Nach dem Rückzug des TC Logopak Hartenholm aus dem Herrentennis fehlen Jung-Profi Julian Reister und seinen Kollegen die vereinbarten Honorare, um teure Turnierreisen zu finanzieren.

Hartenholm/Wahlstedt

Tennisprofi Julian Reister (23) muss jeden Cent zweimal umdrehen. Für die Reise nach Paris zu den French-Open im Stade Roland Garros musste Reister den Tennisverband Schleswig-Holstein sogar um einen kleinen Vorschuss bitten. Nicht dass Reister keine Erfolge vorweisen könnte. Der Reinbeker, der im Leistungszentrum Wahlstedt trainiert, steht auf Platz 227 der Herren-Weltrangliste - ein Karriere-Hoch des Schleswig-Holsteiners.

Seit ein paar Wochen hat sich das berufliche Umfeld für den Jung-Profi aber dramatisch verändert. Mit dem Rückzug des TC Logopak Hartenholm aus dem Herrentennis und der Abmeldung der Mannschaften aus der 2. Bundesliga und der Regionalliga Nord hat Reister schlagartig nicht nur seine sportliche Heimat, sondern dazu auch einen großen Teil seiner festen Einkünfte verloren.

Die Norderstedter Zeitung sprach mit dem Tennisprofi, der beim zweiten Grand- Slam-Turnier des Jahres in Paris die erste Runde der Qualifikation mit einem 6:4, 6:1-Erfolg über den US-Amerikaner Todd Widom überstand. Im zweiten Match musste sich Reister dem Kolumbianer Santiago Gireldo mit 6:7, 7:6, 2:6 beugen. Rund 3000 Euro Preisgeld werden die Kosten für den Frankreich-Trip aber decken.

Norderstedter Zeitung:

Herr Reister, sie sind in Deutschland ein etablierter Spieler, national die Nummer 20 und in der Weltrangliste mit steigender Tendenz. Warum suchen Sie sich nicht einfach einen anderen Verein und verdienen da Ihre Brötchen?

Reister:

So einfach ist das nicht. Weil wir im Winter für den TC Logopak Hartenholm aufgeschlagen haben, sind wir in Deutschland bis Oktober gesperrt. Der Rückzug erfolgte so kurzfristig, dass selbst Kollegen, die im Winter nicht gespielt hatten, nicht mehr für neue Vereine gemeldet werden konnten.

NZ:

Heißt das, dass Sie in den kommenden Monaten öfter mal auf ein warmes Mittagessen verzichten müssen?

Reister:

So schlimm wird es nicht werden. Mein Sponsor asics unterstützt mich und auch der Tennisverband Schleswig-Holstein hilft seit Jahren. Und da ich zuletzt recht erfolgreich war, verdiene ich ja auch ein Paar Euro an Preisgeldern. Große Sprünge kann ich mir aber nicht erlauben.

NZ:

Welche direkten Auswirkungen hat der Logopak-Rückzug vom Leistungssport für Sie?

Reister:

Es sind ja nicht nur die vereinbarten Honorare für die Mannschaftsspiele, die jetzt fehlen. Wir haben super miteinander trainiert. Der Teamgeist beim TC Logopak war einmalig. Das kann man daran ermessen, dass alle Spieler, auch die Ausländer, auf eine Bezahlung verzichtet hätten, nur um gemeinsam in der 2. Liga zu spielen. Aber das wollten die Verantwortlichen ja nicht.

NZ:

Warum ist Ihr Rettungsversuch gescheitert?

Reister:

Wir waren persönlich bei den neuen Firmenchefs, sind dort aber abgekanzelt worden. Die haben kein Interesse am Tennis.

NZ:

Das Tischtuch zu Logopak ist also zerschnitten?

Reister:

Nein, für unseren Förderer Chris Hastings-Long, der Leistungstennis in Hartenholm überhaupt zum Leben erweckt hat, würde ich immer wieder spielen. Aber dann muss sich im Umfeld einiges ändern. Der Lord war immer fair. Seine schwere Krankheit macht uns betroffen.

NZ:

Wie gleichen Sie die fehlenden Einnahmen aus?

Reister:

Ich kann mir keinen Trainer mehr leisten, der mit mir zu Turnieren reist. Dabei hat der Versuch im letzten Jahr mit Ex-Profi Ralph Grambow sehr gut geklappt.

NZ:

Was planen Sie für die Zukunft?

Reister:

Im Herbst spiele ich in Frankreich Mannschaftsspiele, um das nötige Kleingeld zu verdienen.

NZ:

Und für welchen Club spielt Julian Reister 2010?

Reister:

Ich habe ein Angebot aus Neuss für die 1. Liga und möchte in Schleswig-Holstein trainieren. Die Bedingungen in Wahlstedt sind prima, und mit Herby Horst habe ich einen tollen Coach.

NZ:

Und welche sportlichen Ziele haben Sie sich gesetzt?

Reister:

Kurzfristig unter die Top 150 - und im zweiten Schritt unter die besten 50 der Welt.

Interview: Joachim Jakstat