Die Leichtigkeit, mit der Sabine Jacob und ihr Partner Thorsten Strauß das Publikum begeistern, ist das Produkt harter Arbeit. In der Norderstedter Zeitung beschreibt die Erzieherin den Turnier-Alltag des Duos.

Das Kribbeln im Bauch ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Countdown läuft. Ich bin mit meinem Tanzpartner Thorsten Strauß zwar schon bei vielen nationalen Titelkämpfen gestartet. Doch eine Deutsche Meisterschaft ist für mich immer noch etwas Besonderes. Im Gegensatz zu "normalen" Turnieren werde ich schon eine Woche vor dem eigentlichen Wettkampf nervös. Haben wir gut trainiert? Bin ich fit? Sehe ich gut aus? Bin ich schlank genug? Passe ich in mein Kleid? Fragen über Fragen. Und die Antworten entscheiden möglicherweise über Erfolg oder Misserfolg.

Äußerlichkeiten, das ist ein offenes Geheimnis, spielen bei Tanzturnieren eine wichtige Rolle. Wer bei einer DM den Sprung in die Endrunde schaffen oder sogar auf dem Siegerpodest stehen will, muss selbstverständlich sportlich überzeugen. Es schadet aber auf keinen Fall, wenn man sich optisch ein wenig von den übrigen Paaren abhebt.

Doch ein schickes Outfit hat seinen Preis: Für die Deutsche Meisterschaft in Glinde habe ich mir beispielsweise von der Lübecker Diplom-Mode-Designerin und früheren Turniertänzerin Beate Schlocker ein schwarz-silbernes Paillettenkleid nähen lassen - ich hätte für das Geld auch einen kleinen Gebrauchtwagen kaufen können.

Thorsten und ich starten nun schon seit 14 Jahren bei Turnieren; wir sind ein eingespieltes Team und wissen genau, was wir tun müssen, um auf den Punkt topfit zu sein. Das Ritual vor wichtigen Wettbewerben ist dabei immer gleich: Einen Tag vor dem "Ernstfall" absolvieren wir zunächst ein lockeres Abschlusstraining; dabei werden die in unzähligen Übungsstunden automatisierten Folgen im Langsamen Walzer, Tango, Wiener Walzer, Slow Foxtrott und Quickstep noch einmal locker durchgetanzt. Am Ablauf unseres Programms wird jetzt nichts mehr verändert; das würde zu diesem Zeitpunkt nichts mehr bringen und uns nur unnötig verunsichern.

Anschließend gibt es Pasta satt: Auf dem Speiseplan stehen Dinkel-Vollkornnudeln, um die Kohlenhydratspeicher aufzufüllen, und als Beilage Chili-Schoten. Wir essen nämlich gern sehr scharf, worüber sich unsere Konkurrenten regelmäßig köstlich amüsieren.

Um am nächsten Morgen gar nicht erst in Stress zu geraten, bestücke ich vor dem Schlafengehen noch schnell meinen Schminkkoffer und packe die Sporttasche. Wichtigstes Utensil neben dem Kleid und zwei Paar Tanzschuhen ist die Deutschland-Trainingsjacke. Die ziehe ich nicht ganz ohne Hintergedanken an. Denn die schwarz-rot-goldenen Streifen sollen die anderen Paare sowie die Wertungsrichtern schon beim Eintanzen ein wenig beeindrucken und zudem signalisieren: Sabine Jacob ist ja ganz schön gut...

Das Frühstück am Veranstaltungstag ist frugal. Es gibt ausschließlich Obst, damit wir uns später auf der Fläche leicht fühlen. Andere Tänzer hauen sich noch kurz vor ihrem ersten Auftritt Kartoffelsalat oder Käsebrote rein, da hat jeder seine Vorlieben. Bei uns wirkt sich ein voller Magen eher leistungsmindernd aus. Aber eine eiserne Ration für Notfälle ist stets in Reichweite: Sollte sich zwischendurch doch einmal der Hunger melden, essen wir Vollkornkekse oder Bananen.

