dem Geräusch, mit dem die Boxhandschuhe auf der "Pratzen" der Trainer klatschen. "Links, rechts, Leberhaken!" Schon im Alter von sechs Jahren könnten Kinder mit dem Boxtraining beginnen - "natürlich alles spielerisch", betont der Cheftrainer.

Schlägertypen haben im "Alster Gym" keine Chance. Dafür sorgen die Macher um Inhaber Michael Ay. Der Hüne ist Justizvollzugsbeamter und Ausbilder für die Kollegen in "Santa Fu". Während der Kampsport-Gala prangt auf seinem Shirt der Aufdruck "Mobiles Narkosegerät". "Hier trainieren auch viele Polizisten", erzählt Axel Bösselmann, "und die sind in der Freizeit nicht gerne dort, wo ihre Kunden sind." Wer in dem Studio an der Industriestraße 47 "Krav Manga", ein vom Militär in Israel entwickeltes Nahkampfsystem, trainieren möchte, "von dem verlangen wir zu Beginn ein polizeiliches Führungszeugnis", so Bösselmann, "wir erkennen auf den ersten Blick, wenn hier ein schräger Vogel reinkommt."

"Auf der Straße brauchen wir das nicht", sagen "Tomfex" selbstbewusst. Der Kampfsport lehre sie, "keine Angst, aber immer Respekt" zu haben. Dem beinharten Training setzen sie sich mehrmals wöchentlich aus. Eine Sache aber kommt für die jungen Norderstedter nicht in Frage. Irgendwann gegeneinander kämpfen? Die Antwort kommt wie aus einem Mund: "Niemals!"