Der Trainer des Hamburger Fuß ball-Oberligisten äußert sich im Gespräch mit der Norderstedter Zei tung pos tiv über die Entwicklung seines mehrheitlich jungen Kaders.

Mit einem konsequenten Jugendstil starteten die Fußballer von Eintracht Norderstedt im vergangenen Sommer einen Neuanfang in der Oberliga Hamburg. Nach 18 Partien hat das Team die Erwartungen mehr als erfüllt - die jüngste Mannschaft der Liga rangiert als Tabellenachter fernab der Abstiegsränge. Im Interview zieht Trainer Marco Krausz Bilanz, beschreibt die Zusammenarbeit mit seinen Spielern und wagt einen Blick in die Zukunft.

Norderstedter Zeitung:

Vor Saisonbeginn wurde das Ziel Klassenerhalt ausgegeben - ist die Abstiegsgefahr nun bereits gebannt, Herr Krausz?

Marco Krausz:

Im Moment sieht es gut aus, deutlich besser, als wir erwarten konnten. Man muss realistisch sein - wenn wir unsere Leistung konservieren können, werden wir mit dem Abstieg nichts zu tun haben. Wir sind da optimistisch.

NZ:

Verspürt man Genugtuung angesichts der Skepsis, die der konsequenten Verjüngung entgegen gebracht wurde?

Krausz:

Genugtuung nicht, aber wir sind sehr froh über die Entwicklung. Die Mannschaft hat einen guten Job gemacht, es war ein Spiel mit vielen Unbekannten - der Sprung von der A-Jugend zu den Herren ist sehr groß. Aber wir waren von der Qualität der Spieler überzeugt, sonst wären wir diesen Weg nicht gegangen.

NZ:

Ist Eintracht Norderstedt dann eher Vorbild oder Ausnahme im Hamburger Fußball?

Krausz:

Man hat nicht jedes Mal einen solchen Jahrgang zur Verfügung. Wenn man früh die Weichen stellen kann, ist es etwas, das man verfolgen sollte - auch in anderen Vereinen. Aber die A-Jugend kam nicht wie Phönix aus der Asche, die spielen teilweise seit der C-Jugend zusammen.

NZ:

Wie hat sich der Charakter des Teams im Vergleich zur Saison 2008/2009 verändert?

Krausz:

Komplett! Vom ersten Spieltag an hatten wir ein Team auf dem Platz, da steht jeder für den anderen ein. Das war zuvor nicht immer der Fall. Und wenn man einmal richtig abgeschossen wird wie beim 0:5 gegen Altona und dann nach Buchholz fährt und 1:0 gewinnt - das sagt alles über den Charakter aus.

NZ:

Hilft es, wenn man als 35-jähriger Trainer selbst noch jung ist?

Krausz:

Ich denke, dass wir ein gutes Miteinander haben, einen sehr guten Umgangston. Auf der einen Seite ist es locker, aber die Spieler wissen auch, wann sie an ihre Grenzen gestoßen sind.

NZ:

Lässt man dann jüngeren Spielern eher eine Nachlässigkeit durchgehen als einem Routinier?

Krausz:

Es ist eigentlich eher andersherum. Bei einem Stefan Siedschlag ist es für die persönliche Entwicklung vielleicht nicht mehr so wichtig wie bei einem jungen Spieler. Aber wenn ein Spieler nicht berufstätig ist, bis Mittag schläft, eine Pizza in den Ofen schmeißt und dann zwei Stunden Playstation spielt, das kann man nicht kontrollieren.

NZ:

Führen Sie eher Einzelgespräche oder werden Versäumnisse auch im Team angesprochen?

Krausz:

Ich würde nie einen vor versammelter Gruppe niedermachen. Aber mit Stefan Siedschlag und Momo Yilmaz haben die Jungen zwei direkte Ansprechpartner, die ihnen die Augen öffnen - der eine oder andere will ja in den Profibereich später.

NZ:

Hat sich das Verhalten junger Spieler verändert gegenüber Ih rer aktiven Zeit?

Krausz:

Ich wollte in meinem ersten Jahr nicht einmal ungefragt sprechen, musste Bälle und Tore tragen. Da hat es einen Wandel gegeben - die junge Generation ist insgesamt aufgeschlossener.

NZ:

Die Mannschaft scheint homogen zu sein - wie kann man gesunde Hierarchien beeinflussen?

Krausz:

Das ist auch Glückssache. Im letzten Jahr hat es nicht geklappt, da haben wir uns in Spielern getäuscht. Aber wo wir damals daneben lagen, passt es jetzt besonders gut. Wichtig ist, dass man kommuniziert: Erfolg und Misserfolg liegen an allen, nicht nur an den Alten.

NZ:

Einer der Führungsspieler ist Mahmut Yilmaz, der vom Verletzungspech verfolgt wird. Schafft er den Anschluss noch einmal?

Krausz:

Davon gehe ich aus. Er hat genug Zeit, sich auszukurieren. Es ist wichtig, dass er gut durch die Vorbereitung kommt.

NZ:

Bei so viel Lob und Aufmerksamkeit - werden Spieler darauf vorbereitet, wie sie sich bei Anfragen anderer Clubs verhalten?

Krausz:

Es läuft heutzutage glücklicherweise so, dass man in der Regel über die Vereine geht. Ein junges Team weckt Begehrlichkeiten, das ist nichts Neues. Wenn Anfragen kommen, spreche ich mit den Spielern darüber.

NZ:

Der Zuschauerschnitt liegt bei unter 300 - gibt es Ideen im Verein, wie man Eintracht mehr ins Bewusstsein rücken könnte?

Krausz:

Es gibt Möglichkeiten, und die jungen Spieler sind für jeden Spaß zu haben, aber das sollten wir im Verein besprechen. Für mich gibt es nichts Schöneres, als vor vollem Haus zu spielen.

NZ:

Stichwort Erfolg - ist das Team schon bereit für den Anlauf auf die Regionalliga Nord?

Krausz:

Das ist schwer zu beurteilen. Viele haben gesagt, dass wir nicht einmal oberligatauglich sind. Wir wollen das erste Jahr als Akklimatisierung nutzen und nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun - alles andere ist Zukunftsmusik. Mittelfristig haben wir die Regionalliga im Blick.

NZ:

Welches Ziel wird für die Rückrunde ausgegeben?

Krausz:

Wir wollen im Pokal so weit wie möglich kommen und in der Liga unseren guten Auftritt bekräftigen. Vielleicht können wir einen Großen ärgern, was uns in der Hinrunde nicht gelang.

NZ:

Könnten Sie sich persönlich vorstellen, auch längerfristig in Norderstedt etwas aufzubauen, oder geht Ihr Blick nach oben?

Krausz:

Ich fühle mich sehr wohl. Ich kann mir vorstellen, lange in Norderstedt zu bleiben. Aber ich bin auch ehrgeizig und möchte als Trainer weit kommen.

Interview: Christopher Herbst