Aberglaube ist unter Leistungssportlern ja weit verbreitet. Wir haben zwar kein Maskottchen, dafür aber einen anderen Spleen: Das Mineralwasser, das wir während eines Turniers trinken, stammt aus einem Bioladen; ich bevorzuge die Sonnen-, Thorsten die Mondquelle. Die Literflasche kostet stolze 2,09 Euro. Doch da wir fest davon überzeugt sind, dass wir so auf dem Parkett mehr Energie haben, greifen wir für unser Spezialgetränk gern ein bisschen tiefer in die Tasche.

Dafür kann ich mir den Gang zum Friseur sparen. Malte Benecke vom TC Hanseatic Lübeck hilft mir beim Stylen der Haare, das ungefähr eine Stunde dauert. Die Herren sind da besser dran: Bei ihnen reicht das Nachschneiden, das geht schneller.

Bei der Deutschen Meisterschaft in Glinde lasse ich mich ausnahmsweise vor Ort schminken. Das übernimmt mit der Hamburgerin Heidi Schulz eine befreundete Turniertänzerin, die mit Make-up, Wimperntusche, Puder und Pinsel wesentlich besser als ich umgehen kann. Die kleineren kosmetischen Korrekturen in den Wettkampfpausen übernehme ich selbst.

Trotz aller Routine haben Thorsten und ich immer noch Lampenfieber - aber das gehört für Sportler oder Künstler, die vor Publikum auftreten, einfach dazu. Uns macht das nichts aus; wir lieben es, den Zuschauern eine gute Show zu bieten und unser Können zu zeigen. Wenn das Publikum dann positiv reagiert, uns applaudiert und lautstark anfeuert, ist das Freude pur.

Es gibt aber auch ganz bittere Momente auf der Tanzfläche. Beispielsweise dann, wenn man - wie wir in Glinde - vom ersten Takt, der ersten Runde an ein tolles Gefühl hat, Trainer und Publikum von der Performance begeistert sind, mit Komplimenten nur so um sich schmeißen - der Vortrag dann aber ganz anders benotet wird, aus welchen Gründen auch immer.

Dass wir bei der DM als amtierender Norddeutscher Meister das Finale der besten sechs Paare erreichen würden, war eigentlich von vornherein klar. Platz vier in der Endabrechung ist aber nicht das, was wir uns vorgenommen hatten. Wir wollten wie 2008, als wir Dritter geworden sind, unbedingt eine Medaille.

Doch das ist das Problem beim Tanzsport: Die sportliche Leistung lässt sich nicht messen, die Wertungsrichter haben einen unterschiedlichen Geschmack. Da sind Rückschläge programmiert. Es gibt durchaus Tage, an denen man vor lauter Enttäuschung am liebsten alles hinschmeißen möchte. Wir investieren schließlich jede Menge Zeit, Schweiß, Nerven und auch Geld in unser schönes Hobby. Thorsten und ich üben vier- bis fünfmal pro Woche bis zu drei Stunden am Tag, meine Fixkosten fürs Tanzen inklusive Privatstunden betragen monatlich etwa 300 Euro. Hinzu kommt das Geld für die Anreise zu Turnieren, Übernachtungen, Kleidung sowie Schuhe. Wenn sich dann der erhoffte Erfolg nicht einstellt, ist das wirklich ärgerlich.

Doch es bringt überhaupt nichts, in Selbstmitleid zu versinken. Ein wirksames Mittel zur Frustbewältigung ist, sich neue Herausforderungen zu suchen. Ich hatte beispielsweise immer den großen Wunsch, einmal in meiner Karriere an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen. Und der wird dank des vierten Platzes bei der DM bald in Erfüllung gehen: Am 1. Mai 2010 dürfen wir bei der ersten Zehn-Tänze-WM für Senioren I S-Paare starten - darauf freue ich mit jetzt schon.

Aufgezeichnet von Frank Best